Keine weitere Senkung

Draghi sieht Talsohle bei Zinsen erreicht

05.06.14 17:20 Uhr

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre Zinsen nach Aussage ihres Präsidenten Mario Draghi nicht weiter senken, obwohl sie für die kommenden Jahre mit einer noch niedrigeren Inflation als bisher rechnet.

Zugleich will sie die Wirtschaft des Euroraums gezielt mit neuen Krediten im Volumen von 400 Milliarden Euro unterstützen und zudem die billige Refinanzierung der Banken länger als bisher geplant sicherstellen. Darüber hinaus bereitet die EZB ein Programm zum Ankauf von Asset-backed Securities (ABS) vor.

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   "Wir haben praktisch die Zinsuntergrenze erreicht", sagte Draghi bei der Erläuterung des jüngsten Zinsbeschlusses. In seinen Einleitenden Bemerkungen sagte der EZB-Präsident wörtlich: "Die EZB-Zinsen werden für längere Zeit auf dem aktuellen Niveau bleiben." Bisher hatte die so genannte Forward Guidance der EZB auch weitere Zinssenkungen beinhaltet.

   Zugleich rechnet die Zentralbank aber damit, dass die Inflation in den kommenden Jahren noch niedriger ausfallen wird, als sie bisher auf Basis der EZB-Stabsprojektionen annehmen konnte. Die aktuellen Projektionen sehen für 2014 nur noch eine durchschnittliche Inflation von 0,7 Prozent voraus. Bisher waren es 1,0 Prozent gewesen. Die Prognosen für 2015 und 2016 sanken auf 1,1 (bisher: 1,3) Prozent und 1,4 (1,5) Prozent. Für das vierte Quartal 2016 werden nur noch 1,5 (1,7) Prozent Inflation erwartet.

   Damit entfernen sich die Inflationsprognosen der EZB-Volkswirte weiter vom mittelfristigen Inflationsziel von knapp 2 Prozent. Nach Aussage des EZB-Präsidenten sind die mittel- bis langfristigen Inflationserwartungen der Wirtschaftsakteure aber weiterhin fest in diesem Bereich verankert.

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   Laut Draghi wird die EZB den Banken neue Kredite geben, die anfänglich 7 Prozent von deren Portfolios an Krediten entspricht, die die Institute per 30. April 2014 an den privaten Sektor vergeben hatten. Ausgenommen sind Hypothekenkredite. Die EZB wird dazu dazu mehrere "gezielte langfristige Refinanzierungsgeschäfte" (TLTRO - targeted longer-term refinancing operations) mit Fälligkeit im September 2018 begeben, die ersten zwei von ihnen im September und Dezember 2014.

   Darüber hinaus sollen die Banken zwischen März 2015 und Juni 2016 quartalsweise Kredite bei der EZB aufnehmen können. Diese Kredite sollen maximal das Dreifache jener Nettokredite ausmachen, die die Banken über einen bestimmten Grenzwert hinaus an nicht-finanzielle Unternehmen vergeben haben. Ausgenommen sind Hypothekenkredite. Das mögliche Kreditvolumen wird von Kreditverkäufen, -verbriefungen oder -abschreibungen nicht gemindert.

   Verzinst werden die neuen Langfristgeschäfte mit dem Zinssatz, der zum Zeitpunkt ihrer Zuteilung herrschte, zuzüglich einem Aufschlag von 10 Basispunkten. Die Banken dürfen mit der Rückzahlung der Kredite frühestens nach 24 Monaten beginnen. "Es wird eine Reihe von Maßnahmen geben, um abzusichern, dass diese Mittel der Realwirtschaft zugute kommen", sagte der EZB-Präsident.

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   Ferner will die EZB ihre Vorbereitungen für den Ankauf von besicherten Wertpapieren (ABS) verstärken. Sie plant, einfache und transparente ABS zu kaufen, die mit Forderungen gegen nicht-finanzielle Unternehmen des Euroraums besichert sind. Zudem wird die Zentralbank ihre wöchentlichen Refinanzierungsgeschäfte mindestens bis Dezember 2016 mit Vollzuteilung zu einem Festzins abwickeln. Das gleiche gilt für Dreimonatsgeschäfte, wobei hier der während der Tender-Laufzeit durchschnittlich herrschende Leitzins zu zahlen ist. Die Tender mit der Laufzeit einer Mindestreserveperiode werden gestrichen.

   Darüber hinaus verzichtet die EZB künftig darauf, den Banken wöchentlich jenes Geld zu entziehen, dass sie ihnen im Rahmen ihres SMP-Staatsanleiheprogramms gezahlt hat. Auch auf diese Weise wird sich die Liquidität im Bankensystem um rund 120 Milliarden Euro erhöhen.

   Zuvor hatte die EZB ihre Leitzinsen wie erwartet auf ein Rekordtief gesenkt. Zudem müssen die Banken erstmals für Geld zahlen, das sie über die geforderte Mindestreserve hinaus bei der EZB parken. Fällig werden nun 0,10 Prozent, zuvor betrug der Satz null Prozent. Der Hauptrefinanzierungssatz für die regulären wöchentlichen Geschäfte der Banken mit der EZB wurde von 0,25 auf 0,15 Prozent reduziert. Der Spitzenrefinanzierungssatz, zu dem sich die Banken in Notfällen kurzfristig bei der Zentralbank Geld leihen können, sinkt von 0,75 auf 0,40 Prozent.

DJG/hab/apo

Dow Jones Newswires