VW-Aktie steigt dennoch: Debatte über Ablösung von Volkswagen-Chef Diess - VW stellt Flugtaxi-Prototyp für China vor
Die im September geplante Ablösung von VW-Konzernchef Herbert Diess durch Porsche-Chef Oliver Blume ruft bei manchen Investoren und Branchenexperten Stirnrunzeln hervor.
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Dabei geht es etwa um die Frage, warum der künftig mit einer Beraterfunktion ausgestattete Diess gerade vor einem Jahr noch einmal vorzeitig einen neuen Vertrag erhielt. Im Juli 2021 stimmte der Aufsichtsrat der bis zum Oktober 2025 laufenden Weiterverpflichtung zu - obwohl es schon damals und zuvor von mehreren Seiten erhebliche Kritik an Diess' Führungs- und Kommunikationsstil gegeben hatte.
"Die Vertragsverlängerung aus dem letzten Jahr ist nicht nachvollziehbar", sagte der Leiter des Bereichs Unternehmensführung und Nachhaltigkeit bei der Sparkassen-Fondstochter Deka, Ingo Speich, der Deutschen Presse-Agentur. Die Demission von Diess sei "ein Abgang mit Ansage", die Kontrolleure hätten weit früher Konsequenzen ziehen können. Diess selbst soll Druck für die Verlängerung gemacht haben. "Die Rechnung trägt jetzt wieder einmal der Aktionär", meinte Speich. "Auch der neue Beratervertrag wirft mehr Fragen als Antworten auf."
Allein für das Jahr 2021 erhielt Diess inklusive Rentenansprüchen mehr als 10 Millionen Euro. Die VW-Vorstandsgehälter lassen sich im Zeitverlauf nur schwer vergleichen und genau vorhersehen, weil sie von variablen Boni abhängen. Einige Beobachter schätzen, der bisherige Konzernchef - obschon bald nicht mehr in dieser Position - könnte bis Herbst 2025 bis zu weitere 30 Millionen Euro verdienen.
"Der goldene Handschlag ist Zeichen schlechter Unternehmensführung und hat bei VW leider Tradition", kritisierte Janne Werning von Union Investment. Bereits mit Bernd Pischetsrieder in den 2000er Jahren oder mit der 2016/2017 nur gut ein Jahr gebliebenen Rechtsvorständin Christine Hohmann-Dennhardt seien hoch dotierte Fortzahlungen oder Abfindungen vereinbart worden. Ein anderer Analyst sagte, diese Praxis sei aus seiner Sicht eine "Sauerei", zumal im Fall von Diess gleichzeitig Gerüchte zur Kürzung Zehntausender Jobs kursiert hätten.
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger sprach von einem "Aufsichtsrat ohne Kompass, der in einem Jahr Hü, im anderen dann Hott" sage. Das komme einer "strategischen Minderleistung" gleich.
Mitglieder des Gremiums wollten sich mit Verweis auf die Vertraulichkeit der Sitzungen nicht zur damaligen Entscheidung äußern, auch nicht im Lichte der Entwicklungen davor. 2020 hatte Diess Teilen des Aufsichtsrats gar strafbares Verhalten und "fehlende Integrität" durch Indiskretionen vorgeworfen. Zunächst war er bis zum Frühjahr 2023 als Vorstandschef der größten europäischen Autogruppe bestellt. Es gab jedoch mehrfach Konflikte mit dem Betriebsrat, der IG Metall und dem Land Niedersachsen, die neben den Vertretern der Eigentümerfamilien Porsche/Piëch die wichtigsten Aufseher stellen.
Hinzu kamen zuletzt teure Verzögerungen bei eigener Software, die Modellanläufe gefährdet haben sollen. Im vergangenen Jahr habe noch niemand der entscheidenden Akteure den Bruch mit Diess gewagt, hieß es im Umfeld der Kontrolleure - im Nachhinein sei man oft klüger. Jetzt habe man aber gemerkt, dass es einfach nicht mehr weitergehe.
Volkswagen stellt Flugtaxi-Prototyp für China vor
Der VW-Konzern bereitet sich in China nach längeren Entwicklungsarbeiten auf den Einstieg in einen künftigen Flugtaxi-Markt vor und hat dazu ein Prototypen-Modell fertiggestellt. Das als "Passagierdrohne V.MO" bezeichnete Gefährt soll einmal vier Insassen mitsamt Gepäck automatisiert bis zu 200 Kilometer weit befördern können. Es hat zehn Rotoren zur Senkrecht- und Horizontalbewegung, ist elektrisch angetrieben und etwas mehr als elf Meter lang. Auch Technik, die beim autonomen Fahren zum Einsatz komme, werde verwendet, erklärte Volkswagen bei der Vorstellung am Mittwoch. Spitzname des Flugtaxis ist "Fliegender Tiger".
Das futuristisch anmutende Vehikel hat nach Einschätzung des scheidenden VW-China-Chefs Stephan Wöllenstein gute Marktchancen, sollte sich in den kommenden Jahren die Nachfrage nach "vertikalen Mobilitätsbedürfnissen" in den großen Ballungszentren der Volksrepublik tatsächlich so entwickeln wie erhofft. "Wir wollen dieses Konzept langfristig zur Serienreife bringen", kündigte der Manager an, der zum 1. August von Ralf Brandstätter abgelöst wird.
"V.MO" dürfte allerdings vorerst ein Nischenangebot für gut betuchte und technikbegeisterte Kunden aus der chinesischen Wirtschaftselite sein. Denkbar wäre ein regelmäßiger Einsatz der Flugtaxis etwa in Form von VIP-Shuttles, so VW - sofern die Behörden alle Genehmigungen erteilen. Noch in diesem Jahr seien Testflüge geplant und im Sommer 2023 dann fortgeschrittene Tests mit einer verbesserten Drohne.
Das Projekt zur Ausweitung des Geschäfts auf "urbane Luftmobilität" läuft bei VW in China seit 2020. Es gehe um einen schnellwachsenden Markt, erklärte der Wolfsburger Autobauer, für den China die mit Abstand wichtigste Absatzregion ist. Schwerpunkte seien Kurz- und Mittelstreckentransporte durch die Luft. Diese könnten eine bedeutende Rolle für die Zukunft des Verkehrs in den staugeplagten Megastädten spielen.
Es gibt noch mehrere andere Anbieter, die ähnliche Senkrechtstarter einschließlich der entsprechenden Servicestrategien entwickeln. Der Münchner Flugtaxi-Hersteller Lilium peilt für erste kommerzielle Zulassungen seines Siebensitzer-Exemplars das Jahr 2025 an. Sein Modell hat auch Tragflächen wie ein konventionelles Flugzeug für den Betrieb zwischen Start- und Landephase. Lilium ist inzwischen an der US-Techbörse Nasdaq notiert. Den Verwaltungsrat führt Ex-Airbus-Chef Tom Enders. Geplant ist eine Serienproduktion in Deutschland.
Ein weiteres Beispiel ist die Firma Volocopter aus dem badischen Bruchsal. Der Hersteller kündigte im Frühjahr an, seine Standorte auszubauen, um mehr Kapazitäten für weitere Tests sowie die Produktion zu haben. Die Flugtaxis sollen nach Unternehmensangaben bei den Olympischen und Paralympischen Sommerspielen 2024 in Paris zum Einsatz kommen. Eine Zulassung der Europäischen Agentur für Flugsicherheit werde in der Jahreshälfte davor erwartet.
Der US-Flugzeugriese Boeing schaut ebenfalls auf den Flugtaxi-Markt. Er investierte im Januar 450 Millionen Dollar in die Entwicklerfirma Wisk Aero. Deren kleines E-Flugzeug soll zwei Personen transportieren und autonom fliegen. Zur Sicherheit soll es aber auch vom Boden aus ferngesteuert werden können und einen Landefallschirm erhalten.
Die Vorzugsaktien von Volkswagen verteuern sich via XETRA am Mittwoch um 0,28 Prozent auf 130,78 Euro.
WOLFSBURG/STUTTGART/PEKING (dpa-AFX)
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