Druck schwächt sich ab: Inflation auf niedrigstem Stand seit März 2022
Sinkende Benzinpreise und das 49-Euro-Ticket haben die deutsche Inflationsrate im Mai auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr gedrückt.
Die Verbraucherpreise lagen im Schnitt 6,1 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Das ist der niedrigste Wert seit März 2022. Im April lag die Teuerungsrate noch bei 7,2 Prozent. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Rückgang auf 6,5 Prozent gerechnet. Von April auf Mai fielen die Preise sogar, wenn auch nur um 0,1 Prozent.
"Das sind gute Nachrichten von der Inflationsfront", kommentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer die Entwicklung. Erstmals sei auch die Kerninflation - ohne die schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise - gesunken, von 5,8 Prozent auf geschätzte 5,3 Prozent. Die Inflation dürfte in den kommenden Monaten weiter zurückgehen. "Trotzdem ist eine Entwarnung nicht angebracht", sagte Krämer. "Die rasch steigenden Arbeitskosten sprechen gegen eine nachhaltige Beruhigung der Teuerung."
Für Entspannung sorgte die Entwicklung der Energiepreise: Diese stiegen noch um durchschnittlich 2,6 (April: +6,8) Prozent, wobei das Tanken in vielen Bundesländern sogar billiger war als im Mai 2022. Auch das zu Monatsbeginn eingeführte 49-Euro-Ticket für den Öffentlichen Personennahverkehr dämpfte die Inflation, sinken dadurch doch die Beförderungskosten für die bereits mehr als zehn Millionen Käufer. Nahrungsmittel verteuerten sich zwar mit 14,9 Prozent erneut deutlich, allerdings nicht mehr so stark wie im April mit 17,2 Prozent. Dienstleistungen kosteten im Schnitt 4,5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor (April: +4,7 Prozent).
"EZB sollte sich in Geduld üben"
In einigen Bereichen bleibt der Preisdruck allerdings hoch. Pauschalreisen etwa verteuerten sich in Bayern und Sachsen um jeweils 13,6 Prozent. "Es zeigt sich, dass die Deutschen nach der Pandemie trotz knapper Kassen das Leben wieder genießen und richtig Urlaub machen möchten", sagte der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding. "Das erleichtert es den Anbietern, in diesen Bereichen höhere Kosten auf die Verbraucher zu überwälzen."
Experten schließen nicht aus, dass die Inflationsrate wieder steigt. "In den kommenden Monaten wird es dann komplizierter", sagte ING-Chefvolkswirt Carsten Brzeski. "Denn dann bekommen wir Basiseffekte vom 9-Euro-Ticket und Tankrabatt, wodurch der Inflationsdruck wieder zunimmt." Beides wurde von der Bundesregierung für Juni, Juli und August 2022 eingeführt, um die Bürger zu entlasten. Gleichzeitig seien die Gaspreise extrem niedrig, während der Preisdruck in der Industrie erheblich nachlasse. "Allerdings zeigt sich der Dienstleistungssektor noch sehr inflationsfreudig", sagte der ING-Chefökonom. Daher könne sich die Teuerungsrate im Sommer noch einmal in Richtung sieben Prozent bewegen, ehe sie bis Winter auf gut vier Prozent fallen dürfte.
Berenberg-Ökonom Schmieding sieht im nachlassenden Preisdruck auch eine gute Nachricht für die Europäische Zentralbank. Die EZB hatte wegen der starken Inflation ihre Leitzinsen kräftig erhöht, was jedoch die Konjunktur belastet. Da auch in Frankreich (6,0 Prozent) und Spanien (3,2 Prozent) die Inflationsraten im Mai deutlich gesunken sind, rückt ein Ende der Zinserhöhungen näher. Experten rechnen jedoch noch mit zwei weiteren Schritten nach oben im Sommer. Die EZB ist laut ihrer Präsidentin Christine Lagarde bestrebt, die Zinsen auf ein ausreichend hohes Niveau zu bringen, damit das Inflationsziel von 2,0 Prozent nachhaltig erreicht werden kann. "Für die Europäische Zentralbank ist nun wichtig, mit weiteren Zinsschritten Geduld zu üben", sagte der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sebastian Dullien. "Die Notenbank hat die Leitzinsen in den vergangenen Jahren stärker als jemals in ihrer Geschichte erhöht, und die Zinserhöhungen dürften in den kommenden Quartalen bereits die Konjunktur merklich dämpfen." Die aktuellen Preistrends deuteten darauf hin, dass die Inflation ohne weitere Zinserhöhungen zum Notenbankziel zurückkehre.
Bundesregierung sieht positiven Trend bei Inflation
Die Bundesregierung spricht mit Blick auf die gesunkene Inflationsrate im Mai von einem "positiven Trend". "Es zeigt, dass sich die Treiber der Inflation wieder beruhigt haben, ganz vorne die Energiepreise", sagte ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin.Als immer noch "sehr besorgniserregend" bezeichnete er die Preissteigerungen bei Lebensmitteln. "Das beobachten wir sehr genau. Das ist eine ernste Angelegenheit." Insgesamt sei das aber ein positiver Trend, den die Bundesregierung begrüße.
Die Inflation in Deutschland hat sich im Mai auf hohem Niveau deutlich abgeschwächt. Die Verbraucherpreise lagen um 6,1 Prozent über dem Vorjahresmonat - nach 7,2 Prozent im April, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch auf Basis vorläufiger Zahlen mitgeteilt hatte.
Berlin (Reuters / dpa-AFX)Weitere News
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