Warum die Deutschen einfach keine Lust auf Aktien haben
Seit Jahren nimmt die Beteiligung der Deutschen an der Börse fast stetig ab. Auch im Jahr 2016 haben es 30.000 Deutsche mehr gemieden, ihr Geld in Aktien zu investieren. Warum haben Deutsche eine solche Angst vor Aktien?
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Im Jahr 2016 haben knapp 8,98 Millionen Deutsche Aktien im Wert von 14,5 Milliarden Euro gekauft. Gemäß einer Statistik des Deutschen Aktieninstituts (DAI) sind das 30.000 Menschen weniger als im Vorjahr. Obwohl ein Rückgang in absoluten Zahlen festzuhalten ist, wertet das DAI die gesamtjährliche Entwicklung als positiv, da das Engagement der Deutschen an der Börse trotz Kursturbulenzen relativ konstant geblieben ist.
Anstieg der jüngeren Anleger
Nach den aktuellen Zahlen des Aktieninstituts investierten 14 Prozent der Bevölkerung über 14 Jahre in Aktien. Das entspricht etwa jedem siebten Bürger. Die Entwicklungen verliefen dabei im Laufe des Jahres unterschiedlich: Während des ersten Halbjahres erfasste das DAI eine Teilnahme der Bevölkerung an der Börse von 13,3 Prozent, im zweiten 14,7 Prozent. Damit stellt das zweite Halbjahr den höchsten Stand auf Halbjahresbasis seit dem ersten Halbjahr 2012 dar. An der Struktur und dem Hintergrund der Aktienbesitzer hat sich im Vergleich zum Vorjahr wenig geändert. Im West-Ost-Vergleich ließ sich jedoch ein leichtes Gefälle feststellen. Nach einer stetigen Annäherung in den letzten Jahren, verzeichnet das Aktieninstitut eine Reduktion der Aktienbesitzer in Ostdeutschland von 12,6 Prozent im Vorjahr auf 10,3 Prozent. Im Westen des Landes hingegen konnte ein leichter Anstieg um 0,5 Prozent auf 14,9 Prozent festgehalten werden.
Ein positiver Trend konnte in der Altersgruppe der jüngeren Anleger im Alter von 14-39 Jahren beobachtet werden. Rund 87.000 junge Menschen mehr haben 2016 Aktien gekauft. Obwohl es sich bei den meisten Anlegern um solche handelt, die bereits Aktionäre sind und Erfahrung rund um die Börse haben, wertet das DAI es als ein "gutes Zeichen für die Aktienkultur". Erneut würden mehr jüngere Anleger in Aktien und Aktienfonds investieren und die Chancen der Aktienanlage nutzen, die insbesondere für die Altersvorsorge angesichts sinkender gesetzlicher Renten wertvoll seien.
Woher kommt die Verunsicherung?
Dennoch machen Aktien und Aktienfonds mit acht Prozent Anteil am Geldvermögen noch immer einen zu geringen Anteil unter den Deutschen aus - immerhin sind Zinsen auf einem historischen Tiefststand, mit Bankeinlagen lässt sich das Geld so gut wie gar nicht mehr vermehren. Darüber hinaus ist auch das Vertrauen der Bevölkerung in den Aktienmarkt - im Vergleich zum Höchststand um die Jahrtausendwende - weiterhin gering geblieben. Seit 2001 ist die Beteiligung der Bevölkerung an der Börse um ein Drittel gesunken.
Wieso sind die Deutschen Aktienmuffel?
Historische Ereignisse haben die Einstellung der Deutschen zum Geld sowie zu ihrem Spar- und Anlageverhalten bedeutend geprägt. Angefangen hat es mit der Hyperinflation des Jahres 1923 und mit der Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg. Während dieser Zeit haben deutsche Bürger gelernt, wie schnell Geld seinen Wert verlieren kann. Es ist ein großes Sicherheitsbedürfnis entstanden, welches dazu geführt hat, dass die Deutschen eher auf Sparbuch und Tagesgeldkonten setzen.
Aktien werden in Europa zudem häufig mit Spekulation in Verbindung gebracht. Da Europäer traditionell risikoscheu sind, distanzieren sie sich von der Möglichkeit, aus Geld mehr Geld zu machen, und setzen lieber auf staatliche Sicherungssysteme. Wirft man einen Blick in die USA, erkennt man deutliche Unterschiede. Die Amerikaner - als das "Volk der Mutigen", wie es in der Nationalhymne heißt - brachen aus Europa auf in die Neue Welt, unwissend, was sie am Ende ihrer Reise erwarten würde. Möglicherweise fällt es ihnen deswegen leichter, Risiken einzugehen, Chancen zu nutzen und Entscheidungen zu treffen, die am Ende auch zum eigenen Nachteil ausfallen können.
Ein zweiter Grund für die Distanz der Deutschen beim Thema Aktienmarkt ist der Börsencrash um die Jahrtausendwende. Im Zuge der neuen technologischen Entwicklungen schaffte es die die als "Volksaktie" aufgebaute Deutsche Telekom-Aktie, unzählige Aktionäre zum Einstieg und damit zur Teilnahme am Aktienmarkt zu bewegen. Zum ersten Mal war eine echte deutsche Aktienkultur in Sicht. Es herrschte eine große Begeisterung für die Börse und jeder fünfte Bürger kaufte sich Wertpapiere. Doch plötzlich erlebte der Aktienmarkt einen Börsencrash und viele Deutsche standen mit leeren Händen da. Das hat viele Menschen vom Aktienmarkt abgeschreckt und dazu geführt, dass sie sich enttäuscht zurückzogen.
Die deutsche Art, Geld anzulegen
Die Deutsche Bundesbank schätzt das Geldvermögen der Deutschen auf 5.224 Milliarden Euro. Laut einer Studie von Goldman Sachs aus dem Jahr 2015 liegen drei Viertel des deutschen Geldvermögens in Sparbüchern oder Girokonten. Den Deutschen ist Sicherheit und Vorsicht wichtig, deswegen sparen sie, trotz Niedrigzinsen, genauso viel wie um die Jahrtausendwende. Eine weitere beliebte Anlage sind Immobilienfonds. Das "Betongold" gilt als eine der sichersten Anlagen, für die in den letzten Jahren die Nachfrage das Angebot oftmals überstiegen hat.
Redaktion finanzen.net
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