Kapitalmarktbrief Oktober 2016: Aktiv - auf der Suche nach Ertrag
Es waren intensive und lange Diskussionen, die unsere globalen Chefs (CIO: "Chief Investment Officer") für die einzelnen Anlagesegmente auf unserem jüngsten Investment Forum führten. Diskussionen, die zeigen, dass die Anlagewelt nicht einfach ist.
Trotz - oder wohl eher gerade wegen - der Flut des billigen Geldes, die sich weltweit über die Kapitalmärkte ergießt. Die drei wichtigsten Agendapunkte waren dabei schnell ausgemacht:
1. Wirtschaftswachstum: Das Wirtschaftswachstum hat weltweit schon vor Ausbruch der globalen Finanzkrise einen flacheren Pfad eingeschlagen. Hinter dem Rückgang des Trendwachstums stehen vor allem die demografische Entwicklung und das schwache Produktivitätswachstum. Eine "Japanifizierung Europas" ist dabei allerdings nicht zu erwarten, u. a. weil die Verschuldung des Privatsektors in Europa deutlich geringer ist als sie in Japan Anfang der 1990er Jahre war. Außerdem haben sich die Häuserpreise zügiger wieder erholt, was einer Bilanzrezession entgegenwirkt. Aber: Die Reformanstrengungen der europäischen Staaten dürfen nicht nachlassen.
2. Geopolitik: Die geopolitischen Spannungsfelder haben deutlich zugenommen. Mit einem "Back to normal" ist kaum zu rechnen. Im Gegenteil. In dem Trend zur De-Globalisierung werden die globalen Verteilungskämpfe deutlich, was das Wachstum zusätzlich behindern könnte.
3. Geldpolitik: Die "Wunderwaffe" Geldpolitik droht an Wirkung zu verlieren. Das wird an den Kapitalmärkten bereits deutlich. Während die globale Geldbasis weiterhin mit hoher Geschwindigkeit wächst, haben sich die globalen Aktienmärkte seit zwei Jahren seitwärts bewegt. Dazu kommt: Die Spielräume der Geldpolitik werden immer geringer. Das verdeutlichen nicht nur der jüngste Strategiewechsel der Bank of Japan, sondern auch die Tatsache, dass das Pulver der Leitzinssenkungen längst verschossen wurde. Konnte die Federal Reserve als Antwort auf die seit 1957 gemessenen Rezessionen den Leitzins im Durchschnitt um über 600 Basispunkte senken, so ist diese Möglichkeit längst ausgeschöpft.
Am Ende die Erkenntnis: Dem schnellen Gewinn durch Kurszuwächse sind enge Grenzen gesetzt. Wer Kapitalerträge erwirtschaften will, der muss sein Portfolio aktiv und mit einem klaren Verständnis für die bestimmenden Treiber steuern (oder steuern lassen). Allein auf Kursgewinne zu setzen, reicht nicht. Volatilität dürfte bleiben.
Es geht um die Suche nach Kapitalerträgen, meint Ihr
Hans-Jörg Naumer, Global Head of Capital Markets & Thematic Research
Taktische Allokation Aktien & Anleihen
◾Das anhaltend expansive Liquiditätsumfeld der internationalen Notenbanken sollte insgesamt stützend wirken, wenngleich die Macht der Zentralbanken an Kraft verliert.
◾Die Jagd nach Kapitalertrag fördert strukturell die risikoreicheren Vermögensklassen (u. a. die Aktienmärkte), wobei Dividenden einen wichtigen Faktor bilden.
◾Trotz bestehender Belastungsfaktoren (geo-politische Unsicherheit, niedriges Gewinnwachstum bei den Unternehmen, Unsicherheit bzgl. der US-Geldpolitik, Liquiditätsrisiken, Bewertungen in einigen Vermögensklassen) sollten riskantere Vermögensklassen mittel- bis langfristig weiterhin ggü. Anleihen bevorzugt werden.
Aktien Deutschland
◾Die Konjunkturlage zeigt sich als unverändert robust. Daran erinnert u. a. der jüngste ifo-Konjunkturklimaindex, der sich nach einem Dip im Vormonat wieder kräftig erholt hat - sowohl von der Erwartungskomponente als auch von der Lageeinschätzung. Sorgen vonseiten der Exporte (BREXIT-Diskussion) sind nicht wahrnehmbar.
◾Gemessen an ihrem langfristigen Durchschnitt sind deutsche Aktien gem. Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis leicht unterbewertet.
Aktien Europa
◾In der Eurozone entwickelt sich die Arbeitslosigkeit vorteilhaft und dürfte den privaten Konsum unterstützen, wenngleich im Laufe der nächsten Monate mit einer moderat ansteigenden Inflationsrate zu rechnen ist.
◾Die ökonomischen wie politischen Risiken sind nach dem britischen Referendum gestiegen. Das Rezessionsrisiko ist für den Inselstaat gewachsen, was auch die Wirtschaft des Kontinents beeinflussen dürfte. Die direkten Auswirkungen einer schwächeren UK-Wirtschaft erscheinen jedoch im globalen Kontext vernachlässigbar.
◾Im Vergleich mit den USA erscheinen europäische Aktien als attraktiv bewertet, wenngleich derweil der Bankensektor auf der Wertentwicklung des breiten europäischen Marktes lastet.
◾Aufgrund der bestehenden Unsicherheiten auch aufseiten des Wechselkurses liegt eine Untergewichtung britischer Werte nahe.
Aktien USA
◾Die US-Konjunkturentwicklung präsentiert sich als robust.
◾Die anhaltend expansive Geldpolitik und das verbesserte Konjunkturumfeld wirken sich insgesamt positiv auf die Gewinnsituation der Unternehmen aus. Der Gegenwind bei den Gewinnrevisionen verschwindet zunehmend. Dafür verantwortlich zeigen sich die Verbesserung im Energiesektor angesichts der Rohstoffstabilisierung, die Aufhellung bei den Investitionen sowie ein nur begrenztes Erholungspotenzial beim US-Dollar.
◾US-Aktien sind bewertungsseitig nicht auf steigende mittelfristige Wachstumsrisiken vorbereitet, da sie bereits hoch bewertet sind.
◾Bei auftretenden Unsicherheiten sollte der US-Aktienmarkt von seinem Status als "sicherer Hafen" profitieren.
Aktien Japan
◾Die bisherigen fiskal- und geldpolitischen Stimulierungen zeigten kaum positive Wirkung.
◾Die jüngste Strategieanpassung der Bank of Japan (BoJ) lässt befürchten, dass das Pulver der Zentralbank sich immer mehr dem Ende zuneigt, während Erfolge nicht sichtbar sind.
◾Insgesamt hilft die Wachstumsverbesserung in der Region Asien.
◾Ein starker Yen lastete zuletzt auf den Gewinnen der großen Exportunternehmen.
Aktien Emerging Markets
◾Die Kapitalabflüsse aus den Schwellenländern haben an Fahrt verloren, was den Druck auf Anlagen in Schwellenmärkten lindert und kurzfristig orientierte Investoren zu einer taktischen Übergewichtung veranlassen könnte.
◾Das makroökonomische Umfeld Chinas bleibt unsicher, wird allerdings durch staatliche Maßnahmen gestützt.
◾Eine Stabilisierung der Rohstoffpreise verschafft dem Anlagesegment eine Atempause, wenngleich ein nachhaltiger Aufschwung noch auf schwachen Füßen steht.
◾Innerhalb des Segments sollte Asien (ex Japan) der Vorzug gegeben werden. Latein-Amerika erscheint strukturell wie politisch belastet.
Branchen
◾Trotz hoher Bewertung stehen von den Investoren als "qualitativ hochwertig" eingestufte Unternehmen mit einem defensiven Geschäftsmodell und langfristigen Wachstumsperspektiven bei den Investoren weiter hoch in Kurs.
◾Die zwischenzeitliche Rallye bei den zyklischen Sektoren seit Mitte Juli läuft dagegen wieder aus. Insgesamt ist das Marktgeschehen branchenseitig stark von Rotationsaktivitäten wie zuletzt in Banken geprägt.
◾Die Branchenaufstellung kann auf Sektorenebene weiterhin neutral bleiben. Sektorenpräferenzen schälen sich nicht heraus.
◾Energiewerte bewegen sich in einem schwierigen Umfeld zwischen Ölpreisschwäche und Chancen aus sinkenden Investitionen sowie Effizienzsteigerungen.
◾Banken profitieren aktuell von Übernahmefantasien sowie Rotationschancen aus Bewertungs- und Positionierungsüberlegungen heraus. Fundamental bleibt das Sentiment für europäische Banken angeschlagen. Zu den Gründen zählen: ein negatives Gewinnsentiment, die Einengung der Zinsmarge auf der Privatkundenseite, Diskussionen über ausreichende Eigenkapitalquoten sowie die wenig vorhandene Dividendenfantasie.
Investmentthema: Inflationsindexierte Anleihen
◾Die Gesamtinflationsrate hängt im Schlepptau des Ölpreises, des Preises für landwirtschaftliche Rohstoffe und des Wechselkurses. Mit der Erholung des Ölpreises - wenn auch wohl in engen Bandbreiten - dürften auch die Inflationsraten in den USA und in Europa wieder ansteigen.
◾Die Kerninflation wird durch die Differenz zwischen aggregierter Nachfrage und potenziellem Angebot erklärt, also der Produktionslücke. In vielen Industrieländern hat sich die Produktionslücke deutlich eingeengt oder ist bereits geschlossen. Dies spricht für ein weiteres Anziehen der Kerninflationsrate.
◾Die langfristigen Inflationserwartungen für die USA und die Eurozone zeigen sich, gemessen an den Erwartungen der professionellen Prognostiker, als geldpolitisch unbeeindruckt. Sie bleiben bei nahezu 2 % verankert mit Sicht auf die nächsten fünf Jahre. Wer eine höhere Inflationsrate als der Markt erwartet, oder zumindest kein weiteres Abgleiten darunter, für den könnten inflationsindexierte Anleihen interessant sein.
Euro Renten
◾Von der EZB ist im aktuellen Umfeld eine Fortsetzung ihrer expansiven Politik mit anhaltender Neigung zu mehr Lockerungsschritten zu erwarten. Allerdings vertagte die Notenbank Anfang September die Entscheidung über weitere Maßnahmen auf den späteren Jahresverlauf.
◾Staatsanleihen der Euro-Peripherieländer haben sich nicht zuletzt durch die anhaltende Unterstützung durch das EZB-Kaufprogramm schnell von dem temporären Rückschlag nach dem britischen Referendum erholt. Allerdings bleiben die mittelfristigen Risiken für das Marktsegment durch die erhöhte politische Unsicherheit in Europa bestehen. Einer signifikanten weiteren Einengung der Risikozuschläge steht darüber hinaus die bestehende Übergewichtung von Peripherieanleihen durch die Investoren entgegen.
Renten International
◾Die Federal Reserve (Fed) hat auf dem Treffen ihres Offenmarktausschusses im September ihre abwartende Haltung vorerst bestätigt. Gleichzeitig hat sie aber die Tür für eine Leitzinsanhebung im weiteren Jahresverlauf weiter geöffnet. Steigende (Leit-)Zinserwartungen auf Basis des aktuell eingepreisten extrem flachen Erhöhungspfades im Zeitablauf gelten als wahrscheinlich. Dieser Prozess könnte aber langsamer als ursprünglich erwartet verlaufen.
◾Die Bank of England hat Anfang August mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket (Zinssenkung, quantitative Maßnahmen inkl. Kauf von Corporate Bonds, neue Finanzierungsfazilität) auf die erwartete Konjunkturabkühlung im Zuge des Brexit-Votums reagiert und mögliche weitere Schritte angekündigt.
◾Insgesamt ist mit einer schnellen Abkehr von dem Negativzinsumfeld nicht zu rechnen. Derzeit weisen über 30 % der Staatsanleihen aus den Industriestaaten eine negative Umlaufrendite aus.
Renten Emerging Markets
◾Die Risikoaufschläge von Emerging Markets-Hartwährungsanleihen sind seit Mitte Februar dieses Jahres deutlich gefallen. Perspektivisch sollten die Fortsetzung des Fed-Zinserhöhungszyklus und die längerfristigen strukturellen Probleme (u. a. Verschuldungsanstieg, schwache Produktivitätsentwicklung) belasten.
◾Bewertungsseitig erscheinen lokale Anleihen aus den Emerging Markets aufgrund der fundamental vielfach unterbewerteten Währungen auf mittlere Sicht attraktiver als Hartwährungsbonds.
◾Innerhalb des Segments sollte den Anleihen aus Asien der Vorzug gegeben werden.
Unternehmensanleihen
◾Die Risikoaufschläge von Euro-Unternehmensanleihen sind im Zuge der Ankündigung der EZB, ab Juni 2016 Corporate Bonds aus dem Nicht-Bankensektor zu kaufen, gefallen.
◾Solide Unternehmensbilanzen und die trotz Erwartungen eines moderaten Anstiegs weiterhin niedrigen Ausfallraten wirken strukturell positiv. Demgegenüber können zunehmende M&A-Aktivitäten und ein steigender Verschuldungsgrad der Unternehmen im Zeitablauf belasten.
◾Nach der zuvor massiven Ausweitung der Risikozuschläge ("Spreads") konnte sich der US High Yield-Markt (Anleihen schlechter Bonität) seit Februar deutlich erholen. Hierzu trug neben einer Stabilisierung des Ölpreises auch die insgesamt attraktive Bewertung des Marktsegmentes bei.
◾Euro High Yields bleiben durch die akkommodierende EZB-Politik mittelbar gestützt, handeln aber bewertungsseitig auf unattraktiven Niveaus. Eine neutrale Einschätzung kann beibehalten werden.
Währungen
◾Die Entwicklung der relativen Geldpolitik bleibt mittelfristig ein dominierender Einflussfaktor für den Wechselkurs Euro/US-Dollar.
◾Die strukturellen Unterstützungsfaktoren für den US-Dollar sind intakt (u. a. wegen eines höheren, wenn auch rückläufigen Potenzialwachstums). Nach dem Überschießen des längerfristig fundamental gerechtfertigten Wertes befindet sich der Greenback jedoch gegenüber vielen Währungen (u. a. Euro) trotz Korrekturen seit Jahresanfang in einer zyklischen Übertreibungsphase. Eine neutrale Gewichtung in Euro/US-Dollar liegt weiterhin nahe.
Entscheidende Einblicke für vorausschauende Anlagestrategien! Wir sind überzeugt: Nur wer heute schon versteht, wie sich unser Leben in Zukunft entwickelt, kann vorausschauend investieren. Allianz Global Investors ist mit fachübergreifenden Kompetenzteams und Spezialisten global vertreten. Ausführliche Informationen erhalten Sie unter www.allianzglobalinvestors.de.
Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.
Bildquellen: Peshkova / Shutterstock.com