Schlechte Stimmung = steigende Kurse?
Der Aktienmarkt befindet sich spätestens seit dem Jahreswechsel in einem "Bärenmarkt". Dabei tendieren die Notierungen über Monate nach unten. Vor allem jüngere Anleger, die nach der Finanzkrise an den Markt gekommen sind, kennen einen solchen Abschnitt noch nicht.
So galt bislang immer die Devise "bei Rücksetzern kaufen (buy the dip)". Nach dem Bekenntnis der Europäischen Zentralbank, die am vergang¬enen Donnerstag die Zinsen um einen bislang noch nie dagewesenen Wert von 75 Basispunkten angehoben hat, zeigen die Notierungen an den Aktienmärkten nach oben. Kommt damit die Trendwende?
Saisonal noch negativ!
Aus Sicht des saisonalen Verlaufs ist für den aktuellen Börsenmonat September mit weiteren Rückschlägen zu rechnen. Mit dem jüngsten Rückgang zeigt die Stimmung der Marktteilnehmer klaren Pessimismus an. Auch aus charttechnischer Sicht sollte daher eine kleine Gegenreaktion nach oben nicht überraschen. Damit stellt sich die Frage, wie wird die Wirtschaftsleistung in den kommenden Monaten verlaufen. Die hohen Kosten für Energie lassen darauf schließen, dass neben betrieblichen auch Privatinsolvenzen zunehmen dürften. Der Ausblick für die konjunkturelle Entwicklung hier¬zu¬lande ist daher deutlich eingetrübt. Die Inflation wird von den Notenbanken mit steigenden Zinsen bekämpft, was die wirtschaftliche Entwicklung weiter einbremst. Nach den Worten des US-Notenbankchefs Jerome Powell, hat die Bekämpfung der Inflation aktuell oberste Priorität. Dies notfalls auch auf Kosten der Wirtschaftsleistung, womit eine Rezession in den kommenden Monaten nicht überraschen sollte.
Vereint gegen die steigenden Preise?
Die Europäische Zentralbank hat in der vergangenen Woche zugegeben, den Verlauf der Inflation falsch eingeschätzt zu haben. Umso deutlicher möchte man diese nun bekämpfen. Allerdings könnte das vereinte Europa in Kürze Risse bekommen. So wählt Italien am 25. September ein neues Parlament. Bereits in Vorfeld zeichnet sich ab, dass die rechtsextreme Partei "Fratelli d’Italia" klar vorne liegt. Deren Parteichefin machte am Wochenende klar, dass Italien damit anfangen wird, seine nationalen Interessen zu verteidigen. Sollte es eine rechtsradikale Koalition auf die Regierungsbank schaffen, dürfte dies vor allem dem Euro einen erneuten Dämpfer verpassen! Die Gegenreaktion am Aktienmarkt könnte damit als erneute Bärenmarktrally enttarnt werden!
Stephan Feuerstein ist Chefredakteur des Börsenbriefes Hebelzertifikate-Trader. Bereits seit Anfang der 90er Jahre beschäftigt er sich mit dem Thema Börse, speziell der Technischen Analyse. Infos: www.hebelzertifikate-trader.de Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.