DAX: Die Kursschwankungen werden immer stärker
Der berühmte Geduldsfaden ist bei Griechenlands EU-Partnern nach...
... der überraschenden Entscheidung von Ministerpräsident Papandreou für ein Referendum gerissen – mit harten Konsequenzen. Bis zur endgültigen Klärung der Lage in Griechenland gibt es keine weiteren Hilfsgelder mehr und auch ein Rauswurf Griechenlands aus dem Euro oder gar der EU sind keine Tabus mehr. Entsprechend sprunghaft präsentieren sich die Aktienmärkte, allen voran die Bankaktien.
Alles wieder offen mit Griechenland
Sah es noch vor einer Woche so aus, als könnte endlich etwas Ruhe einkehren, so ist die Unsicherheit heute größer denn je. Nicht nur die Pleite Griechenlands ist eine realistische Möglichkeit, auch der Austritt bzw. der Rauswurf der Hellenen aus der Eurozone oder gar der EU sind nicht mehr auszuschließen. Eurogruppenchef Juncker wird mit den Worten zitiert, man wolle Griechenland nicht um jeden Preis in der Eurozone halten. Das kann als unmissverständliche Warnung an Athen verstanden werden. Auch die Möglichkeit, dass Griechenland doch noch die Kurve kriegt, sollte nicht außer Acht gelassen werden. Im Moment ist aber alles offen: Vom Rücktritt Papandreous bis zu Neuwahlen.
Wird der Bock zum Gärtner?
Ob aber die Beschlüsse der EU von einer neuen Regierung durchgesetzt werden könnten, ist mehr als fraglich. Oppositionschef Antonis Samaras von der konservativen Nea Dimokratia hat sich bislang auch nur destruktiv gezeigt. Zudem hat seine Partei einen Großteil der Schulden in den vergangenen Jahren angehäuft. Ich glaube inzwischen, dass keine der beiden großen Parteien Griechenlands die Kraft und die Integrität hat, um das Land neu zu erfinden. Immer noch glauben die Politiker in Athen, es gehe nur um innenpolitische Spielchen. Dann jedoch ist das Land nicht reif für eine Mitgliedschaft in einem Staatenbund. Der Schock eines Euro-Rauswurfs und einer Staatspleite wäre wohl heftig, aber immer noch weniger schlimm als eine jahrelange Dauerkrise im Südosten der EU. Ich gehe davon aus, dass die EU-Länder ihre Banken nun mit Hochdruck auf einen kompletten Zahlungsausfall Griechenlands vorbereiten werden. Das Geld, das für Griechenland vorgesehen war, könnte direkt für die Bankenrettung umgeleitet werden. Das wäre zwar harter Tobak, aber – und hier wiederhole ich mich – immer noch besser als ein Schrecken ohne Ende. Für die Unternehmen wäre ein Ausfall Griechenlands wohl ohne größere Probleme zu verkraften, denn dafür ist der griechische Markt zu unbedeutend. Insgesamt dürfte ein Ende der Griechenlandkrise zu großer Erleichterung führen, auch in den anderen Wackelstaaten Portugal, Spanien und Irland, die derzeit in Sippenhaft genommen werden, obwohl es unbestreitbare Fortschritte in der Sanierung der Staatsfinanzen in den genannten Ländern gibt. In Italien heißt das Problem vor allem Berlusconi, der außer Absichtserklärungen bislang nicht wirklich etwas auf den Weg gebracht hat. Sollte sich in Rom nicht endlich etwas tun, könnte Italien Griechenland als größtes EU-Problem ablösen.
Überraschende Zinssenkung der EZB
Einen weiteren Paukenschlag gab es aus Frankfurt zu hören. Die EZB senkte überraschend die Zinsen von 1,50 auf 1,25 Prozent und setzte damit ein Zeichen, dass sie auf die Refinanzierungsprobleme der Schuldenstaaten und die schwächelnde Konjunktur reagieren wird. Die Sorgen um die Wirtschaft sind offenbar so ernst, dass die Bedenken hinsichtlich der Inflation in den Hintergrund treten. In der Pressekonferenz betonte der neue EZB-Chef Draghi, dass die Entscheidung einstimmig gefallen sei. Die Inflation werde in den kommenden Monaten wieder unter zwei Prozent sinken, so Draghi. Da die Finanzmarktspannungen das Wachstum dämpften, gäbe es erhöhte Wachstumsrisiken. Die Zinsentscheidung solle daher das Wachstum in der Eurozone unterstützen. Bestätigt wurde die Notenbanker durch die Zahlen zu den deutschen Auftragseingängen am Freitag: Es gab im September einen überraschend starken Rückgang um 4,3 Prozent!
DAX: Schaukelbörse hält Anleger in Atem
Hin- und hergerissen von den Meldungen aus Athen und Frankfurt zeigte sich der DAX wieder einmal sehr schwankungsfreudig. Nachdem die Ankündigung des Referendums in Griechenland die Kurse unter 5.900 Punkte einbrechen ließ, erholte sich der DAX zeitweise sehr deutlich, unterstützt durch die Zinssenkung der EZB. Am Freitag fiel der Index wieder unter 6.000 Punkte, auch weil das Treffen der G20 womöglich nicht die erhofften Fortschritte im Kampf gegen die Eurokrise bringt. Das volatile Auf und Ab zeigt, wie fragil die Lage an den Aktienmärkten nach wie vor ist. Angesichts der immer noch bestehenden Unsicherheiten wird sich in den nächsten Wochen auch nichts an dieser Gemengelage ändern. Mit großen Kursschwankungen werden wir also weiterhin leben müssen.
Stefan Böhm (Diplom-Volkswirt) ist Chef-Redakteur des DaxVestor Börsenbriefs. Weitere Informationen finden Sie unter: www.dax-vestor.deDer obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.