Deutsche Börse: Die unterschätzte Aktie?

Steigen die Umsätze, wird Geld verdient, fallen die Umsätze, wird weniger Geld verdient und brechen die Umsätze gar ein, wird womöglich gar kein Geld verdient. Ganz so schlicht ist das Geschäftsmodell der Deutschen Börse jedoch nicht, denn sie ist einem harten Wettbewerb der internationalen Finanzplätze ausgesetzt.

Expandieren – aber wie?

NYSE Euronext, Nasdaq-OMX und London Stock Exchange heißen die wichtigsten Mitbewerber. In den letzten Jahren kam es immer wieder zu Übernahmen im Börsensegment, nur die Deutsche Börse ging zumeist leer aus. Die Zukäufe, die es dennoch gab, sollten sich als recht unglücklich herausstellen. Insbesondere die International Securities Exchange (ISE) hat sich als schwer zu verdauender Happen erwiesen. Der Ende 2007 erfolgte Kauf der ISE war als strategischer Schachzug gedacht, mit dem man sich den amerikanischen Optionsmarkt erschließen wollte. 2,8 Milliarden US-Dollar hatte der Kauf damals gekostet. Inzwischen musste eine Wertberichtigung in Höhe von 450 Millionen Euro vorgenommen werden, nicht nur weil die Umsätze an der ISE hinter den Erwartungen zurückblieben, sondern auch weil ein knüppelharter Wettbewerb zwischen den US-Börsen auf die Margen drückte. Zwar ist die Deutsche Börse AG mit einem 2011er KGV von 11,6 wahrlich nicht teuer, dennoch lassen die Anleger die Aktie links liegen. Auch die Dividendenrendite von 4,1 Prozent konnte dies bislang nicht ändern.

Neuer Schwung aus dem Osten?

Nicht zuletzt die erfolgreichen großen Börsengänge von Rusal und mail.ru zeigen, dass ein erhebliches Potenzial in Russland schlummert. Die Deutsche Börse strebt daher eine Vertiefung der Partnerschaft mit den Moskauer Plattformen Micex (Moscow Interbank Currency Exchange) und RTS (Russian Trading System) an. Seit 2006 gibt es eine lose Kooperation mit Micex. Russische Unternehmen könnten nun ein Zweitlisting in Deutschland erhalten. Indizes und Derivate sind weitere Felder einer möglichen Zusammenarbeit. Für die Deutsche Börse am wertvollsten wäre jedoch wohl ein Zugang zum Abwicklungssystem der Micex, mit dem verlorenes Terrain gegenüber den anderen Börsenplatzbetreibern wieder zurückerobert werden könnte.

Fazit:

Die Aktie der Deutschen Börse könnte 2011 ihre Underperformance beenden. Das Hauptrisiko bleibt eine spürbare Abkühlung der Märkte. Für die Börsenaktie sprechen ihre niedrige Bewertung, das Reine-Tisch-Machen in Sachen ISE und die neuen Chancen, die sich in Russland ergeben könnten.

Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.