DaxVestor-Kolumne Stefan Böhm

Deutschland Wirtschaftswunderland 2.0

25.10.10 12:52 Uhr

Deutschland Wirtschaftswunderland 2.0 | finanzen.net

An den Börsen setzte sich die Rallye fort.

Die Kombination aus überwiegend guten Quartalszahlen von den Unternehmen und der Hoffnung auf weitere Liquiditätsspritzen der US-Notenbank trieben die Kurse nach oben. In den USA meldeten unter anderem Boeing und Yahoo! über den Erwartungen liegende Quartalsberichte. Gleichzeitig konstatierte die US-Notenbank in ihrem Beige Book eine eher schwache Konjunkturdynamik. Das bestärkte die Erwartung, dass die Fed bei ihrer nächsten Sitzung am 3. November eine Ausweitung des Programms zum Kauf von Anleihen beschließt. Der Dow Jones Industrial stieg fast bis auf sein Jahreshoch von April. Charttechnisch ist daher Skepsis angebracht. Von diesem Kursniveau aus könnte es an der Wall Street erst einmal eine Korrektur geben.

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Starke Zahlen aus Deutschland

In Deutschland sieht es derzeit wirtschaftlich sehr rosig aus. Die Einkaufsmanagerindizes zeigten entgegen den Erwartungen keinen Rückgang, sondern einen weiteren Anstieg. Das Gleiche gilt für das ifo-Geschäftsklima. Das konterkariert etwas den Index der ZEW-Konjunkturerwartungen, der eigentlich eine Abnahme der Konjunkturdynamik erwarten lässt, denn der Index lag zum zweiten Mal in Folge im Minus. Unter dem Strich sagen die Daten folgendes: Die deutsche Wirtschaft setzt ihren Wachstumskurs fort, auch wenn sich die Dynamik etwas abschwächt. Im übrigen Europa sieht es aber weniger gut aus, das zeigten die Einkaufsmanagerindizes ebenfalls. Vor allem in den unter Schulden ächzenden Staaten an der Euroland-Peripherie schwächt sich die Wirtschaft ab. Aber auch z.B. in der Schweiz zeigen die Indikatoren nach unten und Großbritannien leidet ohnehin unter dem Sparprogramm der Regierung.

Werden die USA überschätzt?

In vielen europäischen Ländern und in den USA schwächt sich die Konjunktur ab. Geht es aber um die wahren Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft, dann müssten die Märkte den Zahlen aus den Schwellenländern viel größere Aufmerksamkeit schenken, vor allem den großen Ökonomien wie China, Brasilien und Indien. Auch für die deutsche Exportindustrie ist es inzwischen wichtiger, was in diesen Ländern geschieht, als was mit den USA ist. Natürlich kann es noch einiges an Störfeuer aus den USA geben. Die Immobilienkrise ist noch keineswegs ausgestanden. Auch könnten die US-Politiker einen Handels- und Währungskonflikt mit China vom Zaun brechen, wenn der Jobmotor der US-Wirtschaft weiterhin nicht anspringt. Das kann zu Kursrückschlägen an der Börse führen. Dem G20-Treffen am Wochenende kommt in dieser Hinsicht große Bedeutung zu.

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Deutschland ein Gewinner der Krise

Solange aber die Emerging Markets weiterhin robust wachsen, wird das die Weltwirtschaft voraussichtlich nicht in eine Abwärtsspirale zwingen. Und es gibt gute Gründe anzunehmen, dass sich der Aufholprozess der Schwellenländer fortsetzt. In der Wirtschaftskrise haben China, Indien, Brasilien, Indonesien und viele andere Länder bewiesen, dass sie sich von den Industrieländern wirtschaftlich abkoppeln können. Auch für Deutschland ist das eine wichtige Lehre: Die deutsche Exportwirtschaft hat eindrucksvoll ihre Wettbewerbsfähigkeit unter Beweis gestellt und ist zweifellos einer der Gewinner der Krise. Selbst die Binnennachfrage könnte im kommenden Jahr an Schwung gewinnen. Chinas BIP-Zahlen für das dritte Quartal bestätigten das Bild einer weiter robust wachsenden Wirtschaft. Vor allem der Konsum wächst stark. Das sind beste Neuigkeiten für die deutschen Unternehmen.

China erhöht den Leitzins

In den Aktienkursen ist natürlich eine Menge dieser positiven Perspektiven schon enthalten. Und es kann Rückschläge geben. Vor allem dürften die Wirtschaftspolitiker in China, Brasilien und anderen Schwellenländern ihre Konjunktur abbremsen, um eine Überhitzung zu vermeiden. Das wird einige allzu optimistische Zeitgenossen enttäuschen. Die chinesische Notenbank hat in dieser Woche den Leitzins überraschend erstmals seit 2007 angehoben. Andere Schwellenländer werden folgen. Doch sollte es zu größeren Korrekturen an der Börse kommen, dann kann dies zum Einstieg in Aktien genutzt werden, denn mittel- und langfristig sind die Perspektiven gut.

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DAX an wichtigem Widerstand

Der DAX kletterte weiter nach oben und knackte erstmals seit 2008 wieder die Marke von 6.600 Punkten. An der Spitze standen unter anderem die VW-Aktien. Zeitungsberichten zufolge will der Autobauer schon 2015 das Ziel von mehr als zehn Millionen verkauften Fahrzeugen erreichen und nicht erst 2018. Die Aktie sprang auf ein neues Jahreshoch. Insgesamt steigen die Kurse vieler DAX-Werte in Vorfreude auf gute Quartalszahlen. Im Index liegt aber bei 6.620 Punkten ein wichtiger Widerstand. Daran könnte der Index kurzfristig scheitern. Mittelfristig lautet die Kursrichtung aber weiter aufwärts.

Fazit

Die Aufwärtsdynamik beim DAX ist derzeit groß. Trotzdem könnte es kurzfristig eine Korrektur geben.

Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.