Macht und Spiele

Russlands Olympiade: Non-Event für die Börse

17.01.14 15:00 Uhr

Die Winterolympiade lässt die Börse kalt. Zu schwach fällt das Wirtschaftswachstum des Landes aus - günstige Aktienbewertungen können das nicht ausgleichen. Wie es weitergeht, hängt von Putins Reformeifer ab.

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915,6 PKT -17,3 PKT -1,85%

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4.281,3 PKT 737,3 PKT 20,80%

988,1 PKT -283,7 PKT -22,31%

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Nur noch knapp vier Wochen, dann eröffnet Wladimir Putin die Olympischen Winterspiele in Sotschi. Sie sind das Prestigeobjekt des russischen Präsidenten. 37 Milliarden Euro wurden investiert. Russlands Staatsbetriebe waren gehalten, sich an der Finanzierung großzügig zu beteiligen. Sotschi, so will es Putin, muss ein Erfolg werden. Der Kreml­herrscher kümmert sich persönlich um das Outfit der russischen Mannschaft, er informiert sich über die Sicherheitsvorkehrungen und prüft die Sportanlagen wie zuletzt das Eishockeystadion. Denn die Spiele gehen weit übers rein Sportliche hinaus.

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"Sie sollen der Welt demonstrieren, dass Russland nach den Wirren des Postkommunismus wieder zu alter Stärke zurückgefunden hat", erläutert Ewald Böhlke, Russland-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. An der Börse in Moskau vermochte das olympische Feuer - wie bei derlei Megasport­ereignissen sonst eigentlich üblich - bisher jedoch keine rechte Kursfantasie zu entzünden.

Der 50 Werte zählende Micex-Index schaffte 2013 ein Plus von gerade mal 1,7 Prozent. Wegen des schwachen Rubel verlor der in Dollar notierende RTS-Index gar zwölf Prozent. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 5,2 ist der russische Aktienmarkt mittlerweile der billigste unter 21 Emerging-Markets-Börsen.

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Starker Wachstumseinbruch
Die günstige Bewertung allein - aktuell fast 50 Prozent unter dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre - ist jedoch für Anleger kein Einstiegsgrund. Auch die Freilassung von Mitgliedern der Punkband Pussy Riot und des Ex-Yukos-Chefs Michail Chodorkowsky vermochte die Skepsis ausländischer Investoren nicht nachhaltig abzubauen. Zum einen sind sie durch die Terroranschläge in Wolgograd verunsichert, die 35 Tote forderten. Die beiden Attentate schüren die Sorge um die politische Stabilität Russlands und werfen die Frage auf, ob Putin fähig ist, den Konflikt um den nach Unabhängigkeit strebenden Nordkaukasus zu lösen.

Vor allem aber spiegelt die Talfahrt an der Börse die wirtschaft­liche Schwäche des Landes wider. Ökonomisch erfüllt es keineswegs die Kriterien des von Putin angestrebten Großmachtstatus. Im Gegenteil: Russland befindet sich in einer ernsthaften Krise - obwohl voriges Jahr mit 523 Millionen Tonnen so viel Erdöl produziert wurde wie seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion nicht mehr.

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2013 sei für die russische Wirtschaft ein Horrorjahr gewesen, sagt Chris Weafer, Chef des Analyse­auses Macro-Advisory. Statt wie ­zunächst prognostiziert um 3,5 Prozent dürfte das Bruttoinlandsprodukt wegen der schwachen Indus­trieproduktion und nachlassender Investitionen gerade mal um 1,3 Prozent gestiegen sein. "Das ist weit entfernt von den vier bis fünf Prozent Zuwachs, die das Land benötigt", stellt Weafer fest. Und 2014 wird es wohl nicht viel besser werden: Nur zwei Prozent sind nach Analystenschätzungen drin.

Dies sei kein durch die Schwäche der globalen Wirtschaft ausgelöster kurzfristiger Abschwung. So analysiert Elvira Nabiullina die Lage in ihrem Land. Die Chefin der russischen Zentralbank sieht sich zunehmendem Druck ausgesetzt, die Zinsen zu senken. Seitens der Unternehmen, aber auch von Ministerpräsident Dmitri Medwedev, die dadurch das Wachstum stimulieren wollen.
Doch bisher denkt Nabiullina nicht daran. Die Inflationsrate liegt bei 6,6 Prozent und damit über dem Zielwert von sechs Prozent. Zudem löst nach Meinung der Zentralbankchefin eine Zinssenkung nicht die wirtschaftlichen Probleme Russlands. Die seien nämlich in erster ­Linie strukturell bedingt.

Der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung zufolge basieren nur 20 Prozent der russischen Exporte auf einem gewissen technologischen Wissen. Rohstoffe stehen dagegen immer noch für rund 80 Prozent der Ausfuhren und finanzieren zu rund 50 Prozent den Staatshaushalt. "Doch durch die weltweit wachsende Bedeutung von Flüssiggas und die zunehmende Schiefergasnutzung in den USA drohen Russland empfindliche Einbußen", sagt Russland-Kenner Böhlke.

Die zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit notwendige Diversifizierung der Wirtschaft scheiterte bisher an Büro­kratie, Korruption und mangelnder Rechtssicherheit. Das hemmt die Bereitschaft, zu investieren. "Wer ein Unternehmen gründet, möchte sicher sein, dass er sein Eigentum auch behalten kann", so Böhlke. "Wie wenig russische Unternehmer dem Staat vertrauen, zeigt sich auch in der enormen Kapitalflucht", stellt der Experte fest. Schätzungen zufolge werden pro Jahr 50 Milliarden Dollar außer Landes geschafft; das sind 2,5 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts.

Akuter Handlungsbedarf
Die Zeit drängt. Die politische Stabilität in Russland und die geopolitische Bedeutung des Landes hängen nicht nur von außenpolitischen Erfolgen wie zuletzt im Syrien-Konflikt ab, sondern von der Ökonomie. Das weiß auch Präsident Putin, der im Jahr 2018 wiedergewählt werden will. Also muss er die Voraussetzungen für ein besseres Investitionsklima schaffen und den notwendigen Umbau der Wirtschaft verstärkt in Angriff nehmen. Von seiner Innovationskraft hängt auch die weitere Kursentwicklung an der Börse entscheidend ab.

Immerhin kann Putin erste Erfolge verbuchen. So hat sich Russland im Doing-Business-Index der Weltbank im vergangenen Jahr um 20 Plätze auf Rang 92 verbessert. Alle anderen Staaten aus der BRIC-Gruppe - Brasilien, China, Indien - schneiden in puncto Wettbewerbsfähigkeit schlechter ab. Bis 2018 will Putin Platz 20 erreichen.

Zudem unterzeichnete er ein Gesetz, das es allen Staatsbediensteten und Managern von Staatsunternehmen verbietet, Konten im Ausland zu unterhalten. Gleichzeitig wurde einigen Banken wegen des Verdachts auf Geldwäsche die Lizenz entzogen; über die Kreditinstitute sollen Milliardenbeträge illegal ins Ausland geflossen sein.

"Die Maßnahmen zeigen erste Wirkung, die Kapitalflucht wird weniger", sagt Olga Karakozova, Managerin des Danske Invest Russia. Auch die Anstrengungen der russischen Regierung, die Corporate Governance der Staatsbetriebe zu erhöhen, dürften nach Ansicht Karakozovas dazu beitragen, dass das Wachstum größer wird und sich das Investitionsklima bessert.

"Staatsunternehmen müssen zudem künftig höhere Dividenden zahlen", sagt die Fondsmanagerin. "Das macht Russlands Börse für ausländische Anleger attraktiver." Ihrer Einschätzung nach wird es jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen, bis die Reformen tatsächlich greifen.Dass sich auch unter schwierigen Rahmenbedingungen mit russischen Aktien Geld verdienen lässt, zeigt der Danske Invest Russia: Karakozova erzielte im vergangenen Jahr ein Plus von 7,2 Prozent. "Bei der Titelauswahl konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die von der weiterhin starken Binnennachfrage profitieren," sagt die Managerin. Zu ihren Favoriten zählt unter anderem Ma­gnit, Russlands Aldi. Der Einzelhandelskonzern eröffnete allein im November 181 neue Filialen und steigerte die Verkäufe 2013 vermutlich um über 30 Prozent. Der Aktienkurs legte derweil um über 80 Prozent zu. Auch Karakozovas Einstieg bei Qiwi, einem Anbieter elektronischer Zahlungssysteme, hat sich gelohnt: Seit dem Börsendebüt im Mai 2013 stieg der Titel um 170 Prozent.

Die Interessen der Anleger kollidieren allerdings immer wieder mit Putins Anstrengungen, Russland den Platz in der Welt zu verleihen, den es seiner Ansicht nach verdient. Als Kompensation für den Verzicht der Ukraine auf eine Annäherung an die Europäische Union räumt Gazprom dem Land günstigere Konditionen ein. Grund genug für Karakozova, den Gazprom-Anteil im Fonds zu reduzieren. Ihre Fähigkeit, auf derlei Entwicklungen zu reagieren, erweist sich für die Anleger als Vorteil - während Besitzer von Exchange Traded Funds (ETFs) gegen Kursrückgänge hoch gewichteter russischer Indexwerte machtlos sind.

Investor-Info

Winterspiele in Sotschi
Rekordsumme investiert

Die offiziellen Kosten der Olympischen Winterspiele belaufen sich auf 37,5 Milliarden Euro. Zwischen ­ 60 und 70 Prozent der Mittel flossen in den Ausbau der Infrastruktur. Rund sieben Milliarden Euro kostete die Autobahnverbindung von Sotschi zu den Wettkampfstätten in den Bergen von Krasjana Poljana.

Danske Invest Russia
Deutlich besser als der Index

Fondsmanagerin Olga Karakozova weicht bei der ­Titelauswahl deutlich vom Vergleichsindex ab. Derzeit ist ihr Portfolio insbesondere im Konsumsektor übergewichtet. Im vergangenen Jahr schaffte die Fondsmanagerin ein Plus von 7,2 Prozent, der RTS-Index verlor zwölf Prozent.

Lyxor ETF Russia
Auf Dickschiffe konzentriert

Der Exchange Traded Fund bildet die Wertentwicklung von zehn Schwergewichten des russischen Aktienmarkts ab - wie Rosneft oder Norilsk Nickel. Rohstoffwerte sind derzeit aber unter Druck. 

Schroder Emerging Europe
Osteuropäische Mischung

54 Prozent der Mittel sind in Russland angelegt. Im Portfolio finden sich zudem Aktien aus der Türkei und Polen. Trotz der Diversifikation eignet sich der Fonds wie auch alle anderen Produkte mit Schwerpunkt Osteuropa nur für risikobereite Anleger.

Nachrichten zu Gazprom PJSC

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