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Im Gas-Notfall: EU-Kommission will Sparzwang für Gas

20.07.22 17:28 Uhr

Im Gas-Notfall: EU-Kommission will Sparzwang für Gas | finanzen.net

Im Fall eines Gasnotstands sollen EU-Staaten nach dem Willen der Europäischen Kommission zum Gassparen gezwungen werden können.

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Die Europäische Union wappnet sich für eine mögliche Gaskrise. "Wir müssen uns auf eine vollständige Unterbrechung der russischen Gasversorgung vorbereiten", sagte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Sie präsentierte am Mittwoch einen Notfallplan aus dem hervorgeht, dass Staaten im Zweifel zum Gassparen gezwungen werden sollen. Sollte er in Kraft treten, hätte das wohl spürbare Auswirkungen.

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Konsequenzen für Verbraucher:

Im Gesetzesvorschlag heißt es, den EU-Staaten stehe es frei, geeignete Maßnahmen selbst zu wählen. Wie genau auf Verbraucherseite gespart wird, ist also nicht vorgegeben. Dass auch Bürgerinnen und Bürger Gas sparen müssen, ist aber sehr wahrscheinlich. Denn die Einsparziele sind hoch. Auf zunächst freiwilliger Basis soll der Gasverbrauch in den EU-Ländern um 15 Prozent sinken. Im Verordnungsentwurf wird aber betont, dass sogenannte geschützte Kunden "ununterbrochen" versorgt werden sollen.

Generell gibt es für den Fall einer Gasnotlage bereits einheitliche Regeln in der EU, die in der sogenannten SoS-Verordnung verankert sind. Diese regelt etwa, welche Kunden in einem Ernstfall noch mit Gas versorgt werden sollen: Haushalte und essenzielle soziale Dienste werden als geschützte Verbraucher besonders behandelt. Sie genießen eine besondere Stellung und ihnen kann von den Mitgliedsländern Vorrang eingeräumt werden.

In einem Punkt kommen aber vermutlich auch weniger Auswirkungen auf die Menschen im Land zu als zunächst angedacht. In einem früheren Entwurf war vorgesehen, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude bis maximal 19 Grad beheizt und mit Klimaanlagen auf nicht weniger als 25 Grad heruntergekühlt werden sollen. Dies findet sich in den am Mittwoch präsentierten Vorschlägen nicht mehr.

Konsequenzen für Unternehmen:

Der Entwurf der Kommission, dem die EU-Staaten noch zustimmen müssen, sieht unter anderem vor, dass Unternehmen auf andere Energieträger umsteigen sollen. Dafür könnten Firmen finanzielle Anreize erhalten. Wenn die Versorgungslage sehr kritisch wird, könnten bestimmten Wirtschaftszweigen der Gashahn abgedreht werden. Der Gesetzesvorschlag sieht aber vor, dass bestimmte Bereiche geschützt werden sollen. Bei Sparmaßnahmen soll etwa darauf geachtet werden, ob diese Auswirkungen auf Versorgungs- und Lieferketten hätten oder langfristige Schäden an Industrieanlagen anrichten könnten.

Der Deutsche Industrie und Handelskammertag (DIHK) begrüßte den Plan grundsätzlich. "Die EU-Kommission ist mit ihrem Gasplan auf dem richtigen Weg: Nur durch schnelle und pragmatische Gaseinsparungen kommen wir durch den nächsten Winter", sagte Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer. Er fordert von der Bundesregierung finanzielle Anreize und, dass der Wechsel von Gas auf andere Energieträger bürokratisch vereinfacht wird.

Nach geltenden EU-Regeln müsste die deutsche Industrie theoretisch Gas an Haushalte eines Nachbarlands wie Österreich abgeben, falls das Land sich nicht anders versorgen kann und auch Deutschland keine weiteren Vorräte hat. Umgekehrt würden deutsche Haushalte über die Industrie von Nachbarländern versorgt, wenn es zum Äußersten käme. Dies wäre der allerletzte Ausweg und würde wohl nur eintreten, wenn Gas in mehreren Ländern gleichzeitig knapp wird. Die genauen Modalitäten müssten noch ausgearbeitet werden.

Konsequenzen für EU-Länder:

Sie müssen Maßnahmen entwickeln, wie Gas gespart werden kann. Wenn der Vorschlag in seiner jetzigen Form Realität wird, sind sie im Zweifel auch dazu verpflichtet. Weigert sich dann ein EU-Staat, kann er von der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt werden. Dies kann dazu führen, dass Strafen fällig werden.

Schon jetzt gibt es Mitgliedsstaaten, die sich nicht an die bereits geltenden EU-Regeln halten wollen. So hat Ungarn vergangene Woche einen Notstand ausgerufen und angekündigt, dass es ab August kein Gas und andere Energieträger mehr an andere EU-Länder liefern will. Die EU-Kommission untersucht diesen Schritt gerade.

Für Deutschland begrüßte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) das Vorhaben der EU-Kommission. "Wir müssen daher gemeinsam unsere Vorsorge stärken", teilte er mit. Ein entscheidender Hebel sei es, den Gasverbrauch zu reduzieren. "Daran müssen wir alle mit ganzer Kraft arbeiten."

EU-Kommission: Gassparen kann drohenden BIP-Verlust abfedern

Vorsorgliches Gassparen kann nach Einschätzung der EU-Kommission die Folgen eines möglichen Lieferstopps durch Russland abfedern. "Wir können potenzielle Verluste des Bruttoinlandsprodukts reduzieren, wenn wir jetzt präventive Kürzungen vornehmen", sagte Vizepräsident Frans Timmermans am Mittwoch zur Vorstellung von Planungen für einen Gasnotstand. Deswegen rufe man die Mitgliedstaaten auf, freiwillige Kürzungen vorzunehmen.

Timmermans betonte, dass sich auch Bürgerinnen und Bürger an den Anstrengungen beteiligen können. "Müssen wir die Klimaanlage auf 20 Grad einstellen?" Sie ein bisschen höher einzustellen, bedeute zwar möglicherweise geringeren Komfort. Gleichzeitig könnte es aber beitragen, den Gasverbrauch erheblich zu verringern. "Wenn wir jetzt handeln, können wir entscheiden, wie wir handeln und unser Schicksal in den eigenen Händen behalten", sagte Timmermans.

Dem russischen Präsidenten Wladimir Putin warf der Niederländer vor, einzelne Länder durch das Abdrehen des Gashahns anzugreifen, um Europa insgesamt zu schwächen. Wichtig sei deswegen eine starke europäische Antwort. Unilaterale Maßnahmen schüfen gravierende Verzerrungen auf dem Binnenmarkten, seien ineffektiv und könnten die Energiesicherheit der gesamten EU gefährden, warnte Timmermans.

BRÜSSEL (dpa-AFX)

Bildquellen: Robert Neumann/123RF, YAKOBCHUK V / shutterstock.com

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