Schrumpfende Renditen bei Lebensversicherungen
Versicherte müssen wegen der Staatschuldenkrise mit weniger Überschussbeteiligung bei Kapitallebensversicherungen rechnen.
von Markus Hinterberger, €uro am Sonntag
Durchschnittlich 3,9 Prozent Überschussbeteiligung — klingt doch nicht so schlecht, mag sich mancher Versicherte denken. Nur wenige Sparangebote dringen in solche Zinsregionen vor. Doch die Sparprodukte sind kostenlos, ihr Zins ist die Rendite vor Steuern. Die Rendite einer Lebensversicherung auszurechnen ist schwieriger, denn Kosten und Provisionen bei Vertragsbeginn schmälern die Überschussbeteiligung.
Die Überschussbeteiligung hängt an den Zinsen des Rentenmarktes. Und dort sinkt das allgemeine Zinsniveau seit Jahren. Wann die Talfahrt beendet ist, weiß niemand. Je länger die Schuldenkrise andauert, desto weniger müssen sichere Schuldner wie etwa der Bund für ihre Staatsanleihen zahlen. Das wird zunehmend problematisch für die Anlageprofis der Assekuranz. Die müssen sicher anlegen und gleichzeitig eine Rendite über dem Markt erzielen. Der Grund sind Garantien, die die Gesellschaften ihren Kunden gewährten.
Im Überblick: Lebensversicherer im Rendite-Check (PDF)
Es gibt noch immer Gesellschaften, die den Versicherten die früher garantierten vier Prozent zahlen müssen. Die restlichen Versicherten erhalten im Schnitt eine Überschussbeteiligung von 3,9 Prozent. Das bedeutet: Die Kunden mit jungen, niedrig verzinsten Verträgen finanzieren die alten mit hohen Garantien mit.
Erschreckendes Ergebnis
Um ein Bild davon zu bekommen, wie gut eine Versicherung dasteht und ob sie ihren Kunden langfristig hohe Renditen bringt, lohnt sich ein Blick in die Zahlen. Gemeinsam mit der Versicherungsratingagentur Franke und Bornberg hat unser Schwesterblatt €uro die 50 größten deutschen Lebensversicherer, also rund 95 Prozent des Marktes, untersucht. Das Ergebnis erschreckt: Nur zwei Gesellschaften — die DEVK Deutsche Eisenbahn und die Debeka — bekamen die €uro-Versicherungsnote „sehr gut“. Zwölf Versicherer erhielten ein „gut“, 19 ein „befriedigend“ und 17 ein „ausreichend“. Am schlechtesten schnitten ab: ARAG, Generali und Nürnberger.
14 Gesellschaften weisen eine negative Überdeckung auf. Das heißt: Die Unternehmen geben mehr Überschüsse an ihre Kunden, als sie als Erträge aus den Kapitalanlagen erwirtschaften. Sie können sich langfristig ihre Zinspolitik gar nicht leisten.
Ganz anders macht es die Alte Leipziger. Diese Gesellschaft schüttet im Vergleich zu dem, was sie erwirtschaftet, unterdurchschnittliche Überschüsse aus.
Dass sich Kunden über regelmäßig hohe Zinsen freuen, ist klar. „Doch die Gefahr ist groß, dass sich diese Großzügigkeit auf Dauer rächt“, sagt Michael Franke, Gründer und Chef von Franke und Bornberg. Wie viele andere Experten geht aber auch er davon aus, dass es kein Massensterben der Lebensversicherer geben wird. Dafür sei die Branche zu wichtig. „Eher werden die Überschussbeteiligungen weiter sinken“, sagt er.
Weitaus stärker als die Überschussbeteiligungen ist der Garantiezins gesunken. Seit Anfang des Jahres müssen Versicherer Neukunden nur noch 1,75 Prozent garantieren. „Das ist noch nicht einmal ein Inflationsausgleich“, erklärt Andreas Böker von Böker & Paul — Kanzlei für Vermögensmanagement. Wer noch 2011 abgeschlossen hat, bekommt immerhin noch 2,25 Prozent.
Intransparenz als Geschäftsziel
Ganz gleich, wie hoch die Garantien sind, für Axel Kleinlein bleiben Lebensversicherungen die falsche Form der Altersvorsorge. „Intransparenz scheint das Geschäftsziel zu sein“, sagt der Chef des Bundes der Versicherten (BdV), denn jeder Vertrag sei anders. Hier den Überblick zu behalten sei unmöglich.
Auch die Frage, ob man kündigen sollte oder nicht, ist nicht so einfach zu beantworten. Das muss für jede Police einzeln untersucht werden. Hilfe bieten dabei Verbraucherzentralen oder der BdV. Da eine solche Prüfung dauert, sollten Interessierte mit Kosten von mindestens 40 Euro rechnen. Kleinleins Tipp für alle, die ihre Police behalten wollen: den Vertrag durchhalten und nicht anfassen, denn jede Änderung kostet Geld.
Bis zu fünf Prozent der Beiträge können Versicherte sparen, indem sie ihre Prämien nicht monatlich, sondern jährlich zahlen. Schließlich gehen im Schnitt von 100 Euro Prämie 2,40 Euro für die Verwaltung drauf.
Fondsgebundene Policen, die lediglich das Kapital nominal erhalten, sind bei Verbraucherschützern ebenfalls unbeliebt. „Sie zahlen doppelt — für die Lebensversicherung und dann noch für das Fondsmanagement“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Er rät, die Police in ihre Bestandteile zu zerlegen: Die Kapitalanlage läuft über einen Fondssparplan, idealerweise mit ETFs. Für ältere Kunden lohnt sich ein Banksparplan. Eine Risikolebensversicherung versorgt die Hinterbliebenen.
Die komplette Tabelle und Tipps für Versicherte lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des €uro Magazins. Das Magazin ist seit dem 18. Januar am Kiosk erhältlich.