Die Zinskinder
In Deutschland ist es seit Generationen Tradition, dass Eltern oder Großeltern dem Neugeborenen ein rotes, blaues oder gelbes Büchlein in die Wiege legen, auf welches monatlich ein fester Betrag eingezahlt wird, auf das es sich mehre und dem Sprössling mit achtzehn den Start in die Erwachsenenwelt erleichtert.
Daran hat die aktuelle Niedrigzinspolitik bisher nicht viel geändert. Doch seit dem 14. Juni weisen nun auch zehnjährige Bundesanleihen eine negative Rendite aus und vielleicht wird es Zeit, die Sparpläne für Kinder und Enkel einmal etwas genauer zu untersuchen.
So haben Kinder, die in 2016 Jahr volljährig und mit einem solchen Geschenk bedacht werden, sicher Grund zur Freude. Immerhin gab es in ihrem Geburtsjahr 1998 noch Sparzinsen von mehr als zwei Prozent. Die Umlaufrendite lag in der Spitze Sparzeit sogar bei 5,43 Prozent, was einem Durchschnitt von 3,09 Prozent im Jahr entspricht.
Unterstellt man diesen Durchschnittszins über die gesamte Laufzeit, würde dem Nachwuchs bei einer monatlichen Sparrate von 100 Euro zum achtzehnten Geburtstag ein Betrag von rund 29.000 Euro überreicht. Ohne steuerliche Betrachtung wäre dies ein Wertzuwachs von rund 7.500 Euro.
Für später geborene sieht das schon ganz anders aus. Der Sparplan eines im Jahr 2004 geborenen und damit heute zwölfjährigen hat zwar noch ein paar "fette" Jahre mitgemacht, allerdings liegt die durchschnittliche Umlaufrendite bis heute schon bei nur noch 2,43 Prozent im Jahr und ist aktuell negativ. Berücksichtigt man dann noch die Inflation, die Anfang der 2000er Jahre zwischen 1,5 und 2,5 Prozent lag, liegt der reale Wertzuwachs nahe null.
Viele Eltern haben die Umstände erkannt und eröffnen anstelle des guten alten Sparbuchs ein Depot, um den ersten finanziellen Grundstock des Nachwuchses mit monatlichen Aktienkäufen aufzubauen. Allerdings ist auch der regelmäßige Sparer ein Gewohnheitstier und die Sparraten meist so gewählt, dass sie das Haushaltsbudget nicht belasten und so über die Jahre unbemerkt mitlaufen.
Ungewollt und unbewusst kann es so zu Ungleichbehandlung von Geschwisterkindern kommen, besonders wenn der Altersunterschied etwas größer ist, wenn zum Beispiel das Erstgeborene nach alter Tradition das Sparbuch erhält, für den Nachzügler aber ein Aktiendepot eröffnet wurde.
Unterstellt man bei dem 2004 geborenen Kind eine durchschnittliche Verzinsung von einem Prozent im Jahr für die Gesamtlaufzeit bis zum Jahr 2022, steht am Ende ein Betrag von rund 24.000 Euro zur Verfügung. Bei einer abgenommenen durchschnittlichen Rendite von sechs Prozent im Jahr inklusive Dividendenausschüttungen bei einem Aktiendepot hat das jüngere Kind bereits nach 13 Jahren diesen Vermögensstand erreicht. Sollte alles rund laufen, könnte es am Ende sogar 38.000 Euro und somit fast 58 Prozent mehr werden.
Es ist nicht zu erwarten, dass die Zinspolitik der EZB sich in den nächsten Jahren gravierend ändern wird. Daher sollte jeder, der seinen Kindern oder Enkel ein attraktives Startkapital für die Erwachsenenwelt mitgeben möchte, Sparverträge auf Sinnhaftigkeit überprüfen.
Von Ralph Rickassel, PMP Vermögensmanagement in Düsseldorf, eine Niederlassung der Donner & Reuschel Lux S.A.
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