Geldpolitik der EZB: Juristen halten Negativzins für rechtswidrig
Wie aus einem kürzlich veröffentlichten Gutachten hervorgeht, seien die von der EZB verlangten Negativzinsen illegal und müssten angefochten werden. Kleinanleger könnten hier allerdings nichts tun - lediglich betroffene Banken könnten dagegen vorgehen.
• Juristisches Gutachten über Negativzinsen der Europäischen Zentralbanken
• Minuszinsen seien rechtswidrig und müssten angefochten werden
• EZB habe keine Ermächtigung
Während der Sitzung der Europäischen Zentralbank Mitte September hatte EZB-Präsident Mario Draghi den Einlagenzins für Banken tiefer ins Minus gedrückt - von minus 0,4 sank er auf minus 0,5 Prozent. "Mit dem Strafzins will die EZB erreichen, dass Geschäftskunden das viele billigere Geld, das die Notenbank ihnen zur Verfügung stellt, an Unternehmen und Verbraucher weiterreichen, damit es in Investitionen und Konsum fließt. So will sie die Konjunktur anschieben und den Preisauftrieb verstärken", erklärt die Deutsche Welle (DW) den Gedanken hinter den Minuszinsen.
Kompetenzen überschritten
Ein juristisches Gutachten von Kai-Oliver Knops, Professor für Zivil- und Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg, und Wolfgang Schirp, Berliner Rechtsanwalt, kam nun allerdings zu dem Ergebnis, dass die Negativzinsen der EZB illegal seien.
"Es gibt nicht nur ein Problem, sondern eine ganze Reihe an schwerwiegenden Einwendungen. Das beginnt dabei, wie die EZB-Ratsbeschlüsse formell zustande gekommen sind: Hätten bei so schwerwiegenden Entscheidungen nicht EU-Parlament oder -Kommission angehört werden müssen? Zudem müssen solche Rechtsakte laut Rechtsprechung formell begründet werden - wurden sie aber nicht. Hinzu kommen sogenannte materielle Einwendungen: Was darf die EU? Die Mitgliedsstaaten legitimieren die EU für ganz bestimmte Bereiche, in denen die EU tätig werden darf. Die Negativzinsen gehen aber darüber hinaus", erklärten die Juristen gegenüber der WirtschaftsWoche. Zudem handele es sich bei den Minuszinsen gar nicht um Zinsen im eigentlichen Sinne, denn es sei schließlich keine Vergütung für Kapital, auch die Bezeichnung Strafzinsen treffe es nicht. Es sei vielmehr eine Gebühr oder Steuer mit Lenkungsfunktion, für die aber keine Ermächtigung bestehe. "Es ist eine Art versteckte Steuer, der richtige Begriff wäre ‘sonstige Abgabe’", für solche Abgaben seien jedoch die Mitgliedsstaaten zuständig, nicht aber die Europäische Union und damit vor allem nicht die Europäische Zentralbank - denn diese hätten keine Steuerhoheit, erläuterten die Juristen weiter. "In Deutschland etwa bedarf es eines Gesetzes, wenn Banken gegenüber neue Abgaben eingeführt werden. Dabei müssen die Eigentumsrechte gewahrt bleiben. Wenn wir all das hätten, könnte man ganz eventuell über eine solche Abgabe nachdenken. Haben wir aber nicht", zitiert die WirtschaftsWoche Knops und Schirp.
Appell an die Banken
Auf die Frage hin, was nun getan werden könne, antworteten die Juristen: "Entscheidend wäre […], dass jetzt eine Bank oder ein Bankenfachverband den Leitzins gerichtlich überprüfen lässt". Doch neben den großen Banken sind es vor allem auch Kleinanleger und Sparer, die unter den Negativzinsen leiden, denn die Banken versuchen, die höheren Kosten an ihre Kunden weiterzugeben. Dies zerstöre die Sparanstrengungen von Normal- und Geringverdienern. "Die Bundesregierung lässt die EZB gewähren und läuft sehenden Auges in eine Situation massenhafter Altersarmut", wird kritisiert. Als Einzelsparer könne man jedoch nichts dagegen tun, so Knops und Schirp. Es müsse eine betroffene Bank sein, die gegen die Minuszinsen vorgeht.
Der mögliche Schaden in der Euro-Zone dürfte sich dem Handelsblatt zufolge auf rund 40 Milliarden Euro belaufen. "Diese Beträge könnten die Institute nun zurückfordern, weil eben keine hinreichende Rechtsgrundlage für die Erhebung gegeben ist", erklärte Knops im Gespräch mit der DW. Ob nun mit einer Klagewelle zu rechnen sei, sei jedoch ungewiss. "Zumindest hierzulande hört man, dass sich Banken nur sehr sehr ungern mit der Deutschen Bundesbank in einen Rechtsstreit begeben würden".
Auf die Frage, ob das Gutachten dennoch ein Appell an die Banken sei, reagierten die Juristen überzeugt: "Ja, selbstverständlich. Negativzinsen sind ja nicht nur politisch umstritten, sondern auch ökonomisch schädlich".
Redaktion finanzen.net
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