Blue-Chips oder Meme-Aktien - Solide oder Hype?
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Deutsche Aktien stehen international wieder hoch im Kurs. Das sind auch die Aktien von windeln.de oder Adler Modemärkte. Doch im Gegensatz zu den Blue Chips sind diese Aktien reine Spekulationsobjekte.
Eigentlich könnten Investoren die Bücher bereits nach gut fünf Monaten wieder schließen. Seit Jahresbeginn kletterte der DAX um rund 14 Prozent und damit wesentlich kräftiger als in einem durchschnittlichen Börsenjahr mit rund acht Prozent. Doch abgerechnet wird bekanntlich zum Schluss. Optimisten hoffen auf eine ähnlich beeindruckende Bilanz wie zuletzt 2019, als Ende Dezember ein Plus von 25 Prozent aufleuchtete.
Zweifellos spielen die jüngsten Öffnungsperspektiven dem DAX in die Karten. Im Index sind überdurchschnittlich viele Titel enthalten, deren Geschäft stark vom Export abhängt und somit zyklisch ausgerichtet ist. So können internationale Strategen die Erholung der Weltkonjunktur, besonders in China, sehr gut über den DAX abbilden.
Mutig in Meme-Aktien
Doch es sind nicht nur die Standard-Aktien, die hierzulande für Furore sorgen. Immer neue sogenannte Meme-Aktien werden von Anlegern entdeckt. Das sind Titel von Firmen, die häufig operativ in Schwierigkeiten stecken oder gar vor der Insolvenz stehen und deshalb gerne leerverkauft werden. Angefangen hat alles mit Aktien wie GameStop und AMC, die in Foren wie WallStreetBets gehypt wurden. Inzwischen hat die Community auch ganz andere Aktien im Visier, zum Beispiel die Fastfoodkette Wendys oder Blackberry, einer der Handy-Pioniere. Kurssprünge von 20 Prozent oder mehr an einem Tag sind bei diesen Titeln keine Seltenheit.
Auch hierzulande ließen sich Anleger nicht lange bitten und pushten über das deutsche Reddit-Board Aktien wie etwa Adler Modemärkte oder Windeln.de, die derzeit Achterbahn fahren. In der Vorwoche war die Aktie von Windeln.de innerhalb weniger Tage um mehr als 300 Prozent gestiegen. Nur einen Tag später stürzte der Titel von der Spitze aus um über 70 Prozent ab. Die Aktie bietet also Chancen nach oben und unten, wobei Anleger nur auf steigende Kurse durch einen Aktienkauf setzen können. Short-Papiere, um auf fallende Kurse zu setzen, gibt es derzeit nicht. Zertifikate-Emittenten haben ohnehin kaum Papiere auf solche Werte im Angebot. Eine Ausnahme ist Morgan Stanley, die allgemein ein sehr breites Produktangebot haben und wenigsten auf den Meme-Titel Blackberry unterschiedliche Papiere anbieten. Durch die Kursrally sind die Hebel der Turbos inzwischen deutlich gesunken. Das Papier mit der WKN MA3JEV ist moderat mit dem 1,4fachen gehebelt.
Solide Blue-Chips, die liefern
Ganz anders dagegen die Blue Chips. "Fundamental gesehen haben die Firmen in der abgelaufenen Berichtssaison geliefert. Mit Ausnahme von Bayer, Deutsche Börse, Fresenius, Fresenius Medical Care, MTU und RWE präsentierten alle Zuwächse beim operativen Gewinn", erklärt erklärt Carlo Alberto de Casa, Chefanalyst beim britischen Broker ActivTrades. Gut die Hälfte der 30 Firmen punktete mit besser als erwarteten Ergebnissen. "Maßgeblich ist aber der Blick in die Zukunft. Auch hier dominiert Zuversicht, nachdem 13 DAX-Konzerne ihre Prognose auf das Gesamtjahr nach oben revidierten", ergänzt de Casa.
Wer schon länger an der Börse aktiv ist, weiß allerdings auch, dass in den Kursen die Zukunft in sechs bis neun Monaten eingepreist wird. Während die Ergebnisse für das erste Quartal überzeugten und Analysten ihre Gewinnprognosen nach oben revidierten, sind auch die Kurse gestiegen. Populäre Bewertungskennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) sind daher kaum gesunken. Aktuell ist der DAX mit einem Faktor von 14 gut bezahlt, zumindest im Vergleich zum Zehn-Jahres-Durchschnitt von 12,5. Und auch für Dividendenjäger sind die Zeiten eher dürftig, die Verzinsung von weniger als zwei Prozent liegt deutlich unter dem Zehn-Jahres-Schnitt.
Viel Positives an der Börse eingepreist
Platz für Enttäuschungen ist somit nicht vorhanden. Sollte die Weltwirtschaft anders als erwartet im zweiten Halbjahr nicht an Schwung zulegen oder die Lieferengpässe - Stichwort Chipmangel - noch stärker durchschlagen, wäre dies für den DAX ein ungünstiges Umfeld. Auch die Inflation sowie mögliche Ankündigungen der Notenbanken, die Anleihekäufe zu reduzieren, sollten Anleger im Blick behalten.
Investoren sind daher gut beraten, sich von der eher kraftlos wirkenden Rekordjagd nicht blenden zu lassen. Die ersten fünf Monate liefen ungewöhnlich gut, nun gilt es ausreichend Cash in der Hinterhand zu halten, um bei einer Korrektur zu tieferen Preisen wieder einsteigen zu können. Denn langfristig passt das Bild dank negativer Realzinsen, lockerer Geldpolitik und Wirtschaftswachstum.
Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.
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