Nach dem Franken "Flash-Boom": Drohen weitere Verwerfungen an den Märkten?
Die Märkte kommen nicht zur Ruhe. Bereits in der vergangenen Woche hatte ich die Volatilität am deutschen Aktienmarkt "atemberaubend" genannt.
Das steigerte sich am Donnerstag noch:
Nach der Aufhebung der Bindung des Schweizer Franken an den Euro durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) gab es auch im DAX heftige Kursausschläge.
Der deutsche Leitindex krachte zuerst auf 9.622 Punkte nach unten bevor er dann zum Handelsschluss sogar wieder über die Marke von 10.000 Punkten katapultiert worden ist.
Kein Happy End gab es dagegen für den Schweizer Leitindex SMI, der in den letzten beiden Handelstagen von über 9.200 auf ca. 8.000 Punkte (minus 13 Prozent) abgestürzt ist. Anleger, die den Index nachbilden haben damit auf einen Schlag sämtliche aufgelaufenen Buchgewinne seit Anfang 2014 verloren. Ein herber Schlag!
Damit nicht genug droht den Schweizern eine massive Abschwächung des Wirtschaftswachstums und im schlimmsten Fall sogar der Absturz in die Rezession.
Möglicherweise könnte die überraschende SNB-Aktion aber auch für die Finanzmärkte insgesamt noch ein unangenehmes Nachspiel haben. Lesen Sie nachfolgend, warum.
In der Nacht vom Donnerstag auf Freitag meldete der US-Forex-Broker FXCM, dass er durch die plötzliche Implosion des Euro gegenüber dem Schweizer Franken in eine existenzbedrohende Schieflage geraten sei. FXCM bietet seinen Kunden den Handel von Währungen und damit verbundenen Dienstleistungen an.
An sich ein lukratives Geschäft, denn bekanntermaßen gewinnt bei der Devisenzockerei am Ende meistens nur einer: die Bank! Es gibt Statistiken darüber, dass 90 Prozent aller Neulinge, die ein Forex-Konto eröffnen, dieses innerhalb von einem Jahr an die Wand fahren.
Währungszockereien waren zuletzt in der breiten Öffentlichkeit ein Thema, weil der inzwischen zu 3 1/2 Jahren Haft verurteilte Ex-Bayern München-Präsident Uli Hoeneß in der Vergangenheit ebenfalls exzessiv an der Forex gezockt haben soll und das wohl mit sehr wechselhaftem Erfolg, um es vorsichtig auszudrücken. Mein dringender Rat deshalb: Lassen Sie unbedingt die Finger davon!
Sonst könnte es Ihnen ergehen wie einigen Kunden von FXCM, die am Donnerstag wohl in großem Stil ihre Handelskonten zu Grunde gerichtet haben. In diesem Fall könnte nun aber der Broker gleich mit in den Abgrund gerissen werden, denn die Kunden haben mehr verloren als sie gehabt haben und einen großen Teil des Eigenkapitals von FXCM gleich mit aufgezehrt.
Auf einen Schlag fehlen dem Unternehmen nun 225 Millionen US-Dollar. In so einem Fall muss sofort, am besten über Nacht, eine Kapitalerhöhung her, weil ansonsten die Regulatoren relativ zügig "die Lichter ausschalten".
Das führt dann dazu, dass diejenigen Banken, die FXCM mit Kapital versorgen, die Firma vom Markt abschneiden. Das heißt: Es besteht nicht einmal mehr die Möglichkeit die noch offen stehenden Verlustpositionen der Kunden zu schließen, weil keine Sicherheiten bei den Kunden mehr vorhanden sind.
Damit ist das Unternehmen vorläufig "out of business". Entsprechend fällt die Aktie im vorbörslichen Handel um über 80 Prozent. Credit Suisse sieht in einer ersten Stellungnahme noch einen Rest-Eigenkapitalwert von 3,15 US-Dollar je Aktie und gibt das auch als neues Kursziel aus.
Endgültig Feierabend ist dagegen aber beim britischen Forex-Broker Alpari und beim neuseeländischen Anbieter Global Brokers NZ, die beide bereits Insolvenz angemeldet haben.
Warum hatte die Aktion der SNB so dramatische Folgen? Ein Faktor war der Überraschungsmoment. Es gab keine gesteuerte Abwertung. Die Aktion der SNB erfolgte plötzlich und angekündigt. Das war aus Sicht der Notenbank sicher sinnvoll.
Der Ausstieg habe genau so überraschend erfolgen müssen wie der Einstieg, weil die Märkte zu starken Übertreibungen tendierten, wird SNB-Chef Thomas Jordan zitiert. Auf gut deutsch heißt das: Durch den Zeitvorsprung konnte die Notenbank die aufgelaufenen gigantischen Verluste noch etwas reduzieren, weil man als erster den Verkaufsbutton drücken konnte.
Jordan wusste genau, was passiert, wenn der Kurs unter die 1,20 fällt: Viele große Hedgefonds haben sich auf das Wort der Notenbank verlassen, die bis zuletzt beteuert hatte, man werde die Preisbindung unter allen Umständen und zeitlich unbegrenzt aufrecht erhalten. Diese wurden komplett auf dem falschen Fuß erwischt.
Es ist davon auszugehen, dass bei der Unterschreitung der 1,20er-Marke automatische, algorithmus-basierte Verkaufsprogramme ausgelöst worden sind, die dann zu einer regelrechten Panik und zu einem "Flash-Boom" beim Franken geführt haben.
Die Folge: Der Euro krachte kurzzeitig auf ein Tief von 0,85 Franken herunter, was wiederum dazu geführt haben dürfte, dass einige EUR/CHF-Positionen von Hedgefonds komplett liquidiert worden sind - zu extrem schlechten Kursen. Weil diese Fonds häufig mit Hebel operieren kann das dazu führen, dass weitere Insolvenzmeldungen folgen.
Bloomberg News zitiert den Aussie-Banker Nick Parsons, immerhin Chefanalyst der National Australia Bank für Großbritannien und Europa, mit den Worten: "Ich wäre zutiefst überrascht, wenn es nicht noch weitere Opfer geben würde. Das war ein 180-Grad-Dreh der Schweizer Notenbank. Die Leute fühlen sich verletzt und betrogen." Die Aktion ist auch so etwas wie ein Tabubruch, denn bisher hatte es noch keine Notenbank gewagt, auf diese offensichtliche und plakative Art und Weise ihre eigenen Versprechen zu brechen. Das dürfte zu einem deutlichen Vertrauensverlust des Marktes gegenüber Notenbanken im Allgemeinen führen.
Einige Beobachter sprechen auch davon, dass die Geschehnisse ein Beweis dafür seien, dass die Notenbanken weniger mächtig sind als dies viele bisher angenommen haben. Ich widerspreche hier. Die Schweizer Notenbank hätte ihre Stützungskäufe weiter fortführen können und theoretisch ungebremst weitere Franken "drucken" lassen können, die wiederum für den Kauf von Euros hätten eingesetzt werden können.
Dass Thomas Jordan dies nicht gemacht hat, ist vielmehr ein klares Zeichen dafür, dass er von einer sich verstärkenden Schwäche des Euros gegenüber dem US-Dollar ausgeht. Jordan ist ein absoluter Top-Mann im Bereich der Geldpolitik. Er promovierte 1993 bei Ernst Baltensperger, der wiederum als Koryphäe auf diesem Gebiet gilt. Sein Thema war damals die Europäische Währungsunion. Darin warnte er unter anderem vor einer Staatsschuldenkrise und Bankenpleiten. Vieles von dem ist heute Realität. Es wäre als durchaus auch für Euro-Politiker angebracht, seinen Worten Gehör zu schenken - und vor allem zwischen den Zeilen zu lesen.
Wenn er in seiner Erklärung beschreibt, wie der Franken gegenüber dem Euro abgewertet habe und sich deshalb gleichzeitig auch der Franken zum Dollar abgewertet habe und sich diese Situation weiter "akzentuieren" werde, dann ist klar, was Jordan meint: Er befürchtet, dass sich der Euro gegenüber dem US-Dollar und auch gegenüber dem Franken noch viel weiter abschwächen wird. Der Zeitpunkt ist vor diesem Hintergrund gut gewählt, denn bereits kommenden Donnerstag dürfte die EZB ein Quantitative Easing-Programm ankündigen, in dessen Rahmen die Zentralbank in großem Volumen Staatsanleihen aufkaufen dürfte.
Das heißt, die Politik der EZB wird noch expansiver werden, während gleichzeitig in den USA die Zeichen auf Ausstieg aus der Krisenpolitik stehen. Diese Divergenz könnte zu einer weiteren Abwertung des Euro führen.
Deutsche Aktien profitieren!
Zu den großen Gewinnern der Entwicklung zählt der stark exportlastige deutsche Aktienmarkt. Das Votum des Marktes ist eindeutig: Der DAX brach am Freitag im Handelsverlauf auf ein neues Allzeit-Hoch bei über 10.200 Punkten aus. MDAX und TecDAX hatten bereits in den Tagen zuvor jeweils neue Hochs erzielt. Meine Favoriten finden Sie in meinem Premium-Produkt Trend-Trader, wo wir schon seit Wochen im Musterdepot mit einem Investitionsgrad von 100 Prozent in deutschen Aktien investiert sind.
MEIN FAZIT:
Die Reaktion des Marktes auf die Aufhebung der Euro-Franken-Wechselkurs-Bindung zeigt, dass zumindest kurzfristig nicht mit weiteren starken Verwerfungen an den Finanzmärkten zu rechnen ist. Deutsche Aktien gehören zu den großen Gewinnern, Schweizer Aktien werden dagegen abverkauft. Wie immer gilt: Folgen Sie dem Trend. Unabhängig davon wird es spannend sein, zu sehen, wer unter den Hedgefonds die großen Gewinner und die großen Verlierer des Franken-Flash-Booms sein werden.
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Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.