Fed entscheidet über Zinswende
Fed-Chefin Janet Yellen hat die Finanzmärkte schon seit längerer Zeit auf eine Zinswende noch in diesem Jahr eingestimmt.
Seit Wochen blicken die Anleger deshalb gebannt auf den 17. September, an dem die Fed über die Geldpolitik berät und entscheidet. Doch je näher der Termin rückt, desto mehr Unsicherheit herrscht über die Entscheidung: Zinserhöhung schon jetzt oder doch später? Sollte die Fed wegen der China-Schwäche und den jüngsten Börsenturbulenzen am Donnerstag noch stillhalten, rechnen viele Experten damit, dass die Zinswende im Dezember kommen wird.
Vor einem Monat schien die Lage noch klar zu sein. Die Fed würde Mitte September die kurzfristigen Zinsen um 0,25 Prozentpunkte anheben, davon gaben sich 82 Prozent der vom Wall Street Journal befragten Ökonomen überzeugt. Dann kamen die Sorgen über die Konjunkturlage in China und in der Folge die Schwankungen an den internationalen Finanzmärkten. In Reaktion darauf schmolz der Konsens dahin, mittlerweile erwartet mit 46 Prozent nur noch knapp die Hälfte der befragten Volkswirte einen Zinsschritt nach dem zweitägigen Treffen in dieser Woche.
Auch gibt es eine merkliche Diskrepanz zwischen Ökonomen und Finanzmärkten: Während fast die Hälfte der Volkswirte mit einer Zinserhöhung rechnet, beträgt die vom Fed-Futures-Markt implizierte Wahrscheinlichkeit nur 30 Prozent. Sollte also die Fed tatsächlich an der Zinsschraube drehen, könnte die Reaktion an den Märkten recht heftig ausfallen, weil viele Marktteilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt würden.
Anhänger höherer Zinsen haben folgende Argumente für sich: Der Arbeitsmarkt befindet sich in guter Verfassung, die Arbeitslosenquote deutet schon seit einiger Zeit auf Vollbeschäftigung hin, und auch die Unterbeschäftigung ist deutlich zurückgegangen. Der private Konsum läuft ebenso gut wie der Häusermarkt. Ein Zinsregime, das die Notenbank einst zur Bekämpfung einer scheren Finanzkrise einführte, ist dem eigentlich nicht mehr angemessen. Das sehen im Prinzip auch die Mitglieder des Offenmarktausschusses (FOMC) so.
Aber auch Anhänger unveränderter Zinsen sind nicht ohne Argumente: Die Inflation in den USA ist nach wie vor sehr niedrig. Die Preisentwicklung bei Öl und anderen Rohstoffen spricht zumindest nicht dagegen, dass das noch eine Weile so bleibt. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit ging mit einem Rückgang der Partizipationsquote einher, der nicht völlig mit Bevölkerungsalterung erklärbar ist. Zudem erhöhen die von Asien ausgegangenen Finanzmarktturbulenzen die Unsicherheit für die Wachstumsaussichten.
Vor allem letzteres Argument hat es in sich. Manche Beobachter argumentieren, dass diese Turbulenzen direkt mit der Erwartung höherer US-Zinsen und den daraus resultierenden Risiken für Finanzmärkte und Wachstum in großen Schwellenländern zusammenhängen. Sollten die Aktienmarktabstürze das Einpreisen höherer US-Zinsen darstellen und die anschließende Erholung das Auspreisen, dann stünde die Fed vor einem Zirkelschlussphänomen.
Einige Ökonomen meinen deshalb, dass die Fed auf diese unschöne Perspektive - manche sehen darin den derzeit bedeutendsten Unsicherheitsfaktor für die Finanzmärkte - wie Alexander der Große reagieren und den Gordischen Knoten einfach durchhauen sollte. Wichtig wäre aus ihrer Sicht, dass die FOMC-Mitglieder in diesem Fall zugleich einen schön flachen Zinspfad prognostizieren.
Welcher Denkrichtung die FOMC-Mitglieder derzeit mehrheitlich zuneigen, ist schwer auszumachen. Fed-Chefin Yellen hat seit Juli gar nichts mehr gesagt. Von den neun übrigen Stimmberechtigten haben sich nach den Finanzmarktturbulenzen fünf geäußert, davon drei in einer Weise, die als Votum für höhere Zinsen - irgendwann in diesem Jahr - interpretiert werden könnte. Nur einer, Jeffrey Lacker, forderte eine sofortige Zinserhöhung.
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