Afrika - Enorme Chancen für Anleger
Der schwarze Kontinent erlebt einen tiefgreifenden Wandel, fast überall ist der Aufschwung sichtbar. Wo sich jetzt Chancen bieten, wo Risiken lauern.
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von Jörg Billina, Euro am Sonntag
Premiere in Ruanda: In wenigen Tagen geht das erste Unternehmen des ostafrikanischen Staates an die Börse in Kigali. Die Regierung privatisiert Bralirwa, die größte Brauerei des Landes. Das Interesse lokaler Anleger ist hoch. Bralirwa gilt als echter Bluechip, der aller Voraussicht nach hohe Dividenden zahlen wird. Aufbruch in Afrika – das weckt auch bei westlichen Investoren Kursfantasien. Denn der Kontinent hat im Gegensatz zu Asien, Lateinamerika und Osteuropa den größten Teil seiner Entwicklung und Modernisierung noch vor sich.
In den kommenden zehn Jahren werden afrikanische Aktien andere Anlageklassen deutlich übertreffen, prophezeit William S. Leavitt, Präsident der Anlagegesellschaft Leavitt Capital Management. Seiner Meinung nach befindet sich der Schwarze Kontinent an dem Punkt, an dem China vor 15 Jahren stand. Auch Malek Bou-Diab, Fondsmanager des BB African Opportunities, rechnet mit reicher Ernte. „Zwar werden die Kurse immer wieder mal stark schwanken. Doch Afrikas Börsen werden künftig deutlich besser abschneiden als die Märkte der Industriestaaten und auch die etablierten Emerging Markets übertreffen.“
Schon in diesem Jahr liegen sie klar vorn. Die Nigeria Stock Exchange weist ein Plus von 27 Prozent auf, der Ghana-All-Share-Index verbesserte sich bislang um 28 Prozent, und Kenias Börse legte seit Anfang Januar gleich um 44 Prozent zu. In dieser Größenordnung sollte es weitergehen. Manager Bou-Diab will mittelfristig im Schnitt jährlich zwischen 20 bis 30 Prozent erzielen.
Nicht nur Finanzinvestoren erwarten viel von Afrika. In den kommenden zehn Jahren werde sich der Kontinent komplett verändern, ist sich Roger Agnelli sicher. Der Chef des Rohstoffriesen Vale operiert in sieben afrikanischen Staaten und erwarb in diesem Jahr für 2,5 Milliarden Euro die Mehrheit an einer Eisenerzmine in Guinea. Auch Brasiliens Finanzminister sieht enorme Chancen: Afrika gehöre die Zukunft, glaubt Guido Mantega. Der Optimismus wird von McKinsey mit Zahlen gestützt. Das Beratungsunternehmen macht in Afrika eines der größten Wachstumspotenziale des 21. Jahrhundert aus. Das kollektive Bruttosozialprodukt des Kontinents könne von derzeit 1,6 Billionen auf 2,6 Billionen Dollar im Jahr 2020 steigen, heißt es in der Studie „Lions on the Move“. Gleichzeitig werde die Kaufkraft afrikanischer Konsumenten von derzeit 860 Milliarden auf 1,4 Billionen Dollar klettern.
Das Afrika-Interesse von Analysten und Anlegern ist neu. In den 1980er- und 1990-Jahren wurde insbesondere Schwarzafrika gemieden und der gesamte Erdteil als Kontinent der Hoffnungslosigkeit abgeschrieben. Blutige Bürgerkriege wie in Sierra Leone oder Liberia, gewaltsame Regierungswechsel und korrupte Staatschefs wie etwa Nigerias Sani Abacha oder Zaires Tyrann Mobute Sese Seko, die ihre Länder regelrecht ausraubten, verhinderten den für den Abbau von Armut und das Anspringen der Märkte notwendigen wirtschaftlichen Aufschwung. Zudem fehlte es den Börsen an Liquidität und interessanten Werten.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich jedoch vieles verändert. „Etliche afrikanische Staaten werden demokratisch regiert“, sagt Bou-Diab. „Ihre Regierungen bauen Inflation und Verschuldung ab, sie verringern Handelsbarrieren und sorgen mit marktwirtschaftlichen Reformen dafür, dass sich das riesige Potenzial ihrer Länder entfalten kann.“ Speziell an Rohstoffen ist Afrika reich. Der Kontinent fördert heute zehn Prozent des weltweiten Erdöls. Auch bei anderen Ressourcen wie Gold, Eisenerz, Kupfer, Platin, Kobalt und Chrom gehört Afrika zu den größten Produzenten. Der Preisanstieg der Commodities trug dazu bei, dass das kollektive Bruttosozialprodukt Afrikas in den vergangenen zehn Jahren im Schnitt jährlich um rund fünf Prozent zulegte – deutlich stärker als der Rest der Welt. Doch nicht nur der Rohstoffboom sorgte für Wachstum. Hohe Zuwächse weisen auch die Bereiche Banken, Transport, Handel und Telekom auf.
Die Finanzmärkte spiegeln Fortschritt und Aufbruch in Afrika wider. Während noch vor einigen Jahren so manche Börse höchstens zwei- bis dreimal in der Woche am Vormittag geöffnet hatte und die Notierungen noch mit Kreide an eine Tafel geschrieben wurden, verfügen neben Südafrika heute auch Ghana, Kenia und Nigeria über moderne Handelssysteme. Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der börsennotierten Unternehmen. Ende 2007 wurden in Schwarzafrika die Aktien von rund 1700 Unternehmen gehandelt. Mittlerweile sind es über 2000.
Bald dürften es noch mehr sein. Emmanuel Ikazaboh, Chef der nigerianischen Börse, will jedenfalls den Kurszettel bis Ende 2015 gleich um 700 Unternehmen erweitern. Kein unrealistisches Ziel. Die Regierung gewährt jedem Unternehmen, das sich listen lässt, Steuererleichterungen.
Trotz der Euphorie und der nicht zu übersehenden Verbesserungen: Der Aufschwung in Afrika ist kein Selbstläufer, der Weg in eine lichte Zukunft keineswegs garantiert. Mit enormen Chancen, aber auch extremen Risiken wartet insbesondere Afrikas bevölkerungs- und ölreichster Staat Nigeria auf.
Im April 2011 finden Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Sollten diese wie schon zuvor im Jahr 2007 massiv gefälscht werden, könnte die Gewalt auf ein bislang nie gekanntes Niveau steigen, warnen einheimische Journalisten. Denn die Unzufriedenheit unter den 70 Millionen Jugendlichen, an denen der Ölboom – das Land beziehungsweise Shell und Co fördern täglich 2,2 Millionen Barrel – bislang spurlos vorüberging, ist groß. Viele müssen mit weniger als zwei Dollar am Tag auskommen, sie suchen vergeblich einen Ausbildungsplatz, einen Job oder eine bezahlbare Wohnung. Andererseits gibt es kaum einen Minister, der es in seiner Laufbahn nicht zu großem Wohlstand gebracht hätte. Zudem könnten nach der Wahl, wenn es um die Besetzung von Führungsämtern geht, die Rivalitäten zwischen dem muslimisch geprägten Norden und dem christlich-animistischen Süden eskalieren. Der Börsenaufschwung wäre dann aber für lange Zeit unterbrochen. Fondsmanager Bou-Diab erkennt jedoch ermutigende Zeichen. „Die Politiker wissen, was auf dem Spiel steht. Organisieren sie die Wahlen nicht fair und kommt es daraufhin zu gewaltsamen Protesten, laufen sie Gefahr, vom Militär ersetzt zu werden. Das aber wollen sie auf alle Fälle verhindern.“ Nach Bou-Diabs Meinung habe Nigeria auch Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung vorzuweisen. „Hochrangige Politiker wurden angeklagt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt.“
Und es gibt zunehmend Persönlichkeiten, die ihre politische Macht nicht zur privaten Bereicherung nutzen, sondern tatsächlich die Lebensverhältnisse der Bürger verbessern wollen. Einer dieser Hoffnungsträger heißt Babatunde Fashola, Gouverneur des Bundesstaats Lagos. Der Jurist und Vater von drei Kindern lässt Straßen reparieren, Brücken, Schulen und Kliniken errichten und kümmert sich um Waisenkinder. Die sichtbaren Erfolge, die Fashola innerhalb von nur drei Jahren nachweisen kann, setzen die übrigen Gouverneure der Bundesstaaten Nigerias unter Druck. Auch sie müssen die Infrastruktur modernisieren und die sozialen Probleme angehen. Ansonsten kann die Wirtschaft nicht wachsen, und ihre Chancen auf Wiederwahl sinken.
Um den Staat zu entwickeln, dessen Bevölkerung in den kommenden Jahren auf weit über 200 Millionen anwachsen dürfte, bedarf es jedoch vor allem tatkräftiger Unternehmer. Der wohl erfolgreichste ist Aliko Dangote. Der 53-Jährige, der täglich 15 Kilometer joggt, bereits um fünf morgens die Geschäfte aufnimmt und mittlerweile über ein Privatvermögen von drei Milliarden Dollar verfügt, ist Chef von Dangote Group. Ein weitverzweigtes Imperium: Dangote Sugar etwa beliefert fast die gesamte Limonadenindustrie Westafrikas mit dem notwendigen Süßstoff. Dangote Flour betreibt mehrere große Getreidemühlen und liefert Mehl in den Tschad, nach Kamerun und in den Sudan.
Der schwarze Oligarch ist zudem auch Vorstand von Dangote Cement. Rund fünf Prozent des Zementherstellers brachte Dangote vor Kurzem an die Börse in Lagos. Das Initial Public Offering spielte umgerechnet 300 Millionen Dollar ein und erhöhte die Marktkapitalisierung der Nigerian Stock Exchange gleich um ein Drittel. Weiteres Kapital will Dangote durch einen in den kommenden 18 Monaten geplanten Börsengang in London einsammeln.
Die Wachstumspläne des Unternehmens motivieren Anleger zum Kauf. Seit Oktober ist der Titel von 135 auf 326 Naira (umgerechnet von 0,67 auf 1,59 Euro) gestiegen. „Ich will einen afrikanischen Champion schaffen, der mit den weltweit größten Zementunternehmen konkurrieren kann“, sagt Aliko Dangote. Schon in fünf Jahren soll die Marktkapitalisierung von Dangote Cement von derzeit 14 auf 50 Milliarden Dollar steigen. „Wir haben alles, was wir zur Realisierung brauchen“, erläutert Dangote. „Erfahrung, Kapital und eine immense Nachfrage.“
Für Investoren zunehmend interessant wird auch Ghana. Nach leidvollen Erfahrungen mit sozialistischen Experimenten und Militärputschen zählt die ehemalige britische Kolonie heute zu den politisch stabilsten Staaten Afrikas. Seit der Jahrtausendwende wächst das Bruttosozialprodukt jährlich um sechs Prozent. Im kommenden Jahr wird sogar ein Plus von 15 bis 20 Prozent erwartet. Dann fließen zum ersten Mal die Erlöse aus dem Ölexport der vor drei Jahren vor der Küste entdeckten Felder Jubilee und Tweneboa. Die Einnahmen will Präsident John Atta Mills in ein „Better Ghana“ – so der Titel seines Regierungsprogramms– investieren. Trotz bereits erzielter Fortschritte ist der Bedarf insbesondere an moderner Infrastruktur groß. Experten schätzen, dass jährlich rund 2,2 Milliarden Dollar zur Verbesserung des Transportsystems und der Stromversorgung eingesetzt werden müssten. „Lassen sich die vielen Engpässe und Mängel tatsächlich beheben, dürften zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen, Pro-Kopf-Einkommen und Binnennachfrage deutlich anziehen“, meint Jens Schleuniger, Fondsmanager des DWS Invest Africa.
Auch kritische Stimmen gibt es. Ghana könnte wie Nigeria dem Fluch der Rohstoffe erliegen und durch eine Zunahme von Korruption auch seine politische Stabilität verlieren, warnen besorgte Beobachter. Präsident Mills, der selbst als integer gilt, ist jedoch fest entschlossen, massiv gegen Bestechung vorzugehen. Transparency International bescheinigt dem Land und Mills bislang deutliche Erfolge.
Trotzdem: Die Gefahren sind groß. Ghana sollte sich daher keineswegs nur auf Rohstoffe verlassen, meint Herman Chinery-Hesse. Das Land müsse auch verstärkt auf Technologie setzen, mahnt der Gründer von Softtribe, der größten Softwarefirma Ghanas. Chinery-Hesse, den die BBC als „Bill Gates von Afrika“ bezeichnet, ist jedenfalls erfolgreich. Vor 20 Jahren verließ der heute 43-jährige Softwareingenieur Großbritannien und kehrte mit geringem Startkapital in sein Heimatland zurück. Im Gegensatz zu vielen Freunden, die seinerzeit Ghana unbedingt verlassen wollten, habe er schon damals die enormen Chancen erkannt, behauptet Chinery-Hesse. Heute zählt Softtribe unter anderen Ford, Nestlé und Unilever zu seinen Kunden. Chinery-Hesses Einnahmen belaufen sich jährlich auf eine Million Euro. Viel Geld in einem Land, in dem eine Dreizimmerwohnung gerade mal 20.000 Euro kostet.
Auch wenn Ghana auf die Erfolgsspur einzubiegen scheint, hat DWS-Manager Schleuniger das Land mit gerade mal drei Prozent gewichtet. „Die Liquidität vieler Titel ist noch zu gering“, meint er. „An manchen Tagen belaufen sich die Handelsumsätze auf nur 250.000 Dollar.“
Ein massiver Einstieg birgt daher enorme Risiken. Sollte ein Wert in seinem Portfolio in der Gunst der Anleger sinken, würde Schleuniger nur schwer Abnehmer finden. Er bevorzugt daher deutlich liquidere Aktienmärkte, wie Südafrika oder Ägypten. Dort erreichen die täglichen Umsätze mehrere Hundert Millionen Euro. „Das Land und seine Unternehmen profitieren von der Nähe zu Europa. Dank einer wachsenden Mittelschicht nimmt auch die Binnennachfrage Fahrt auf“, zählt Schleuniger die Vorteile auf. Mit Orascom Construction, Egyptian Financial Group-Hermes und der Commercial International Bank finden sich drei ägyptische Aktien unter den Top Ten.
Aber auch ein Engagement in dem nordafrikanischen Staat birgt Risiken. Für den 82-jährigen Dauerherrscher Ägyptens, Hosni Mubarak, ist bislang kein Nachfolger bestimmt. Ein Ableben Mubaraks könnte erhebliche Unruhen auslösen. Selbst wenn Afrikas Unternehmen erfolgreich sind: Noch sind die Verhältnisse nicht so stabil, dass die Politik die Gewinnziele der Manager nicht jederzeit gefährden könnte.
Investor-Info
Afrikas Potenzial
Eine Milliarde Konsumenten
Afrikas Wirtschaft wuchs in den vergangenen zehn Jahren jährlich um rund fünf Prozent. Ähnlich hohe Zuwachsraten werden auch künftig erwartet. Der Aufschwung resultiert vor allem aus der Nachfrage nach Rohstoffen, aber auch der Binnenkonsum einer wachsenden Mittelschicht belebt die Konjunktur. Das Pro-Kopf-Einkommen der insgesamt eine Milliarde zählenden Bevölkerung fällt in den 53 Staaten des Kontinents sehr unterschiedlich aus. Zu den ärmsten Ländern zählen unter anderem Guinea und Liberia. Dagegen könnte Nigeria künftig das Niveau etablierter Schwellenländer wie Brasilien erreichen. Allerdings müssen sich die politischen Verhältnisse weiter stabilisieren. Ebenso notwendig sind massive Investitionen in die Infrastruktur. Unter deutschen Anlegern wächst das Interesse an einem Engagement. Der Einstieg in afrikanische Einzelwerte ist jedoch kompliziert, als Alternative bieten sich Fonds an.
BB African Opportunities
Kaufen und halten
Fondsmanager Malek Bou-Diab engagiert sich in der Regel langfristig und konzentriert sich auf Unternehmen mit hoher Marktkapitalisierung. Mit 41 Prozent des sich auf rund 37 Millionen Euro belaufenden Anlagevolumens ist der Finanzsektor derzeit am höchsten gewichtet. Den geografischen Anlageschwerpunkt bildet Ägypten mit 30 Prozent, auf Nigeria entfallen 22, auf Ghana neun Prozent. Guter Fonds zur Depotbeimischung.
DWS Invest Africa
Vier Kurstreiber identifiziert
Fondsmanager Jens Schleuniger setzt auf die vier großen C: Construction (Bau), Commodities (Rohstoffe), Consumption (Konsum) und China. Zu seinen Aktienfavoriten zählen Randgold Ressources, Tullow Oil und der Telekomwert MTN. Im Vergleich zu anderen Fonds fällt die Nigeria-Gewichtung deutlich geringer aus. Schleuniger wartet die Wahlen im April 2011 ab. Bleibt die Lage ruhig, will er den Anteil erhöhen. Ebenfalls guter Fonds.
Altira
Aktie mit Afrika-Fantasie
Die deutsche Private-Equity-Gesellschaft Altira beteiligt sich unter anderem an afrikanischen Banken, Telekomfirmen und Immobilienunternehmen. Über ihre Niederlassung in Ruandas Hauptstadt Kigali sucht Altira auch nach Opportunitäten in weiteren afrikanischen Staaten. Daneben setzt Altira auch auf Investmentthemen wie Deutscher Mittelstand oder erneuerbare Energien. Aktie läuft, weiterhin aussichtsreich.
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