Zinswende

Europäische Zentralbank dreht an der Zinsschraube: Profitieren Sparer nun?

06.11.22 16:57 Uhr

Europäische Zentralbank: Die Zinswende und ihre Auswirkungen auf Sparer | finanzen.net

In den letzten Jahren wurden Sparer durch von Banken auferlegte Strafzinsen benachteiligt. Damit ist jetzt jedoch Schluss: Immer mehr Kreditinstitute bringen Zinsen für Tagesgeld- und Festgeldkonten zurück. Der Grund: die straffe Geldpolitik der Europäischen Zentralbank.

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• EZB stockt Zinsen auf
• Banken bringen Zinsen für Sparer zurück
• Fokus auf Realzins

EZB stockt Leitzins weiter auf

Seit Monaten herrschen in der Eurozone hohe Inflationsraten, die durch den Krieg in der Ukraine erneut Auftrieb erhielten. Um dem Preisdruck Abhilfe zu verschaffen, folgte die Europäische Zentralbank (EZB) im Sommer dem Vorbild der US-Notenbank Fed und läutete die Zinswende ein. Mit der bereits dritten Zinserhöhung in diesem Jahr stockten die Währungshüter den Leitzins Ende Oktober auf 2,00 Prozent auf. Die strammen Zinssätze wirken sich auch auf die Bedingungen aus, zu denen sich Geschäftsbanken neues Geld bei der Zentralbank beschaffen können. Und das bekommen auch Sparer und Kreditnehmer zu spüren.

Hauptrefinanzierungszins, Einlagezins und Spitzenrefinanzierungszins

Ist die Rede vom Leitzins der EZB, wird meistens der Hauptrefinanzierungszins gemeint. Dieser Zinssatz definiert die Bedingungen, zu denen sich Banken Geld von der EZB leihen können. Befindet sich der Hauptrefinanzierungszins auf einem höheren Niveau, steigen auch die Kosten für Banken, um sich Geld gegen Sicherheiten zu leihen. Auch die Kreditnehmer der Institute müssen dann mit höheren Gebühren rechnen. Der Einlagezins, auch Einlagefazilität genannt, hingegen bestimmt den Zinssatz, zu dem Geldinstitute überschüssiges Geld über Nacht bei der Notenbank anlegen können. Dabei handelt es sich um eine äußert kurzfristige Anlagemöglichkeit, bei der die Banken von höheren Zinssätzen profitieren können. Der Spitzenrefinanzierungszins beschreibt derweil die Bedingungen, zu denen sich Geschäftsbanken über Nacht Geld bei der EZB beschaffen können.

Kommen Sparer nun zum Zug?

Auch wenn der höhere Hauptrefinanzierungszins für Banken Mehrkosten bedeutet, erhalten die Institute dank des Einlagezinses höhere Anteile für bei der EZB geparktes Geld - ein Vorteil, von dem auch die Kunden der Banken profitieren können. Wurden Sparer im Niedrigzinsumfeld der letzten Jahre sogar oftmals mit Negativzinsen abgestraft, kündigen immer mehr Banken an, ihren Kunden Sparzinsen anbieten zu wollen. So kündigte etwa die ING-Bank an, als erste Großbank in Deutschland die Zinsen auf Tagesgeld zurückzubringen. Auch die DKB zog mittlerweile nach. Weitere Institute dürften folgen. "Endlich kommt die Zinswende auch bei den Sparern an", erklärte Oliver Maier, Geschäftsführer von Verivox. "Je nach Laufzeit und Marktsegment haben sich die Sparzinsen in wenigen Wochen teilweise verdoppelt oder sogar verdreifacht. In nächster Zeit dürfte die Zins-Rallye weiter Fahrt aufnehmen und klassische Sparanlagen bringen endlich wieder lukrativere Erträge." Auch Moritz Felde vom Mitbewerber Check24 zeigte sich optimistisch: "Wir sehen aktuell ein deutliches Comeback der klassischen Geldanlagen wie Tagesgeld- oder Festgeldkonten", so der Geschäftsführer des Bereichs Finanzservice gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

Tagesgeld oder Festgeld?

Laut dem "Handelsblatt" kann sich ein Tagesgeldkonto nun besonders für Sparer lohnen, die ihr Geld zumindest anteilmäßig vor der Inflation schützen, aber dennoch jederzeit darauf zugreifen können wollen. Zwar seien hier keine starken Zinssätze zu erwarten, bleibt das Geld bislang aber unverzinst auf dem Konto liegen, stelle dies eine gute Alternative dar. Bankkunden sollten jedoch aufmerksam die Vertragsbedingungen studieren, so das Wirtschaftsblatt weiter. Hier können Details zur Laufzeit der Zinsen versteckt sein. Auch könne sich der Zinssatz theoretisch täglich ändern.

Fixe Zinsen werden hingegen bei Festgeldkonten garantiert. Dies könne sich besonders für Sparer lohnen, die nicht regelmäßig prüfen wollen, ob das angelegte Geld optimal verzinst wird, so das Handelsblatt. Hier gelten häufig jedoch Mindestanlagesummen. Manche Banken setzen für ein Festgeldkonto außerdem ein gleichzeitiges Girokonto voraus.

EZB-Zinsentscheide kommen bei Banken verzögert an

Sparer sollten dennoch strategisch vorgehen, warnt "t-online". So kommen die Zinsentscheidungen der EZB erst verzögert bei den Kreditinstituten an. Ist also abzusehen, dass noch weitere Aufstockungen des Leitzinses erfolgen werden, kann es sich lohnen, auf bessere Konditionen zu warten. Aus diesem Grund sollte man seine Festgeldanlage auch nicht an allzu lange Laufzeiten knüpfen. Ansonsten könnte ein Teil des angelegten Vermögens nämlich zu Konditionen mit niedrigeren Zinsen feststecken. Stattdessen können Sparer sich für kurz laufendes Festgeld mit einer Laufzeit von drei, sechs oder maximal zwölf Monaten entscheiden, wie Andreas Jalsovec von "biallo.de" riet.

Da es sich bei den Sparzinsen der Banken außerdem um eine freiwillige Entscheidung handelt, kann sich auch ein Vergleich verschiedener Banken lohnen.

Inflation frisst Sparguthaben auf

Darüber hinaus sollte außerdem beachtet werden, dass das angelegte Geld im Umfeld hoher Inflationsraten weiter an Kaufkraft verliert. Für eine positive Rendite müsste der Preisdruck gleichzeitig abnehmen. "Wenn der Unterschied zwischen Inflationsrate und Guthabenzinsen weiterhin groß ist, frisst die Inflation noch immer das Guthaben der Sparer und Sparerinnen auf", warnt das Vergleichsportal Verivox. Der Realzins, also der Nominalzins minus der Inflationsrate, bleibt damit vorerst negativ. Der Verlust der Kaufkraft wird durch steigende Leitzinsen zwar verringert, aber nur zu einem geringen Anteil.

Nachteile für Kreditnehmer

Müssen die Banken mit Mehrkosten dafür rechnen, sich Geld von der EZB zu leihen, werden diese auch an Kreditnehmer weitergereicht. Auch lassen die Institute bei der Vergabe von Krediten besondere Vorsicht walten, wie Christina Bannier, Professorin für Banking & Finance an der Justus-Liebig-Universität Gießen, gegenüber der Tagesschau erklärte: "Wenn eine Bank eine Anfrage bekommt, prüft sie den potenziellen Kreditnehmer sehr gründlich und macht sich Gedanken, ob dieser sich die teureren Zins- und Tilgungszahlungen in der Zukunft leisten kann", so die Expertin.

Aktienmarkt leidet unter hohen Zinsen

Auch müsse man sich Verivox zufolge ins Bewusstsein rufen, dass höhere Guthabenzinsen in der Regel negative Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben. So leiden Unternehmen ebenfalls unter höheren Kosten für Kredite, was wiederum das Investitionspotenzial dieser mindert. Dies könne zu sinkenden Umsatzzahlen führen, was wiederum den Kurs der Aktie einbrechen lassen könne. Auch führt das Abwandern der Anleger vom Aktienmarkt hin zu Tagesgeld- und Festgeldkonten zu einer sinkenden Nachfrage an der Börse, was sich ebenfalls negativ auf die Kurse von Aktien auswirken dürfte. "Der natürliche Feind der Aktienmärkte ist der Zins", hielt auch Robert Halver laut biallo.de fest. Für eine bessere Stimmung an der Börse müsse die Inflation fallen, "sodass auch die wuchtige Zinserhöhungspolitik endet", so der Experte.

Redaktion finanzen.net

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