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Interview - Das große Bild

09.02.15 10:52 Uhr

Interview - Das große Bild | finanzen.net

Wer Risiken als Chancen begreift, wird 2015 seine Freude haben

Herr Wöhrmann, das Jahr hat turbulent angefangen. Der Ölpreis fällt, der Grieche wählt, der Terror kommt, Putin bockt. Stehen Ihre Kapitalmarktprognosen für 2015 noch, oder ist es bereits Zeit für eine Überprüfung?

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Nein, wir sehen keinen Anlass, von unserem insgesamt positiven Gesamtszenario abzuweichen. Sicherlich müssen einzelne Datenpunkte wie Ölpreis oder Inflation regelmäßig überdacht werden. Doch unsere Überzeugung bleibt, dass man die weiteren Turbulenzen, welche sich in höherer Volatilität ausdrücken, am besten mit dividendenstarken Qualitätsaktien überstehen kann. Diese gilt es, mit Anleihen abseits kerneuropäischer Staatspapiere und alternativen Anlagen abzurunden.

Reden wir zunächst über Griechenland, wo gerade, Ende Januar, die Koalitionsverhandlungen laufen. Welche Sprengkraft für Europa steckt in einer womöglich von der Syriza dominierten Regierung? Kurzfristig wird die Ungewissheit über das Profil der neuen Regierung die Märkte weiter belasten. Allerdings werden nach der Wahl die Schaukämpfe zwischen Berlin, Brüssel, Frankfurt und Athen an Schärfe verlieren. Einmal in Regierungsverantwortung treten auch radikale Parteien deutlich pragmatischer und kompromissbereiter auf. Wir setzen darauf, dass die Syriza sich von ihren Forderungen nach einem drastischen Schuldenschnitt und nach exzessiver Nachfragestimulierung verabschiedet. Auch die europäischen Institutionen werden sich im Ton wieder mäßigen. Dennoch warne ich davor, leichtfertig mit Austrittsszenarien zu kokettieren. Dies ist weder für Griechenland noch für Europa eine tragfähige Lösung. Allein das Signal an die anderen Peripherieländer könnte dort dazu führen, dass Konten leergeräumt werden.

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2015 stehen weitere wichtige Wahlen an, in Spanien und England beispielsweise. Droht hier Gefahr?

Wieder gilt: Diese Wahlen tragen zur Marktnervosität bei. Und wieder gilt: Auch eine Podemos , so sie denn in die Regierung einzöge, würde Spaniens Politik nicht radikal verändern. England wiederum ist innenpolitisch weniger gespalten, aber der Wahlkampf wird, muss man leider sagen, von Europa-kritischen Tönen geprägt werden.

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Kommen wir zum Öl. Warum ist die Freude über die Kostenentlastung nicht größer?

Wir sehen als Folge des Ölpreissturzes zuallererst ein nachfragegetriebenes Konjunkturprogramm. Aufgrund der geringen Besteuerung profitieren vor allem US-Konsumenten, aber auch viele Firmen werden entlastet. Gleichzeitig steigt die Unsicherheit. Die OPEC will nur noch ihren Marktanteil aber nicht den Preis halten, der somit in Zukunft deutlich stärker schwanken dürfte. Zudem findet eine enorme Umschichtung von Ölproduzenten zu Ölverbrauchern statt, die die Staaten, die Firmen und die Märkte erst einmal verdauen müssen. Dem US-Schieferölsektor steht ein sehr hartes Jahr bevor.

Dient die nunmehr weiter gedämpfte Inflation der Fed als willkommene Ausrede, die Zinswende abzublasen?

Nein, die Zinswende in den USA wird kommen, wenn nicht im dritten Quartal, dann später. Allein aufgrund des sich erholenden Arbeits- und sich stabilisierenden Häusermarkts. Aber die Zentralbanken haben ganz klar an Spielraum gewonnen.

Und der EZB fällt es damit leichter, die geldpolitische Lockerung mittels QE auf ein neues Niveau zu heben - zum Missfallen des deutschen Sparers. Können Sie diesem den Sinn und Zweck von QE kurz erläutern?

Allein der vermeintliche Erfolg von QE in den USA und England setzt die EZB unter Druck, nach Ausschöpfung aller anderen Möglichkeiten diese Maßnahme zu ergreifen. Über die Auswirkungen auf die Realwirtschaft lässt sich streiten, doch Europas Aktien profitieren dann weiter von den niedrigen Zinsen und dem schwachen Euro. Der deutsche Sparer wäre gut beraten, seine Aktienquote in diesem Umfeld zu erhöhen.

Die bisher genannten Themen und ihre Auswirkungen auf Kapitalmärkte sind in den Worten von Ex-US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld "known Unknowns". Wie sieht es 2015 mit den "unknown Unknowns" aus?

Diese sind stets die stärksten Treiber der Marktvolatilität. Sie werden 2015 nicht ausbleiben. Geopolitische Risiken, Cyberattacken, Epidemien können drohen. Oder auch überraschendes Zentralbankverhalten, wie die Schweizer Nationalbank am 15. Januar eindrucksvoll zeigte. Aber jetzt reden wir ja schon wieder über " known Unknowns ". Die "unknown Unknowns" zeichnen sich ja gerade durch ihre absolute Unvorhersehbarkeit aus. Zwar müssen sie nicht immer negativ sein - beim Ölpreissturz etwa überwiegen unseres Erachtens die positiven Folgen. Doch die schwarzen Schwäne fliegen schon deutlich tiefer. Sicherlich werden wir 2015 mehrere von ihnen sehen.

Deutsche Asset & Wealth Management

Mit 923 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen (Stand 31. Dezember 2013) ist Deutsche Asset & Wealth Management¹ einer der führenden Vermögensverwalter weltweit. Deutsche Asset & Wealth Management bietet Privatanlegern und Institutionen weltweit eine breite Palette an traditionellen und alternativen Investmentlösungen über alle Anlageklassen. Deutsche Asset & Wealth Management steht zudem für maßgeschneiderte Wealth Management-Lösungen und eine ganzheitliche Betreuung wohlhabender Privatanleger und Family Offices.

¹ Deutsche Asset & Wealth Management ist der Markenname für den Asset-Management- und Wealth-Management-Geschäftsbereich der Deutsche Bank AG und ihrer Tochtergesellschaften. Die jeweils verantwortlichen rechtlichen Einheiten, die Kunden Produkte oder Dienstleistungen der Deutsche Asset & Wealth Management anbieten, werden in den entsprechenden Verträgen, Verkaufsunterlagen oder sonstigen Produktinformationen benannt.

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