Analyst: Chinas Wirtschaftswachstums-Indikatoren sind "einseitig"
China scheint die Corona-Krise besser als viele andere Industrienationen zu bewältigen. Doch nun warnt ein Analyst, der für das Reich der Mitte mögliche Abwärtsrisiken in der zweiten Jahreshälfte sieht.
Werte in diesem Artikel
• Chinas Wirtschaft auf Erholungskurs
• Analyst bewertet Indikatoren als einseitig
• Warnung vor Abwärtsrisiken
"In Bezug auf COVID verdienen die Chinesen viel Anerkennung, sie haben zweifellos einen Großteil des Landes abgeriegelt", erklärte Andrew Collier, Managing Director bei der in Hongkong ansässigen Forschungsgesellschaft Orient Capital Research, im US-Sender "CNBC". "Auch wenn das Virus von ihnen ausging, so waren sie doch ziemlich gut darin, es zu bezwingen. Das ist der Vorteil eines autoritären Regimes."
Die chinesische Wirtschaft scheint sich inzwischen zu erholen. Wie das Pekinger Statistikamt im Juli mitteilte, wuchs die Wirtschaft im zweiten Quartal bereits wieder um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal, und damit etwas stärker als von Experten erwartet. Zuvor war im ersten Quartal wegen der Corona-Pandemie noch ein negatives Wirtschaftswachstum von 6,8 Prozent verzeichnet worden.
Auch wenn das jüngste Plus für chinesische Verhältnisse noch recht zart ausfiel, so signalisieren die Daten doch, dass Chinas Wirtschaft wieder anspringt. Dies ist möglich, weil das Land die Corona-Pandemie weitgehend unter Kontrolle gebracht hat, so dass sich das öffentliche und wirtschaftliche Leben aktuell wieder normalisieren kann.
Einzelhandel bereitet Sorgen
Doch die jüngsten Konjunkturdaten waren nicht uneingeschränkt gut. Sorgen bereitet Volkswirten beispielsweise, dass die Umsätze des chinesischen Einzelhandels im Juni um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat geschrumpft sind. Von Bloomberg und Reuters befragte Analysten hatten im Vorfeld mit einem leichten Plus gerechnet und wurden somit enttäuscht. Der schwache Einzelhandel macht nach Einschätzung von Experten deutlich, wie beschwerlich der Weg aus der Corona-Krise ist.
Unnötiger Lageraufbau?
Außerdem sieht Andrew Collier noch weitere mögliche Probleme, die auf potenzielle Abwärtsrisiken hindeuten könnten: "Das Problem mit den Stimulus-Maßnahmen und den Wirtschaftsindikatoren ist, dass sie sehr einseitig sind … sie sind sehr auf Online-Umsätze und auf Infrastruktur-Bau fokussiert", erklärte der Asienexperte in der "CNBC"-Sendung "Squawk Box Asia".
So sei etwa die Stahl- und Eisenerzproduktion in China stark, doch könne "niemand feststellen, wohin all dieses Metall geht". Laut Collier befürchten einige Marktbeobachter, dass es gar nicht weiterverarbeitet, sondern nur auf Lager produziert wird.
Diesem Umstand misst Collier größere Bedeutung zu als dem sich verschärfenden sino-amerikanischen Streit. Zwar seien die Spannungen "besorgniserregend", doch da bald die Präsidentschaftswahl ansteht, glaubt der Analyst, dass in Bezug auf die Handelsbeziehungen mehr Lärm gemacht wird, als es tatsächliche Probleme gibt.
Vielmehr empfiehlt Collier, Angebot und Nachfrage im Auge zu behalten: "Die wichtigere Frage ist, ob der Lageraufbau bei Öl sowie die Lageraufstockung bei Stahl und Eisenerz mit einer tatsächlichen Nachfrage zusammenhängt, oder ob sie nur angekurbelt werden, um die Wirtschaft am Laufen zu halten".
Angesichts dessen mahnt der Experte vor zu viel Optimismus: "In der zweiten Jahreshälfte wird es wahrscheinlich Abwärtsrisiken geben, doch andererseits kommt China mit COVID besser klar als der Rest der Welt".
Redaktion finanzen.net
Weitere News
Bildquellen: Bule Sky Studio / Shutterstock.com, Aleksey Klints / Shutterstock.com