Exotische Investments

Verlierer-Strategie: Warum Anleger in die Crash-Börsen investieren sollten

aktualisiert 18.01.13 21:49 Uhr

Das ist mutig! Antizyklische Anleger setzen auf die im Vorjahr weltweit am stärksten abgestürzten Märkte Zypern, Ukraine, Kasachstan und Marokko.

von Emmeran Eder, Euro am Sonntag

Von vielen wurden sie für verrückt gehalten: Investoren, die vor einem Jahr an der Athener Börse kauften. Doch die Rechnung ist aufgegangen: Der Leitindex Athex Composite Share legte 2012 um fast 34 Prozent zu und erzielte damit unter allen Aktienindizes weltweit die zehntbeste Kursentwicklung.

Der Kursgewinn war auch kein Harakiri, sondern eine Strategie, die clevere Investoren schon lange verfolgen. Sie steigen am Jahresanfang in die Märkte ein, die im abgelaufenen Jahr am stärksten ausgebombt wurden. Das erfordert viel Mut und Risikobereitschaft, zahlt sich häufig aber aus. Auch Ägypten und Österreich gehörten 2011 zu den schwächsten Börsen weltweit und zählten 2012 mit plus 41 Prozent und 25 Prozent zu den Spitzenmärkten.

Das ist ein Phänomen, das sich in der Börsengeschichte schon oft wiederholt hat. Die Verlierermärkte des Vorjahres gehören im Folgejahr zu den Renditespitzenreitern. Nervenstarke Anleger, die sich in der Asien-Krise 1997, nach dem Platzen der Techbubble 2002 oder in der Finanzkrise 2009 Crashindizes ins Depot legten, konnten sich später über riesige Kursgewinne freuen — teilweise sogar dreistellige.

Manchmal läuft es aber auch anders. Wer Anfang 2008 das Performance-Schlusslicht von 2007, den irischen Aktienindex, kaufte, sitzt immer noch auf hohen Verlusten. Auch im Vorjahr ging die Strategie nur teilweise auf. In Griechenland, Ägypten und Österreich funktionier- te es, die Ukraine und Zypern sackten dagegen noch weiter ab und gehörten 2012 genauso wie 2011 zu den fünf schwächsten Börsen weltweit.

Dass gleich zwei der Letztplatzierten im Folgejahr noch einmal stark fallen, ist aber die Ausnahme und nicht die Regel. Es zeigt jedoch, wie wichtig es ist, dass Investoren auf mehrere Verlierer streuen. Ein noch weiter nachgebender Markt kann auf diese Weise durch die hohen Zuwächse der Comebackbörsen leicht kompensiert werden. „Außerdem sollten Anleger dazu bereit sein, diese antizyklische Strategie mehrere Jahre durchzuhalten. Das Geheimnis hoher Gewinne ist nämlich, dort zu investieren, wo andere sich nicht trauen. Neben Mut und Nerven aus Stahl gehört dazu auch Durchhaltevermögen“, sagt Gerd Bennewirtz, Geschäftsführer beim Fondsanbieter SJB Fonds Skyline.

Beim Renditeschlusslicht Zypern, dessen Leitindex CSE 2012 um 61 Prozent abstürzte, ist wohl schon bald Besserung in Sicht. Seit Jahresbeginn steigen jedenfalls die Aktien in Nikosia. Auch die Kurse zypriotischer Staatsanleihen haben seit Dezember kräftig zugelegt.

Der Markt geht davon aus, dass die in Schieflage geratenen Banken des Inselstaats entweder Finanzhilfen aus dem europäischen Rettungsfonds ESM oder aus Russland erhalten. Zur Rekapitalisierung der kurz vor der Pleite stehenden Institute sind zehn Milliarden Euro nötig. Die Banken haben Probleme, da sie stark in Griechenland engagiert sind und dort viel Geld abschreiben mussten. Zudem braucht Zypern noch gut sechs Milliarden Euro zur Bedienung von Altschulden.

Russen und EU zieren sich noch
Gegenwärtig stocken die Verhandlungen zwischen der EU und der Mittelmeerinsel. Das liegt vor allem daran, dass Zypern als Geldwäscheanlage für russische Oligarchen gilt. Die werden von den niedrigen Unternehmenssteuern angelockt. Das Kapital soll über in Zypern registrierte Kapitalgesellschaften getarnt als Direktinvestitionen zurück nach Russland fließen. Dafür spricht, dass der Ministaat größter ausländischer Direktinvestor in Russland ist. Das ist vor allem deutschen Politikern ein Dorn im Auge, die fordern, dass der Sumpf trockengelegt werden müsse, bevor EU-Hilfen bewilligt werden dürfen.

Auch die Russen, die vor einem Jahr Zypern 2,5 Milliarden Euro Kredit gewährten, zieren sich bisher, erneut einzuspringen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass weder sie noch die EU nicht zahlen werden. Die Ukraine hat zwar auch eine hohe Auslandsverschuldung, eine Staatspleite droht aber vorerst nicht. Verantwortlich für das Minus von 36 Prozent in Euro der Kiewer Börse 2012 sind politische Unsicherheiten. Die EU fordert die Entlassung der Oppositionsführerin Julia Timoschenko aus der Haft, bevor sie das Freihandelsabkommen mit dem Land unterzeichnet. Das würde der Ukraine neue Märkte öffnen. Dies und die hohe Korruption ließ ausländische Anleger ihr Geld abziehen. Zumal Staatspräsident Viktor Janu­kowitsch sich auch nicht dazu durchringen kann, enger mit Russland zu kooperieren, um von dort billigeres Gas zu erhalten. Die hohen Zahlungen für Gaslieferungen belasten den Staatshaushalt schwer. „Das Land hat sich zwischen alle Stühle gesetzt“, kritisiert Gebhard Stadler, Länderanalyst der BayernLB.

„Die politischen Unwägbarkeiten haben dazu geführt, dass ukrainische Aktien die billigsten in Osteuropa sind“, stößt Andreas Männicke, Herausgeber des Börsenbriefs East Stock Trends, ins selbe Horn. Er rät zum Aufbau erster Positionen.

Optimistisch ist er auch mit Blick auf Kasachstan, dessen Leitindex KASE 2012 um 16 Prozent abstürzte. Ursache war vor allem, dass der wichtigste Handelspartner, China, weniger Öl, Gas, Kupfer und Uran nachfragte — die wichtigsten Exportprodukte des extrem rohstoffabhängigen Landes. Von der absehbaren Erholung der chinesischen Wirtschaft dürften Kasachstans Rohstofffirmen und deren Aktien profitieren, die zudem als günstig gelten.

Im Gegensatz zu den Aktien in Marokko, die traditionell zu den teuersten Afrikas zählen. Das war auch einer der Hauptgründe, warum im Vorjahr die Börse in Casablanca 16 Prozent in Euro verlor. Afrika-Fondsmanager hatten 2011 im Zuge des Arabischen Frühlings aus den unruhigen Revolutionsländern Ägypten und Tunesien ins stabilere Marokko umgeschichtet. Mit der Beruhigung der Lage floss das Kapital 2012 wieder zurück, worunter marokkanische Titel litten. Zudem sind Anleger auch enttäuscht von den groß angekündigten Reformen des Königs, die sich als Reförmchen entpuppten.

Der Maghreb-Staat könnte 2013 davon profitieren, dass die Umwandlung Ägyptens in einen Gottesstaat ausländische Anleger in Kairo verschreckt. Zudem haussierten Nigerias und Kenias Aktien und sind hoch bewertet. Das dürfte zu Umschichtungen innerhalb Afrikas führen. Gilt doch dort noch mehr als an anderen Börsen: What goes up, must come down — und umgekehrt.

Investor-Info

Zypern
Banken im Paket
Zehn der Topfirmen Zyperns sind im Zypern-Blue-Chips-Zertifikat der RBS enthalten. Vorwiegend handelt es sich dabei um Banken. RBS stellt nur noch Verkaufskurse, bietet die Zertifikate jedoch nicht mehr an. Anleger können über die Börse aber noch Stücke erwerben. Wegen geringer Liquidität sollte das streng limitiert erfolgen. Die Dividenden werden reinvestiert, die Jahresgebühr liegt bei 1,0 Prozent.

Open-End Zertifikat auf DJ Cyprus 10 Titans TR
ISIN: DE000AA0ZYP2

Ukraine
Eine politische Wette
Auf den in Wien berechneten Ukranian-Traded-Index offeriert die HypoVereinsbank ein Zertifikat. Das Barometer besteht aus neun Unternehmen aus mehreren Sektoren. Motor Sich (Flugzeugmotoren­hersteller), Centrenergo (Versorger) und Ukrnafta (Öl und Gas) dominieren den Index. Anleger erhalten keine Dividenden, der Spread beträgt fast vier Prozent. Der Markt ist sehr illiquide.

Open-End-Zertifikat auf UTX
ISIN: DE000HV5S8C9

Kasachstan
Reiner Rohstoffplay
Eine Bank und fünf Rohstofffirmen sind im Kasach­stan-Total-Return-Zertifikat der RBS vertreten. Die Unternehmen fördern Kupfer, Uran, Öl und Gas. Kasachische Banken hatten in den vergangenen Jahren Probleme mit faulen Krediten. Die Anteile der Firmen im Zertifikat unterscheiden sich nur wenig. Die Jahresgebühr beträgt 0,75 Prozent, dafür erhalten Investoren Dividenden in Höhe von gut drei Prozent.

Open-End Zertifikat auf RBS Kasachstan TR
ISIN: NL00008065869

Marokko
Stabilitätsanker in Nordafrika
Die 25 Topwerte des marokkanischen Leitindex CFG 25 erwerben Anleger mit einem RBS-Zertifikat. Die Dividenden in Höhe von vier Prozent entgehen ihnen. Der Index ist breit gestreut, Banken dominieren jedoch. Die für das Land wichtigen Bereiche Tourismus und Phosphatindustrie sind mangels gelisteter Unternehmen nur schwach vertreten.

Open-End Zertifikat auf CFG 25
ISIN: NL0000716439