EZB kämpft weiter gegen hohe Inflation: Leitzins angehoben - Lagarde betont offene Haltung der EZB
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat am Nachmittag den aktuellen Leitzins-Entscheid bekannt gegeben.
Der Leitzins wird laut EZB erneut um 0,25 Prozentpunkte auf nun 4,25 Prozent angehoben. Volkswirte hatten im Vorfeld mehrheitlich mit dieser Anhebung gerechnet.
Lagarde stellte Erhöhung in Aussicht
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte für die Sitzung bereits eine weitere Erhöhung in Aussicht gestellt. "Unsere Aufgabe ist (...) noch nicht erfüllt. Sofern sich die Aussichten nicht wesentlich ändern, werden wir die Leitzinsen im Juli erneut anheben", sagte Lagarde unlängst bei einer Konferenz der Notenbank im portugiesischen Sintra.
Leitzins-Anhebungen im Kampf gegen Inflation
Nach Jahren mit Null- und Negativzinsen hat die EZB angesichts der hartnäckig hohen Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 in einer beispiellosen Serie nun neun Mal in Folge angehoben. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB besorgen können, liegt nun bei 4,25 Prozent. Höhere Zinsen verteuern Kredite. Das kann die Nachfrage bremsen und hohen Teuerungsraten entgegenwirken.
Auch der Bankeinlagensatz wurde um 25 Basispunkte auf 3,75 Prozent erhöht.
Inflation weiter deutlich über EZB-Ziel
Zum Zinsausblick hieß es in dem geldpolitischen Statement unverändert: "Der EZB-Rat wird mit seinen künftigen Entscheidungen dafür sorgen, dass die Leitzinsen der EZB auf ein Niveau gebracht werden, das ausreichend restriktiv ist, um eine rasche Rückkehr der Inflation zum mittelfristigen Ziel von 2 Prozent zu erreichen, und dass sie so lange wie nötig auf diesem Niveau gehalten werden." Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat um 5,5 Prozent, nach 6,1 Prozent im Mai.
PEPP-Programm bestätigt
Der EZB-Rat bekräftigte zudem, dass die Tilgungsbeträge fällig gewordener Anleihen, die unter dem PEPP-Programm erworben wurden, bis mindestens Ende 2024 wieder angelegt werden. Ein künftiger Abbau dieser Bestände soll so ablaufen, dass eine Störung der Geldpolitik vermieden wird. Die Wiederanlage von Tilgungsbeträgen fällig gewordener Anleihen soll, wenn nötig, flexibel erfolgen.
Erste Reaktionen von Volkswirten
Erste Reaktionen von Volkswirten fielen positiv aus. "Es ist gut, dass sich die EZB die Möglichkeit offen gelassen hat, ihre Zinsen weiter anzuheben", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Ein Einlagensatz von 3,75 Prozent stehe noch nicht für eine ausgeprägt restriktive Geldpolitik, die mit Blick auf die deutlich gestiegenen Inflationserwartungen notwendig sei. Aus Sicht von Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, ist der Job der EZB nun erstmal getan. "Ab jetzt schließt sich das Fenster für weitere Leitzinserhöhungen, denn die Inflation wird im Herbst deutlich sinken." Man müsse aber eine ganze Zeit abwarten, ob die bisherige Dosis an Zinserhöhungen ausreicht, um die Inflation auch langfristig auszutreiben. "Eine Lockerung der Geldpolitik ist daher bis weit ins nächste Jahr hinein nicht in Sicht."
Zuletzt waren Ökonomen uneins, ob der Höhepunkt beim Einlagensatz mit 3,75 Prozent erreicht sein wird oder erst bei 4,00 Prozent. Das wäre das höchste Niveau seit der Einführung des Euro 1999.
Schwächelnde Konjunktur
Andererseits muss die EZB auch aufpassen, dass sie mit ihrem rasanten Straffungskurs die ohnehin schon schwächelnde Konjunktur im Euroraum nicht vollständig abwürgt. Für die am Montag anstehenden Daten zur Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in der Euro-Zone im zweiten Quartal erwarten Experten lediglich ein kleines Wachstum von 0,2 Prozent. Zuvor war es beim BIP zwei Quartale in Folge leicht bergab gegangen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte am Dienstag die Notenbanken davor gewarnt, zu früh vom Kurs der Zinserhöhungen abzukommen. Der Kampf gegen die Teuerung sei eindeutig noch nicht gewonnen. Die Kerninflation müsse deutlicher und nachhaltiger nach unten gebracht werden. Es könne bis Ende 2024 oder Anfang 2025 dauern, bis die Inflation wieder den Zielmarken der Notenbanken entspreche.
Lagarde betont offene Haltung der EZB bei künftigen Treffen
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat die offene Haltung der Notenbank bei künftigen Treffen betont. "Die Daten werden uns sagen, ob und wie viel Boden wir noch gut machen müssen", sagte Lagarde bei der Pressekonferenz im Anschluss der Ratstagung. "Wir haben eine offene Haltung für das Treffen im September und auch für künftige Treffen. Wir könnten erhöhen und wir könnten pausieren. Und eine Pause im September wäre nicht zwangsläufig für längere Zeit." Die aktuelle Entscheidung, die Leitzinsen um 25 Basispunkte zu erhöhen, sei im Rat einstimmig gefallen, sagte Lagarde.
Eine kleine Änderung im Wortlaut im EZB-Statement deutet allerdings darauf hin, dass weitere Zinserhöhungen weniger wahrscheinlich sind. Anstatt wie im vergangenen Monat zu sagen, dass die Zinssätze auf ein ausreichend restriktives Niveau "gebracht" werden, erklärte die EZB jetzt, dass künftige Entscheidungen sicherstellen werden, dass die Leitzinsen der EZB auf einem ausreichend restriktiven Niveau "festgelegt" werden. "Mit anderen Worten: Es wird möglicherweise keine weiteren Zinserhöhungen geben", meinte Andrew Kenningham, Ökonom bei Capital Economics.
"Ich kann versichern, dass wir nicht die Zinsen senken", betonte Lagarde. Die Notenbank werde anhand von Daten von Sitzung zu Sitzung entscheiden. "Wir wollen der Inflation das Rückgrat brechen. Die Daten werden zeigen, wie viel Boden wir noch gut machen müssen."
Redaktion finanzen.net / dpa-AFX / Dow Jones Newswires / Reuters
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