Gaskrise: Was der Gas-Notstand bedeutet - was Verbraucher jetzt tun sollten
Der Ukraine-Krieg wirbelt den Gasmarkt ordentlich durcheinander. Die Bundesregierung hat die Alarmstufe ausgerufen. Was das für Verbraucher bedeutet.
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von Simone Gröneweg, Euro am Sonntag
Der nächste Winter wird anders. Statt an kalten Abenden einfach die Heizung aufzureißen, wird man vermutlich mit Argusaugen den Thermostat überwachen. Jedes Grad mehr in der Wohnung verursacht ein schlechtes Gewissen - zumindest bei denen, die mit Gas heizen. Die Botschaft der Politik lautet unmissverständlich: Gas ist knapp. Bundeswirtschaftsministerium und Bundesnetzagentur haben einen dreistufigen Notfallplan entwickelt, um auf die Verknappung zu reagieren. Nun ist die Alarmstufe - die zweite Stufe dieses Plans - ausgerufen worden. Das bedeutet: Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet, aber die Lage angespannt.
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Jetzt kann die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört etwa das Hochfahren von Kohlekraftwerken, um Strom zu produzieren. Das Ausrufen der Alarmstufe ist auch Voraussetzung dafür, dass die Preisanpassungsklausel aktiviert werden kann.
Zum Verständnis: Einige Versorger zahlen derzeit mehr Geld fürs Gas, als sie von den Kunden dafür kriegen. Auf Dauer kann das nicht funktionieren, es drohen Insolvenzen. Wird die Anpassungsklausel aktiviert, dürfen Gaslieferanten ihre Verträge quasi direkt anpassen und die Preise für Kunden selbst dann erhöhen, wenn im Vertrag niedrige Tarife für einen längeren Zeitraum festgelegt sind. Zuvor muss die Bundesnetzagentur allerdings eine "erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland" festgestellt haben. Das ist noch nicht geschehen.
Wie teuer wird Gas?
Die aktuelle Versorgungslage werde auch schon so für höhere Preise sorgen und für viele Verbraucher eine große Last werden, betont Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Experten rechnen mit einer Verdopplung bis zu einer Verdreifachung. Die Grafik rechts zeigt, wie der Gaspreis je Megawattstunde an der Handelsbörse (TTF) schon gestiegen ist. Das Vergleichsportal Check24 rechnet vor, dass ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) im Juni 2022 durchschnittlich 2752 Euro im Jahr für Gas zahlen müsste. Im Juni 2021 waren es noch deutlich weniger, nämlich 1290 Euro.
Mit Nachzahlungen rechnen
Die hohen Preise würden erst mit Verzögerung vollumfänglich bei privaten Gaskunden ankommen, warnt Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24. "Denn wenn die bereits vor der Krise beschafften Energiemengen der Energieversorger verbraucht sind, werden sie noch mehr zu den aktuell teuren Börsenpreisen einkaufen müssen", sagt er. Wer mit Gas heizt, sollte kontrollieren, was er verbraucht und wie viel er dafür zahlt. "Unbedingt Geld zurücklegen, damit man etwas hat, wenn Nachzahlungen anstehen", rät Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Wer den zwei- bis dreifachen Betrag seiner bisherigen Zahlungen auf der hohen Kante hat, ist zumindest gewappnet.
Lohnt sich ein Anbieterwechsel?
Möchte jemand den Anbieter wechseln, um bessere Konditionen zu erhalten, wird es schwierig. Schließlich ist die komplette Branche von den Preiserhöhungen betroffen. Besonders hart trifft die Krise allerdings Anbieter, die auf russisches Gas gesetzt haben. Sie müssen Alternativen finden, die teurer sein dürften. Manche Versorger nehmen schon seit einiger Zeit keine Neukunden mehr. Oft liegen die Tarife für Neukunden über den alten Bestandspreisen. "Das ist ein sehr dynamisches Geschehen", meint ein Sprecher des Vergleichsportals Verivox. Vereinzelt würden Anbieter noch mit etwas günstigeren Konditionen auffallen.
Hat der bisherige Anbieter die Preise kräftig erhöht, sollte man sich nach Alternativen umschauen. Bei Ankündigung einer Preiserhöhung gibt es auch ein Sonderkündigungsrecht.
Was ist beim Wechsel zu beachten?
Da man nicht davon ausgehen kann, dass die Preise demnächst sinken, lohnt sich eher ein Laufzeitvertrag mit einer Preisbindung. Wechselwillige sollten unbedingt einen Blick in das Kleingedruckte des neuen Vertrags werfen. Unter Umständen wirbt ein Versorger mit günstigeren Konditionen, erhöht aber nach kurzer Zeit die Preise.
Zudem sollte man sich den Anbieter genauer anschauen: Wie lange ist er schon am Markt? Gehört er zu den größeren Versorgern? "Falls es zu einer Insolvenz kommt, werden die Kunden vom Grundversorger vor Ort beliefert", erklärt ein Sprecher von Verivox. Grundversorger ist derjenige Anbieter, der in einer Region die meisten Kunden beliefert. In vielen Gegenden machen das die örtlichen Stadtwerke.
Dreht man uns das Gas ab?
Wenn es kritisch wird und Stufe 3 des Notfallplans eintritt, regelt die Bundesnetzagentur die Verteilung. Wichtig zu wissen: Privathaushalte gehören zu den geschützten Kunden, die weiter versorgt werden sollen. Das gilt auch für soziale Einrichtungen, Krankenhäuser und Gaskraftwerke.
Lohnt sich ein Heizungstausch?
In Deutschland dominieren bislang Gasheizungen. "Es gibt etwa 21 Millionen Wärmeerzeuger, davon 14 Millionen gasbasierte Heizungen", sagt der Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie. 53 Prozent aller Heizungen sind veraltet, also im Schnitt mindestens 17 Jahre alt oder älter. Wer seine alte Heizung gegen eine moderne Anlage eintauscht, kann bis zu 30 Prozent Energie einsparen.
Das Problem: Möchte jemand nun umrüsten, braucht er viel Geld, starke Nerven und vor allem Zeit. Die Handwerksbetriebe schieben etliche Aufträge vor sich her. Die Wartezeiten sollen im Schnitt bei vier Monaten liegen. Hinzu kommt: "Man kann nicht sagen, dieses oder jenes Heizungssystem macht für alle Sinn", erklärt der Sprecher des Heizungsindustrieverbands. Das sei zu pauschal. Deutschland verfügt über einen heterogenen Gebäudebestand mit vielen älteren Gebäuden. Dort eine Wärmepumpe einzubauen, kann unter Umständen schwierig sein. Am besten informiert man sich bei einem Energieberater, Schornsteinfeger oder Heizungsbauer über individuelle Lösungen.
Heizung effizient nutzen
Bei älteren Heizungen kann sich ein sogenannter hydraulischer Abgleich lohnen. Der Heizungsfachmann sorgt damit dafür, dass die Heizkörper stets mit der richtigen Menge Heizwasser versorgt und das Effizienzpotenzial voll ausgeschöpft wird. Auch durch gezieltes Dämmen lässt sich ordentlich Energie einsparen. Am besten zieht man dafür einen Experten zurate, der sich das Gebäude genau ansieht und nach Schwachstellen sucht. "In älteren Häusern lohnt es sich etwa, die Heizungsrohre oder die Rollladenkästen zu dämmen", sagt Energieexperte Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
Besser intelligenter heizen
Generell sollten alle im kommenden Winter einen schon oft erteilten Rat beherzigen: Nur kurz und kräftig lüften. Natürlich sollte man auch unbedingt sparen, indem man die Heiztemperatur in den eigenen vier Wänden drosselt, sagt Loch. Er warnt aber, dass es eine untere Grenze gebe: "Die liegt bei 16 Grad Celsius. Das ist auf Dauer zu kühl und damit droht Schimmelbildung." Davon seien insbesondere Außenwände betroffen.
Ansonsten lohnt es sich, das Heizen an die eigenen Gewohnheiten anzupassen. Dabei helfen digitale Thermostate. Mit ihnen kann man das Heizen besser steuern und rechtzeitig die Heizung runterdrehen, um zum Beispiel am Abend nur noch die Restwärme zu nutzen.
Schon jetzt sparen
Ein Teil des Stroms wird durch Gas erzeugt. Darum hilft Stromsparen ebenfalls. So sollte man die Wäsche derzeit lieber auf der Terrasse oder auf dem Balkon trocknen lassen, wenn das möglich ist. "Der Wäschetrockner braucht mehr Strom als die Waschmaschine", erklärt Loch. Ein weiterer Ansatz: Sparköpfe für die Dusche anschaffen. Das klingt erst einmal recht banal, ist aber durchaus sinnvoll in diesen besonderen Zeiten.
DIE DREI STUFEN DES NOTFALLPLANS GAS:
Frühwarnstufe: Es gibt Hinweise auf eine erhebliche Verschlechterung der Versorgungslage. Versorger und Betreiber von Gasleitungen schätzen in dieser Phase regelmäßig die Lage für die Bundesregierung ein.
Alarmstufe: Die Versorgung mit Gas ist gesichert, aber gestört oder die Nachfrage sehr stark. Die Bundesnetzagentur kann die Preisanpassungsklausel aktivieren. Kohlekraftwerke können wieder ans Netz.
Notfallstufe: Die Versorgung reicht
nicht, um die allgemeine Nachfrage zu
decken. Der Staat greift ein und stellt sicher,
dass vor allem Privathaushalte, Krankenhäuser,
Feuerwehren und Polizei versorgt werden.
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