Gold – fliegt der Deckel?
Gerüchte über größere Goldkäufe seitens chinesischer Staatsfonds beflügeln den Goldpreis in den letzten Tagen. Was ist dran an den Gerüchten?
Schon zum G20-Gipfel im April hatten chinesische Offizielle die Idee eines rohstoffgedeckten Welt-Währungssystems auf die Agenda gesetzt. China verfügt über beachtliche Dollarreserven und muss nun fürchten, dass der Dollar aufgrund der amerikanischen Rettungspakete und ungehemmten Geldschöpfung erheblich an Wert verliert.
Die US-Regierung wird wohl kaum begeistert sein, ihre Staatsanleihen in einer Kunstwährung zu emittieren, die sie nicht beeinflussen kann wie den Dollar. Insofern werte ich das Ganze vorerst als Gedankenspielerei, die man im Hinterkopf behalten sollte, aber sicher nicht schon „morgen“ Realität wird. Die Psychologie solcher Ankündigungen darf man dennoch nicht unterschätzen. Fantasie kann bekanntlich Berge versetzen und Kurse bewegen. Er ist verständlich, dass die Chinesen ihr Kapital schützen wollen. Warum sollten Sie nicht entsprechend vorsorgen? Insofern sind die Gerüchte keine Überraschung und weitestgehend im Kurs eskomptiert. Langfristig sollte China als bedeutender Käufer dem Markt nachhaltige Impulse verleihen können.
Doch lassen Sie mich das Ganze einmal aus der kurzfristigen Sicht eines Traders schildern.
Fakt ist: mit Riesenschritten geht es auf die psychologisch wichtige 1000er Marke zu. Das letzte Hoch liegt anderthalb Jahre zurück. So „teuer“ wie im März 2008 war das edle Metall seitdem nicht mehr. Pikanterweise fiel damals der Goldpreis wie ein Stein, als die Wogen der Finanzmarktkrise über uns hereinbrachen. Scharen von Anlegern wurden auf dem falschen Fuß erwischt. Die Medien verkündeten Kurziele weit jenseits der 1000 USD je Unze. Warum auch nicht? Wenn der Goldpreis nicht von einem drohenden Zusammenbruch des Finanzsystems profitiert, ja wann denn dann?
Abbildung 1
Der Goldpreis legte den Rückwärtsgang ein (ab Beginn der grünen Linie im Chart), stürzte in Richtung 700 USD und testete den langfristigen Aufwärtstrend. Diese scheinbar widersprüchliche Reaktion auf das drohende weltweite Finanzdebakel ist kein Widerspruch. Leider vergessen wir zu häufig, dass die Gegenwart und ein Teil der Zukunftserwartungen längst im Kurs enthalten sind.
Betrachten Sie aus diesem Blickwinkel den Chart erneut. Lange bevor uns die ersten Auswirkungen der Finanzmarktkrise in 2008 bekannt wurden, zog der Goldpreis schon Mitte / Ende 2007 an. Heute ahnen wir warum. Es ist sehr wahrscheinlich, das hervorragend informierte Beteiligte, smarte Investoren, Wirtschaftsführer, hochrangige Politiker, involvierte Bankvorstände etc. die Katastrophe kommen sahen, und sich frühzeitig mit Gold bzw. Goldminenaktien eindeckten. Als die Finanzmarktkrise offiziell war, sackte der Kurs erst einmal ab.
Auch heute sollte man sich die Frage stellen, was noch nicht im Kurs enthalten sein könnte. In einem zweiten Schritt steht man dann vor der Qual zu entscheiden, ob es den Kurs eher beflügeln oder schaden würde. Keine leichte Gedankenakrobatik.
Wie man beim Blick auf den obigen Langfristchart erkennt, verläuft der Goldpreis tendenziell vom linken unteren Bildrand zum oberen rechten Rand. Der Aufwärtstrend ist ungebrochen. Lassen wir die Fundamentaldaten einmal beiseite, so folgt nach heftigen Kursbewegungen tendenziell eine längere Phase der Konsolidierung. Solche Konsolidierungen können durchaus heftig ausfallen. Typischerweise wird in solchen Phasen der Boden für den nächsten Ausbruch vorbereitet. Im Idealfall „schläft“ der Kurs immer mehr ein. Bis er kaum noch schwankt. Ich bezeichne das als Ruhe vor dem Sturm.
Wie ergeht es Ihnen, wenn Sie friedlich schlummern und auf einmal zerscheppert ein Glas mit lautem Getöse? Genau! Wer dann nicht hochschreckt wie von der Tarantel gestochen, ist um seinen tiefen Schlaf zu bewundern. Ähnlich verhält es sich mit „eingeschlafenen“ Aktien oder in diesem Fall um Gold. Welches überraschende Ereignis weckt es auf?
Es gibt ein ungeschriebenes Gesetz, dass auf niedrige Volatilität hohe Volatilität folgt. Vice versa. In Fachchinesisch ausgedrückt: wann erfolgt der Volatilitätsausbruch und in welche Richtung geht er? Wie sehr sich die technische Lage zuspitzt, erkennen Sie am unteren Teil der Grafik. Die Täler unter 0,1 kennzeichnen die Phasen der Ruhe (niedrige Volatilität). Je niedriger, desto besser. Anfang des Jahres war die Volatilität viel höher, der Kursausbruch beim Gold misslang. Diesmal ist die Ausgangslage vorteilhafter.
Abbildung 2
Sie werden jetzt keine Prognose von mir hören. Nicht, weil ich es nicht möchte, sondern weil ich kein Hellseher bin. Aber wie ich als Trader vorgehen würde, kann ich ihnen in Stichworten sagen. Entweder, man positioniert sich schon vor dem erwarteten Ausbruch über das Hoch aus dem Jahr 2008 oder erst nach dem erfolgten Ausbruch (gemeint sind Long-Positionen). Beides mit sehr engem Stop-Loss abgesichert. Warum?
Kommt es nach dem Ausbruch zu einem Abverkauf, haben wir durch den früheren Einstieg in der erstgenannten Variante ein geringeres Verlustrisiko. Denn bei einem so prominenten Ausbruch, der weltweit auf allen Radarschirmen auftaucht, lauern viele Marktteilnehmer – und einige werden versuchen den Ausbruch zu konterkarieren (shorten). Gelingt das, sehen wir einen Fehlausbruch erster Güte. Wer dann als Trader stur an seinen Longpositionen festhält, geht ein großes Risiko ein. Fehlausbrüche gehören zu den stärksten technischen Signalen. Profis drehen blitzschnell die Position.
Es wird spannend. Ausbruch auf neue Kursgipfel oder tiefer Rückfall in die Konsolidierungszone. Ich vermute, die letztgenannte These hat das größere Überraschungspotential angesichts der turbulenten Zeiten. Lassen wir den Markt entscheiden.
Heiko Aschoff ist selbständiger Trader und Geschäftsführer der Investment Ideen GmbH. Als Banker und Pensionsfondsmanager war er mitverantwortlich für über sieben Milliarden Euro Anlagevolumen. Im Börsendienst www.investment-ideen.de stellt er seine persönlichen Anlageempfehlungen vor.
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