„DAX wird auf jeden Fall bis zu alten Höchstständen laufen“
kürzlich sah ich ein Finanzvideo mit der Überschrift: „DAX wird auf jeden Fall bis ...
... zu alten Höchstständen laufen“. Was für ein Quatsch! Aber an dieser Überschrift lassen sich einige Tatsachen erklären.
Im Moment ist der DAX „in“. Als ich 2008 und 2009 auf DAX-Aktien setzte, war er nicht „in“. Eine Überschrift, die sich also positiv mit einem „In-Thema“ befasst, wird gerne gelesen, da man gerne seine Meinung bestätigt sieht.
Auch wollen Menschen gerne Sicherheit. Im Moment sind aber die Finanzmärkte insgesamt sehr unsicher. Die verhaltenswissenschaftliche Finanzforschung hat nachgewiesen, dass Menschen dann nach völlig unwichtigen, ja irreführenden, aber plausiblen Informationen greifen. Diese Informationen müssen nur vordergründig plausibel sein. Die Forschung nennt das „Verfügbarkeitsheuristik“: Anleger greifen auf die einfach verfügbaren anstatt auf die wirklich wichtigen Informationen zurück.
In diesem Fall ist es eine so genannte „Kursmarke“ – der größte Quatsch überhaupt. Die Logik geht wie folgt: War der DAX schon einmal über 8000 – wie in den Jahren 2000 und 2007 — dann haben die Märkte ein „Gedächtnis“. Diese „Kursmarke“ sei also relevant. Was für ein hanebüchener Unsinn! Märkte verändern sich permanent. 8000 Punkte im Jahr 2000 sind etwas völlig anderes als 8000 Punkte 2007! Mit einem Index wie dem DAX werden Unternehmen bewertet. Unternehmen wachsen. Die Unternehmen des DAX sind heute – im Jahr 2011 – fundamental mindestens doppelt so viel wert wie im Jahr 2000. DAX 8000 heißt heute also etwas ganz anderes als im Jahr 2000.
Eine weitere Argumentation der Charttechniker ist genauso unsinnig, wenngleich vordergründig plausibel: „Wenn alle daran glauben, wird es irgendwann auch eintreffen!“ Ja, wenn alle daran glauben, wird das so sein. Aber wer sagt Ihnen denn, dass alle daran glauben? Vielleicht orientieren sich doch einige kluge Anleger an den wirklich wichtigen Größen. Und wenn solche selbsterfüllenden Vorhersagen in sieben oder acht von zehn Fällen eintreten, können sie doch die zwei oder drei Vorhersagen, die nicht eintreffen, auf dem falschen Fuß erwischen und finanziell umbringen.
Es bringt nichts: Sie müssen Ihre Investmententscheidungen auf Fakten basieren, nicht auf „Kursmarken“. Und nach diesen Fakten ist der DAX jetzt fair bewertet. Er kann bis 8000 oder 9000 weiterlaufen, aber die entsprechende Kaffeesatzleserei können wir uns schenken.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.