Nach Leitzins-Entscheid

Draghi verteidigt lockere Geldpolitik

19.01.17 16:51 Uhr

Draghi verteidigt lockere Geldpolitik | finanzen.net
Mario Draghi

Die Europäische Zentralbank (EZB) lässt sich von dem unerwartet deutlichen Inflationsanstieg im Dezember nicht beeindrucken.

EZB-Präsident Mario Draghi sagte in der Pressekonferenz zur Erläuterung der jüngsten geldpolitischen Beschlüsse: "Es ist weiterhin eine sehr akkommodierende Politik nötig, um einen nachhaltigen Anstieg der Inflation in einen Bereich zu ermöglichen, der mit Preisstabilität im Einklang steht." Zwar sei die Inflationsrate zuletzt kräftig gestiegen, doch sei bisher ein überzeugender Anstieg der grundlegenden Inflation nicht zu erkennen.

Die Verbraucherpreise im Euroraum waren im Dezember mit einer Jahresrate von 1,1 (November: 0,6) Prozent gestiegen. Die Kernteuerung (ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise) hatte sich im Dezember aber lediglich auf 0,9 (0,8) Prozent erhöht.

Vor allem in Deutschland war Kritik an der sehr lockeren EZB-Geldpolitik laut geworden, nachdem die Inflationsrate dort sogar auf 1,7 Prozent gesprungen war. Erst Anfang Dezember hatte der EZB-Rat - gegen die Stimme des deutschen Vertreters Jens Weidmann - eine Verlängerung des Anleihekaufprogramms bis Ende 2017 beschlossen. Allerdings soll das Volumen der monatlichen Ankäufe ab April von 80 auf 60 Milliarden Euro verringert werden, wie der EZB-Rat im Dezember beschloss.

Draghi: Tapering noch kein Thema

Viele Volkswirte und Marktteilnehmer stufen das als Einstieg in eine schrittweise Verringerung der Ankäufe (Tapering) ein. Draghi trat dieser Deutung erneut entgegen. "Wir haben letztes Mal kein Tapering diskutiert, und wir haben auch dieses Mal kein Tapering diskutiert", sagte er. Wenn es soweit sei, werde der EZB-Rat die Lage sehr tief und sorgfältig analysieren - "aber so weit sind wir noch nicht".

In seinem aktuellen geldpolitischen Statement bekräftigte der EZB-Rat vielmehr seine Entschlossenheit, Umfang und/oder Dauer der Ankäufe auszuweiten, wenn sich der Ausblick eintrüben sollte - oder die Finanzierungsbedingungen nicht mehr mit einem weiteren nachhaltigen Inflationsanstieg im Einklang stehen sollten. Der EZB-Rat will die Ankäufe so lange fortführen, bis er eine nachhaltige Korrektur der Inflationsentwicklung erkennt, die mit seinem Inflationsziel im Einklang steht.

Draghi verwies darauf, dass die EZB die erforderlichen Beschlüsse getroffen habe, um das Ankaufprogramm ausweiten zu können. Die Zentralbanken könnten nun auch Anleihen ankaufen, deren Rendite unterhalb des Bankeinlagensatzes der EZB liege. Allerdings schränkte der EZB-Rat diese Möglichkeit in seiner aktuellen Sitzung auf öffentliche Anleihen ein. Covered Bonds, Unternehmensanleihen oder Kreditverbriefungen (ABS) sind nicht betroffen.

DIW: Niedrigzins noch für zwei bis drei Jahre

Nach Einschätzung des Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, wird die EZB ihr Inflationsziel nicht vor Ende 2018 erreichen. "Deutschland und die Eurozone müssen sich auf zwei bis drei weitere Jahre der Niedrigzinsen einstellen", prognostiziert er. Die zuletzt positive Inflationsentwicklung sei keine Rechtfertigung für die öffentlichen Attacken der vergangenen Wochen in Deutschland gegen die EZB-Geldpolitik.

Nordea rechnet nach Draghis Pressekonferenz damit, dass eine weitere Verringerung der Anleiheankäufe erst ab der zweiten Hälfte des laufenden Jahres ein Thema werden wird. "Es waren keine Zugeständnisse an die geldpolitischen Falken erkennbar, trotz der wachsenden Kritik aus Deutschland", schrieb Europa-Chefvolkswirt Holger Sandte in einem Kommentar. Der geldpolitische Ausblick der EZB sei weiterhin einseitig auf die Möglichkeit einer neuerlichen Lockerung ausgerichtet.

An den Finanzmärkten lösten Draghis Äußerungen keine stärkeren Reaktionen aus: Der Euro gab um einen halben Cent nach und kostete gegen 16.30 Uhr 1,061 US-Dollar. Allerdings wurden am Nachmittag auch starke US-Konjunkturdaten veröffentlicht, die den Dollar ebenfalls beeinflusst haben dürften. Aktien- oder Anleihemärkte reagierten kaum.

FRANKFURT (Dow Jones)

Bildquellen: EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images, Andreas Böttcher/ECB