Warum die Aktien guter Unternehmen oft schlecht laufen
Kennen Sie das Problem? Es gibt Unternehmen, die eine herausragende Marktstellung sowie eine sehr hohe Dividendenrendite aufweisen. Dennoch entwickeln sich die Aktienpreise solcher Unternehmen oft unterdurchschnittlich. Woran liegt das?
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Eigentlich sollte es nach der klassischen Kapitalmarkttheorie egal sein, ob auf dividendenstarke oder dividendenschwache Unternehmen gesetzt wird. Für die Rendite sollte es keinen Unterschied machen. Aus der vom Nobelpreisträger Eugene F. Fama im Jahr 1970 entwickelten Effizienzmarkthypothese lässt sich nämlich ableiten, dass sich in effizienten Märkten niemand einen Vorteil am Markt verschaffen könne. Ob nun Unternehmen besonders solide sind und hohe Dividendenrenditen aufweisen oder über eine weniger solide Marktstellung und weniger starke Dividendenzahlungen verfügen - aus diesem Wissen könne kein Anleger einen Vorteil für sich ziehen.
Der Dividendeneffekt
Trotz der fast unumstößlichen Meinung von der Kapitalmarkteffizienz, ist die Anomalienforschung jedoch zu dem Schluss gekommen, dass es am Markt einen Dividendeneffekt zu geben scheint, demzufolge Portfolios aus Aktienpapieren mit hohen Dividendenrenditen besser abschneiden, als Portfolios aus Aktien mit niedrigen Dividendenrenditen. Eine hiernach bekannte Aktienstrategie nennt sich beispielsweise "Dogs of the Dow". Laut der Strategie sollte ein Portfolio derart konstruiert werden, dass aus dem US-Leitindex Dow Jones Industrial Average (DJIA) immer die zehn Aktien des Index mit der höchsten Dividendenrendite enthalten sind. Die Portfolioanpassung erfolgt dabei immer einmal jährlich am gleichen Datum. Über einen langfristigen Anlagehorizont hinweg würde das Portfolio aus den zehn dividendenrenditestärksten Aktien den Gesamtindex outperformen können. So zeigt sich beispielsweise auf der Internetpräsenz von dogsofthedow.com, dass das Portfolio aus den "Dogs of the Dow" seit dem Jahr 2000 eine jährliche Überrendite von 1,7 Prozent auf Total Return Basis zum Vergleichsindex Dow Jones Industrial erzielt hat. Eine Abwandlung der Strategie, bei der von den zehn dividendenrenditestärksten Aktien des Dow Jones Industrial lediglich die fünf mit dem niedrigsten Aktienpreis ausgewählt werden ("Small Dogs of the Dow"), hätte sogar eine Überrendite von 3,5 Prozent pro Jahr erwirtschaftet. Ähnliche Ergebnisse für Portfolios aus dividendenrenditestarken Aktien präsentiert auch James P. O’Shaughnessy in seinem Buchtitel "What Works On Wall Street". Die mithilfe der Strategie erzielbare Überrendite steht im absoluten Kontrast zur vorherrschenden Meinung, dass Kapitalmärkte effizient seien.
Gründe für die schlechte Performance guter Aktien
Aufgrund der Existenz eines Dividendeneffekts ist es ziemlich verwunderlich, dass eine hervorragende Markstellung und eine hohe Dividendenrendite zu einer unterdurchschnittlichen Aktienperformance führen soll. Dennoch kommt es bei Einzeltiteln vor und die möglichen Gründe dafür sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Möglicher Grund 1: Die Value-Falle bei werthaltigen Aktien
Wenn Unternehmen einen Großteil der Gewinne für die Dividendenausschüttung verwenden, dann könnte gemutmaßt werden, dass sie womöglich keine anderweitige lukrative Verwendung für das Geld haben. Oftmals gehören bekannte Telekommunikations-, Versorgungs- und Konsumgüterunternehmen zu den großen Dividendenzahlern. Diese Unternehmen sind in defensiven Branchen tätig und wachsen oftmals seit vielen Jahren kaum noch, verfügen aufgrund ihrer guten Marktstellung und wenig Investitionsaufwand jedoch über einen hohen Cashflow, der für Gewinnausschüttungen verwendet werden kann. Im Fachjargon werden derartige Unternehmen als werthaltige beziehungsweise Value-Unternehmen bezeichnet. Das Gegenteil von Value- sind Wachstumsunternehmen. Diese stecken ihre Gewinne - insofern bereits vorhanden - weitestgehend in weiteres Wachstum und versuchen mehr Marktmacht sowie höhere Umsätze und Gewinne zu erwirtschaften. Value-Unternehmen wachsen kaum noch und generieren somit wenig Umsatz- und Gewinnwachstum. Da die Aktienpreisentwicklung langfristig jedoch stark mit den Unternehmensgewinnen zusammenhängt, sollten Value-Titel tendenziell kaum überdurchschnittlich im Kurs steigen können. Ein erster möglicher Grund für eine schlechte Performance der Aktien von Value-Unternehmen kann demnach die Value-Falle sein. Eine gute Marktstellung und eine hohe Dividendenrendite müssen somit kein Garant für steigende Kurse sein - schon gar nicht für überdurchschnittlich steigende Kurse.
Möglicher Grund 2: Die Wachstumsfalle bei Überfliegeraktien
Ein weiterer Grund für eine schlechte Aktienkursentwicklung dividendenstarker Unternehmen kann aus der Wachstumsfalle resultieren. Da an der Börse immer die Zukunft bewertet wird, können sich ehemalige Überfliegeraktien mit einst starkem Wachstum und mit hohen Dividenden schlechter als der Gesamtmarkt entwickeln, wenn sich plötzlich die Wachstumsaussichten eintrüben. Der Unternehmenswert wird für gewöhnlich über abdiskontierte zukünftige Cashflows berechnet. Diese Cashflows könnten bei trüben Wachstumsaussichten sinken, worunter auch der Unternehmenswert leiden würde. Daneben reagieren eventuell auch immer mehr Analystenhäuser mit Verkaufsempfehlungen. Keine gute Gemengelage für die Aktienperformance.
Möglicher Grund 3: Dividendenabschlag
Bei allen dividendezahlenden Aktienunternehmen kommt es nach der Dividendenzahlung rein rechnerisch zu einem Kursabschlag, dem sogenannten Dividendenabschlag. Demnach fällt der Aktienkurs um den Betrag der ausgezahlten Dividende. Hierzu ein Beispiel: Eine Aktie eines Unternehmens wurde zu 100 Euro mit einer Dividendenrendite von 8 Prozent gekauft. Ein paar Tage später erfolgt die Dividendenzahlung und der Kurs rutscht daraufhin auf 92 Euro ab. Zwar erhält der Anleger die Dividende, jedoch muss die Aktie erst einmal um 8,7 Prozent zulegen, um wieder auf 100 Euro zu stehen. Bis dies geschafft ist, gibt es vielleicht schon wieder die nächste Dividende und der Kurs sinkt erneut. Ginge dies immer so weiter, so wäre die Aktienkursentwicklung sehr unspektakulär. Der Dividendenabschlag bei hochrentierenden Aktien kann somit ein Grund sein, warum diese Aktien kaum steigen.
Fazit
Gute Unternehmen mit starker Marktmacht und hohen Dividendenrenditen sind keine Garanten für überdurchschnittlich steigende Aktienkurse. Aufgrund häufig fehlender positiver Wachstumsaussichten und hohen Dividendenabschlägen kann die Aktienperformance leiden. Dennoch eignen sich Dividendenwerte - wie beispielsweise die sogenannten Dividenden-Aristokraten - für einkommensinteressierte Aktionäre. Daneben kann durch eine Wiederanlage der Dividenden über einen längerfristigen Zeitraum der Zinseszinseffekt seine volle Wirkung entfalten und die Gesamtrendite aus Aktienkursperformance und Dividenden nach oben treiben. Manche Studien belegen sogar, dass fast die Hälfte der Gesamtrendite aus Aktien durch Dividenden kommen. Somit scheint die Anlage in solide Dividendenwerte nicht die schlechteste Idee zu sein, wenn der Anleger einen langfristigen Anlagehorizont sowie Disziplin bei der Wiederanlage mitbringt.
Redaktion finanzen.net
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