Geldanlage-Report Armin Brack

Vorsicht bei China-Aktien! - Teil 2

09.02.11 12:57 Uhr

Vorsicht bei China-Aktien! - Teil 2 | finanzen.net

Letzte Woche hatte ich an dieser Stelle noch geunkt, dass der nächste Bilanzierungsskandal ...

... bei in den USA notierten China-Aktien nicht lange auf sich warten lassen sollte.

Bereits am Montag war es dann soweit: Mit China MediaExpress erwischte es einen weiteren prominenten Vertreter der Gattung "China Reverse Takeover"-Aktien. Mit AutoChina folgte ein nicht ganz so bekanntes Unternehmen. Die Vorwürfe sind erneut haarsträubend.

China MediaExpress Holdings kam wie andere betroffene Unternehmen durch die Hintertür an den Markt. In diesem Fall handelte es sich um eine Spezialkonstruktion, wo eine Art leerer Börsenmantel extra dafür gegründet worden war, um darin ein neues, nicht börsennotiertes Unternehmen einzubringen. Special Purpose Acquisition Companies (SPACs) werden diese Konstruktionen genannt.

Der Vorteil daran: SPACs kommen via echtes IPO an den Markt und sind entsprechend mit finanziellen Mitteln ausgestattet. Investoren stellen hier quasi eine Art Blanko-Scheck aus und überlassen dem Management der SPACs die Suche nach einem geeigneten Geschäft, das eingebracht werden kann.

China MediaExpress (CCME) schlüpfte so unter das Dach eines SPACs namens TM Entertainment & Media. CCME bezeichnet sich selbst als führender Anbieter von Fernsehwerbung in Intercity Express und Flughafenzubringer-Bussen. Nach eigenen Angaben gehört dem Unternehmen ein Netzwerk von Fernsehdisplays in über 16.000 Bussen in den elf reichsten Regionen Chinas.

Traumzahlen: Zu gut um wahr zu sein?

Noch am 08. November meldete das Unternehmen traumhafte Quartalszahlen mit einem Umsatzanstieg von 142 Prozent auf 155 Millionen US-Dollar und einer Steigerung des Nettogewinns von 184 Prozent auf 77,8 Millionen US-Dollar. Extreme Steigerungsraten bei Umsatz und Gewinn und gleichzeitig eine sensationell hohe Netto-Gewinnmarge von rund 50 Prozent. Das ist das Holz aus dem Anlegerträume geschnitzt werden.

Die Aktie reagierte, gepusht von verschiedenen Kaufempfehlungen, entsprechend und stieg auf über 20 US-Dollar je Aktie. Das entsprach damals einer Marktkapitalisierung von über 700 Millionen US-Dollar. An guten Tagen wurden mehrere Millionen Aktien zu diesen Kursen umgesetzt. Auch die Mainstream-Finanzpresse wurde zunehmend aufmerksam und empfahl die Aktie zum Kauf.

Nun stellt sich heraus, dass die operative Entwicklung zu gut ist, um wahr zu sein. Die US-Analysten von Muddy Waters erheben schwere Anschuldigungen gegen China MediaExpress: Bei der Aktie handle es sich um ein massives "Pump&Dump"-Schema. Das bedeutet: Umsätze und Gewinne des Unternehmens werden künstlich aufgebläht, damit die Firma werthaltiger erscheint als sie ist und gleichzeitig werfen Großaktionäre ihre Aktienpakete auf den Markt, um Kasse zu machen.

Das Perfide daran: Im Gegensatz zu herkömmlichen Promo-Aktien, wo erfahrene Börsianer die Masche sofort durchschauen, lässt sich in derartigen Fällen der Betrug nicht sofort erkennen, weil die Geschäftsberichte oberflächlich gut aussehen.

Wer genau hinschaut, konnte trotzdem im Vorfeld bereits Ungereimtheiten erkennen. In meiner Premium-Publikation Bracks Millionendepot schrieb ich bereits am 29.12.2009 zu der Aktie: "8,355 Millionen Optionsscheine können Altaktionäre nun zu einem Preis von 5,50 US-Dollar je Aktie ausüben. Das ist indiskutabel niedrig angesichts des Durchschnittskurses von über 11,50 US-Dollar im letzten Monat."

Und weiter: "Zudem wird in der heutigen Nachricht ausgeführt, dass die Optionsscheine nur deshalb von der US-Wertpapieraufsicht zugelassen worden sind, weil die Aktie sich solange über dem oben genannten Kurs gehalten hat. Damit drängt sich der Verdacht auf, dass das Papier künstlich gestützt worden ist und nun der Abverkauf einsetzt."

Bereits damals zog ich meine ursprüngliche Kaufempfehlung für die Aktie zurück. Ich war hier meiner Zeit etwas voraus, denn bis Ende Januar 2011 schaffte China Media unter relativ heftigen Schwankungen noch ein Allzeit-Hoch von 23,97 US-Dollar.

Kurshalbierung innerhalb von vier Tagen

In der zurückliegenden Woche wurden nun erstmals schwerwiegende Anschuldigungen gegen das Unternehmen erhoben. Worum geht es konkret?

Muddy Waters behaupten, dass die tatsächlichen Umsätze für 2009 nicht bei 95,9 Millionen US-Dollar gelegen haben, sondern bei lediglich 17 Millionen US-Dollar. Infomaterial, das CCME seinen Werbekunden zur Verfügung stellt, zeige zudem, dass das Unternehmen weniger als die Hälfte der 27.200 Busse gehören, die CCME in offiziellen Geschäftsveröffentlichungen als seine eigenen bezeichnet.

Zudem würden in den Bussen mehrheitlich gar nicht Inhalte von China MediaExpress laufen, sondern DVDs mit Filmen, die sogar häufig von Fahrgästen mitgebracht würden. Die Werbekunden dürften hiervon eher weniger erfreut sein. Muddy Waters hat hier vor Ort Stichproben bei über 50 CCME-Bussen durchgeführt, um dies zu beweisen.

In diesem Zusammenhang erscheint es auch als äußerst unwahrscheinlich, dass das Unternehmen tatsächlich eine Kapazitätsauslastung von 100 Prozent hat. Kapazitätsauslastung bezeichnet das Verhältnis zwischen tatsächlich verkauften Werbeminuten und den insgesamt zum Verkauf angebotenen Werbeminuten. Zum Vergleich: Die Konkurrenten von China MediaExpress liegen bei Auslastungsquoten von 20 bis 30 Prozent.

Die Technologie, die China MediaExpress dabei verwendet sind simple Festplattensysteme, die jeder im Internet für umgerechnet 320 US-Dollar beim Alibaba, einer Art chinesischen Amazon, erwerben kann.

Die jüngste Pressemitteilung, wonach eine Tochtergesellschaft von CCME eine E-Commerce-Plattform mit Apple für den chinesischen Markt aufgebaut habe, ist nach Aussage von Muddy Waters schlicht falsch. Apple bestreitet energisch in Geschäftsbeziehungen mit China MediaExpress zu stehen. Der Vertrieb in China werde laut Apple streng überwacht und es gebe insgesamt nur zwei Vertriebsplattformen in China, wovon eine die chinesische Tochter von Amazon.com sei. Sublizenzen dürften hier keine vergeben werden.

Überhaupt sei China MediaExpress bei größeren Playern in der Branche komplett unbekannt. Sogar einige angebliche Kunden des Unternehmens haben auf Nachfrage von Muddy Waters den Namen China MediaExpress noch nie gehört.

Hinzu kommt: Die Fahrgäste in den China MediaExpress Bussen gehören angeblich überwiegend zu einer wenig zahlungskräftigen Bevölkerungsschicht und seien daher nur für lokale Restaurants und Hotels von Interesse.

Dreist: Offenbar hat China MediaExpress mit den meisten großen Marken, deren Spots in den Bussen laufen, gar keine tatsächlichen Werbeverträge. Die Spots würden einfach so laufen, um andere Interessenten und vor allem potenzielle Investoren zu beeindrucken. Ein konkretes Beispiel: Heartland, einer der größten chinesischen Werbevermarkter (arbeitet exklusiv u.a. für Nokia, Coca-Cola, Pernod Ricard Group) kannte den Namen China MediaExpress auf Nachfrage nicht einmal. Trotzdem behauptet CCME Coca-Cola sei einer seiner Kunden.

Dazu passt, dass ein dem Management nahestehender Großaktionär über neun Millionen Aktien auf einen Schlag verkauft hat. Insgesamt besitze das Management 18,3 Millionen oder mehr als die Hälfte aller ausstehenden Aktien von China MediaExpress. Während dies normalerweise ein Vertrauensbeweis darstellt ist es in dem Fall wohl eher Ausdruck fehlender institutioneller Investoren.

Tatsächliches Geschäft nur zur "Zierde"

Muddy Waters spricht CCME nicht ab, tatsächlich ein operatives Geschäft zu haben. Allerdings fokussiere sich dieses vor allem auf den Raum Peking und diene weniger dazu, Geld zu verdienen als Glaubwürdigkeit bei den Investoren zu haben.

Der aktuelle faire Wert für die Aktie von 5,28 US-Dollar, den Muddy Waters ermittelt haben, scheint vor diesem Hintergrund noch relativ großzügig. Die Analysten sprechen davon, diesen auf Basis wohlwollender Annahmen ermittelt zu haben.

Letztlich ist dies aber sowieso zweitrangig, denn verschiedene Anwaltskanzleien stürzen sich bereits wie die Geier begierig auf ihr nächstes Opfer. Noch am selben Tag, an dem die Vorwürfe veröffentlicht worden sind (Donnerstag), berichteten bereits drei verschiedene Anwaltskammern, dass man die Vorgänge bei dem Unternehmen durchleuchten wolle.

Letztlich ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass CCME genauso wie Rino International die NASDAQ-Zulassung verlieren wird. Bei Rino wurde der Betrugsfall im November bekannt. Von einem Hoch bei 26,04 US-Dollar stürzte die Aktie bis auf aktuell 2,51 US-Dollar. Ähnlich könnte sich auch der Kurs von China MediaExpress entwickeln.

AutoChina International: Droht hier der nächste Skandal?

AutoChina kam ebenfalls über einen Reverse Merger an den Markt, schlüpfte also in eine leere Börsenhülle. Das Unternehmen ist erst seit April 2009 börsennotiert und das einstige Stammgeschäft, der Handel mit Autos, wurde bereits Ende 2009 verkauft. Alleine das ist schon bemerkenswert und nicht gerade vertrauenserweckend.

Die Holding Company hinter AutoChina hat ihren Sitz auf den Cayman Islands. Die Struktur ist ähnlich wie bei Rino International, gegen die ja bereits mehrere Klagen anhängig sind und die Ihren Sitz auf den Cayman Islands haben.

Seit Ende 2009 ist AutoChina nun auf LKW-Leasing spezialisiert. Das funktioniert in etwa so: Insgesamt wird ein Betrag von 48.000 US-Dollar fällig, von dem 38.000 US-Dollar für den Kauf des Trucks anfallen. Das ergibt eine Rohmarge von 10.000 US-Dollar je LKW, vor Zinskosten und Verwaltungsausgaben wohlgemerkt und über einen Zeitraum von 26 Monaten!

Der Clou an der Geschichte ist nun folgender: AutoChina verbucht offenbar alle für das Leasing anfallenden Umsätze sofort und dazu die entsprechenden Gewinne. So wurde fürs dritte Quartal 2010 pro verleastem Fahrzeug ein durchschnittlicher Umsatz von 50.382 US-Dollar und ein Gewinn von 8.023 US-Dollar nach Kosten angesetzt. Das spricht dafür, dass AutoChina den gesamten Profit bereits jetzt verbucht.

Unklar ist dabei, ob es zukünftig auch tatsächlich zu den entsprechenden Zahlungsströmen des Kunden kommen wird. Bei Stornierungen oder im Falle von Zahlungsschwierigkeiten seitens des Kunden, sind hier spätere Abschreibungen quasi unausweichlich.

Die Kollegen von The Forensic Factor (TFF), die den Fall im Detail untersucht haben, verweisen folglich auch auf die Bilanzierungsmethoden bei US-Subprime-Hypothekenfinanzierern, die eine ähnlich aggressive Bilanzierung vorgenommen haben. Wo dies endete, ist bekannt: Im Untergang einer ganzen Branche.

Das Dilemma macht sich entsprechend im Cash-Flow bzw. in dessen Fehlen bemerkbar. TFF errechnete in den letzten sechs Quartalen eine Diskrepanz zwischen ausgewiesenem Nettogewinn und tatsächlich erfolgtem Zahlungseingang von unglaublichen 450 Millionen US-Dollar.

Geschäfte mit sich selbst?

Damit nicht genug, bestehen massive persönliche Verflechtungen im undurchschaubar komplexen Organigramm von AutoChina. Der Eigentümer des größten Kunden von AutoChina, Beiguo Commercial Building, ist - halten Sie sich fest - der CEO von AutoChina. Bei Beiguo handelt es sich zudem in Wirklichkeit um einen Betreiber einer Lebensmittelkette, auch wenn der Namen auf etwas ganz anderes schließen lässt.

Damit nicht genug, geht TFF davon aus, dass in den ersten drei Quartalen 2010 Transaktionen im Umfang von nicht weniger als 865 Millionen US-Dollar mit verbundenen Unternehmen oder Personen zustande gekommen sind. Das legt den Verdacht nahe, dass ein Großteil der Umsätze nicht echt sind.

Doch es kommt noch dicker: CFO, also Finanzchef, des Unternehmens ist seit Juli 2009, ein gewisser Jason Wang. Wang war zuvor leitender Direktor bei der Private Equity Management Group (PEM). Selbige gehörte zu den größten Schneeballsystemen (Ponzi-Scheme) in der Geschichte der USA. Anleger wurden hier um 800 Millionen US-Dollar betrogen.

Rette sich, wer kann!

Angesichts derartiger Enthüllungen gibt es eigentlich nur ein Motto im Zusammenhang mit diesen China Reverse Takeover oder Reverse Merger Plays: Rette sich, wer kann!

Bei einer Marktkapitalisierung von über 500 Millionen US-Dollar (AUTC) bzw. immer noch 317 Millionen US-Dollar (CCME) und jeweils vorhandenen Nasdaq-Listings ist mit detaillierten Ermittlungen der US-Wertpapieraufsichtsbehörde zu rechnen. Gehen die Listings verloren, dürften die Aktien ähnlich wie Rino International ins Bodenlose fallen.

Eine mögliche Klagewelle durch Aktionäre könnte die Unternehmen sogar an den Rand ihrer Existenz bringen.

MEIN FAZIT:

- Gleiches Fazit wie in der vergangenen Woche: Umfang und Anzahl der Beschuldigungen gegen in den USA notierte chinesische Unternehmen wird immer größer.
- Der Skandal nimmt langsam Enron-artige Ausmaße an.
- Anleger sollten höchste Vorsicht walten lassen und in den USA notierte China-Aktien tendenziell meiden, insbesonders dann, wenn wie bei China MediaExpress oder AutoChina konkrete Anschuldigungen vorliegen.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.