Börse Frankfurt-News: Suche nach sicheren Häfen (Anleihen)
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Anleger*innen suchen Sicherheit und kaufen US-Staatspapiere. Ein neues Kaufprogramm der EZB entspannt die Lage am italienischen Zinsmarkt.
8. Juli 2022Frankfurt (Börse Frankfurt). Zunehmende Rezessionssorgen lassen viele in stabilere Anlagen flüchten. "Sichere Häfen sind gesucht, gerade in Europa mit Blick auf die Knappheit von Gas", bestätigt Arthur Brunner von der ICF Bank. "Die Volatilität hat schlagartig zugenommen", berichtet Gregor Daniel von Walter Ludwig. Die Lage werde ständig neu beurteilt - je nach Nachrichtenfluss. "Anleger sind gezwungen, ständig darüber nachzudenken, ob sie sich neu positionieren müssen."
Notenbank-Protokoll lassen unterschiedliche Zinsschritte erwarten
Mit Spannung werden die US-Arbeitsmarktdaten am Nachmittag erwartet, schaut Brunner voraus. Die Entwicklung des Arbeitsmarktes in den USA würde einen weiteren Rückschluss zulassen, wie sich die Politik der US-Notenbank Fed fortsetzt. Das jüngste Fed-Protokoll zeigt, dass die Notenbank entschlossen ist, die Zinsen längere Zeit anzuheben, um der Inflation beizukommen. Aus dem jüngsten Protokoll der EZB ging hervor, dass diese im Juli mit einem kleinen Zinsschritt von 25 Basispunkten die Zinswende einleiten dürfte. Sie sind laut Protokoll aber bereit, die Zinsen in der Eurozone bei der nächsten Sitzung im September gegebenenfalls stärker anzuheben.
Darüber hinaus, so Brunner, wolle die EZB mit einem Anleihekaufprogramm dafür sorgen, die Renditeabstände der Staatsanleihen hochverschuldeter EU-Staaten im Vergleich zu Bundesanleihen zu begrenzen. "Ob das Programm namens Transmission Protection Mechanism, TPM, aber schon in der Juli-Sitzung verabschiedet wird, ist unklar."
Nach Einschätzung von Daniel hat die EZB vorerst die Situation beruhigt. Dennoch bleibe der Rendite-Abstand ein Thema, das weiter beobachtet werde. Die zehnjährigen italienischen Staatspapiere rentieren derzeit mit 3,205 Prozent. Der Bund Future hat die Marke von 150 Punkten in dieser Woche mehrheitlich gehalten. Die zehnjährige Rendite steht bei 1,263 Prozent.
US-Staatspapiere gefragt
Das Sicherheitsdenken macht sich vor allem bei US-Anleihen bemerkbar, erklärt Brunner: "Die Marktteilnehmer sichern sich hier gegen Verluste des Euro ab." Gekauft würden zum Beispiel Papiere (US91282CCD11) mit Laufzeit 2023 und einem Kupon von 0,125 Prozent.
Daniel meldet Verkäufe eines spanischen Staatspapiers (ES0000012F43). Es läuft bis 2029 und hat einen Kupon von 0,6 Prozent. Auf Unternehmensseite sieht er Telekom-Papiere (XS1828032786) stark gefragt, während Verkäufe bei voestalpine (AT0000A27LQ1) überwiegen.
Bei Unternehmensanleihen ist der Immobiliensektor weiter unter Druck, ergänzt Brunner. So würde eine Anleihe von Adler (XS1652965085), die bis 2024 läuft und mit 1,5 Prozent Kupon ausgestattet ist, verkauft. "Andere Immobilientitel werden in Sippenhaft genommen", fasst Brunner zusammen.
Hohe Nachfrage verzeichnet die ICF Bank nach einem Bond von Grenke (XS1910851242), beträchtliche Verkäufe dagegen für eine paragon-Anleihe (DE000A2GSB86). Bei Mutares (NO0010872864) registriert der Händler der ICF Bank gute Umsätze: "Hier geben sich Käufer und Verkäufer die Klinke in die Hand."
In Sachen Neuemissionen privater Unternehmen herrsche hingegen Flaute, während neue Papiere aus dem öffentlichen Sektor auf den Markt kommen. So begibt die Österreichische Kontrollbank eine Anleihe (XS2500414623), die bis 2027 läuft und mit 1,5 Prozent Kupon ausgestattet ist.
von: Antje Erhard, 8. Juli 2022, © Deutsche Börse AG
Über die Autorin
Antje Erhard ist Journalistin und Moderatorin mit den Schwerpunkten Börse, Wirtschaft und Finanzen.
Feedback und Fragen an redaktion@deutsche-boerse.com.
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)