Demographischer Wandel: Wie Unternehmen das Risiko Pensionsverbindlichkeiten managen
Betriebsrenten werden aus Arbeitnehmersicht zu einem immer wichtigeren Standbein in der Altersvorsorge.
Dementsprechend müssen die Arbeitgeber für ihre Pensionäre Rücklagen bilden: Hat ein Unternehmen die Kosten für das Altersruhegeld seiner früheren Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit echtem Geld unterlegt, was einer Pensionskasse oder professionellen Vermögensverwaltern zur Anlage überlassen wurde, so kann es der Zukunft gelassener entgegen blicken. Sind für die Rentenzahlungen aber lediglich bilanzielle Rückstellungen auf dem Papier gebildet worden, so sind die Mittel für die Altersbezüge aus den laufenden Einnahmen des Unternehmens zu zahlen. Dieses Geld muss also Jahr für Jahr erwirtschaftet werden.
Auswirkungen auf die Bonität
Während es Unternehmen mit wachsenden Beschäftigtenzahlen und entsprechender Umsatzrendite noch vergleichsweise leicht fällt, die Mittel für die Pensionsverbindlichkeiten aufzubringen, kann dies bei Unternehmen mit sinkender Anzahl an Beschäftigten und schwachem Cashflow schwieriger werden. Natürlich spielt die veränderte demografische Entwicklung hierbei eine Schlüsselrolle, da die Arbeitsleistung von immer weniger Beschäftigten auf der einen Seite für die Zahlungen an immer mehr und immer ältere Rentner auf der anderen Seite reichen muss. Daher sollten Pensionsverbindlichkeiten als Teil des Risikomanagements von den Unternehmen aktiv gesteuert werden, um die Kreditwürdigkeit langfristig zu sichern. Beispielsweise hat der Anstieg der Pensionsverbindlichkeiten der Lufthansa 2014 noch keinen Einfluss auf das Rating der Lufthansa., das Standard & Poor’s in der vergangenen Woche bestätigte, da wir von entsprechenden Gegenmaßnahmen der Lufthansa zur Stärkung der Kennzahlen ausgehen. Ohne solche ausgleichenden Faktoren könnte ein Anstieg der Pensionsverbindlichkeiten um mehr als 2 Mrd. Euro und damit auf ein Niveau über unseren gegenwärtigen Erwartungen aus Sicht von Standard & Poor’s das Rating belasten.
56 Mrd. Euro an Pensionsverbindlichkeiten bei Blue Chips im Dax
Einer Erhebung von Standard & Poor’s Ratings Services zufolge belaufen sich die durchschnittlichen Pensionsverbindlichkeiten der 19 gerateten Industrieunternehmen im DAX auf 26% ihrer Gesamtverschuldung. Dabei ist die Bandbreite von 0% bis 77% allerdings enorm. Während die SAP SE keine Pensionsunterdeckung aufweist und die von Unternehmen wie BMW, Fresenius, oder Linde sich im einstelligen Prozentbereich bewegt, liegen Siemens, Continental oder Lanxess bereits über dem von uns ermittelten Durchschnitt. In der Vergleichsgruppe Spitzenreiter sind allerdings Unternehmen wie die Lufthansa, ThyssenKrupp oder Bayer mit einem Anteil der ungedeckten Pensionsverpflichtungen von 59%, 76% und 77% an der von Standard & Poor’s gemessenen Gesamtverschuldung.
Die Pensionsverbindlichkeiten dieser Großunternehmen allein beziffern sich auf knapp 56 Mrd. Euro, das entspricht im Durchschnitt 3,3 Mrd. Euro pro Unternehmen. Auf das Geschäftsjahr 2013 umgelegt entfallen damit Arbeitgeberbeiträge in Größenordnungen von 14 Mio. Euro (wie bei Fresenius) bis zu 1,1 Mrd. Euro (bei E.On) auf die Unternehmen. Gemessen am freien operativen Cash Flow entspricht dies 1 Prozent bei Fresenius und 19 Prozent bei E.On. Die meisten der anderen gerateten DAX-Unternehmen liegen dazwischen. Der höchste prozentuale Anteil am freien operativen Cash Flow entfällt mit 40% Prozent auf ThyssenKrupp, gefolgt von der Deutschen Lufthansa mit 27 Prozent.
Pensionsverbindlichkeiten sind als Schulden zu werten
Mit Blick auf die Bonitätsanalyse eines Unternehmens hat Standard & Poor’s Ratings Services bereits 2003 festgelegt, dass Pensionsverbindlichkeiten, sofern sie nicht mit Finanzanlagen unterlegt sind, als Schulden zu werten sind. Damit stellen Pensionsverbindlichkeiten bei der Berechnung der Gesamtverschuldung im Rahmen der Bonitätsanalyse meist den größten Anpassungsfaktor dar, da durch sie die absolute Schuldenlast deutlich ansteigt. Betrachtet man die Volumina, die bei entsprechender Beschäftigtenzahl auf die Unternehmen mit den Jahren zukommen können, so kann sich die frühzeitige Vorsorge später als Segen erweisen, wenn in schwierigeren Zeiten weniger freier Cash Flow zur Verfügung steht oder dieser für andere Zwecke wie etwa Investitionen benötigt wird. Heute ist die Unterlegung der Pensionsverbindlichkeiten durch regelmäßige Zahlungen in entsprechende Pensionskassen die Regel.
Von Tobias Mock, Managing Director Corporates, Lead Analytical Manager, Mitglied des Führungsteams in Deutschland, Standard & Poor’s Rating Services
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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