Privatinsolvenz: Mach den Schuldenschnitt
Schuldner stehen weniger lang in der Kreide, Gläubiger bekommen mehr Geld. Das neue Insolvenzrecht klingt gut. Doch es gibt günstigere Alternativen, wieder ins Plus zu kommen.
von Thomas Münster, Euro am Sonntag
Es kann jeden treffen: Ein Immobiliendarlehen, das zwei abbezahlen sollen - und dann wird einer arbeitslos. Auf Kredit finanzierte Wertpapiere, die nur Miese bringen. Schon schnappt die sprichwörtliche Schuldenfalle zu. Mehr als drei Millionen deutsche Haushalte steckten 2012 nach Angabe der Wirtschaftsauskunftei Creditreform in einer solchen Situation.
Betroffene haben die Wahl: entweder abwarten und hoffen, dass sich das Schuldenproblem etwa durch eine Gehaltserhöhung oder eine Erbschaft von allein löst, oder die persönliche Insolvenz mit Restschuldbefreiung. Diesen Weg gingen im vergangenen Jahr rund 90.000 Bundesbürger. Das hieß bisher: sechs Jahre Bewährungszeit. Das gesamte pfändbare Einkommen abliefern, von Erbschaften die Hälfte - alles kam unter Kontrolle eines Treuhänders. Und am Ende der Zeit strich das Gericht die Schulden.
Seit dem 1. Juli ist das einfacher geworden. Schon nach drei Jahren ist jetzt ein Schuldenschnitt möglich. Doch den gibt es nicht umsonst: Der Schuldner muss 35 Prozent der Verbindlichkeiten zahlen, plus Verfahrenskosten. Ein Vorteil auch für die Gläubiger, denn sie bekamen bisher nach Schätzungen meist deutlich weniger als zehn Prozent.
Eigentlich klingt das Konzept gut, trotzdem erwartet Creditreform-Sprecher Michael Bretz von der Neuregelung "keine großen Auswirkungen". Den Grund dafür kennt Hugo Grote: "Die Hürde ist zu hoch", sagt der Professor an der Hochschule Koblenz. Tatsächlich entsprechen 35 Prozent plus Kosten in der Regel rund der Hälfte der Schulden. Denn von den ersten 25.000 Euro der Insolvenzmasse bekommt der Verwalter 40 Prozent, bis 50.000 noch 25 Prozent. Das dürfte nur schaffen, wer in der Insolvenz einen sehr gut bezahlten Job hat.
Ist das nicht der Fall, kann der Ehepartner helfen. Dessen Vermögen fällt nämlich weder in die Insolvenzmasse, noch haftet er von Gesetzes wegen für die Schulden des anderen. Dafür braucht es keine Gütertrennung. Doch hier ist der Zeitpunkt wichtig, zu dem die Hilfe kommt. Bei einer Privatinsolvenz gibt es vereinfacht ausgedrückt zwei parallel laufende Phasen: das Insolvenzverfahren, in dem das Vermögen, das noch da ist, zu Geld gemacht wird und unter den Gläubigern verteilt wird, und die sechsjährige Wohlverhaltensphase, in der der Schuldner sein pfändbares Einkommen abgeben muss. Erhält der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Geld, greift der Insolvenzverwalter 40 Prozent ab. Nachdem das Vermögen aufgeteilt ist - in der Regel nach ein bis zwei Jahren -, wird das Insolvenzverfahren aufgehoben, die Wohlverhaltensphase läuft aber weiter. "Dann sind die Chancen größer, die 35 Prozent zu erreichen. Der Treuhänder bekommt höchstens fünf Prozent der vergütungsrelevanten Masse, wenn dann die Familie etwas zuschießt", erklärt die Freiburger Fachanwältin für Insolvenzrecht, Gesa Pantaleon genannt Stemberg.
Günstiger mit Insolvenzplan
Mit dem Insolvenzplan ist es möglich, Zuschüsse von Familie und Co effektiver einzusetzen als für die 35-Prozent-Quote. Er erlaubt jede denkbare Lösung, um die Schulden loszuwerden, wenn sie den Gläubigern mehr bringt als das reguläre Verfahren. In diesem Fall kassiert der Insolvenzverwalter von den Zuschüssen der Familie nichts. Das Geld kommt also - anders als bei der 35-Prozent-Lösung - voll den Gläubigern zugute. Alles was der Schuldner dafür braucht, ist die Mehrheit seiner Gläubiger.
Hat er die zu Beginn des Insolvenzverfahrens erreicht, kann das Gericht den Insolvenzplan durchsetzen. Dann kann der Schuldner seine Miesen sofort los sein, vor Ablauf der drei Jahre und mit weniger als 35 Prozent.
Doch vielen bleibt dieser Weg verschlossen. Denn wer seine Verwandtschaft schon angepumpt hat, um den Gang zum Insolvenzgericht hinauszuzögern, kann diesen Kniff nicht mehr anwenden. "Viele haben Hemmungen, sich mit dem Thema Insolvenz auseinanderzusetzen", weiß Attila von Unruh. Er hat deshalb den Gesprächskreis "Anonyme Insolvenzler" für den Austausch von Erfahrungen ins Leben gerufen.
Was nicht funktioniert: die Hilfsquellen kurz vor der Pleite aufzufüllen, indem man Vermögen auf den Partner überträgt. Diese Zuwendungen holt sich der Insolvenzverwalter zurück, wenn bis zum Insolvenzantrag nicht mindestens vier Jahre vergangen sind.
Bei aller Kritik an der Reform begrüßt Hugo Grote eine Neuregelung: Restschuldbefreiung bekommt nach fünf Jahren, wer die Verfahrenskosten bezahlt hat. "Für die meisten dürfte dann Schluss sein." Ihm fehlt ein anderer Punkt: Ein finanzieller Neuanfang ist nach Restschuldbefreiung oder Insolvenzplan oft noch in weiter Ferne. Das verhindert der Schufa-Eintrag, der weitere drei Jahre bleibt. Das heißt: kein Bankkonto und Schwierigkeiten, einen Mietvertrag zu bekommen. Von einem Kredit ganz zu schweigen.
Schritt für Schritt
Wegweiser durch die Verbraucherinsolvenz
Einigungsversuch Die Verbraucher müssen in den letzten sechs Monaten vor dem Insolvenzantrag erfolglos versucht haben, sich mit den Gläubigern zu einigen.
Insolvenzantrag kann bei drohender oder eingetretener Pleite gestellt werden. Er kann nicht mangels Masse abgelehnt werden.
Antrag auf Restschuldbefreiung Er muss spätestens zwei Wochen nach dem Insolvenzantrag gestellt werden. Wer in den fünf Jahren zuvor wegen einer Insolvenzstraftat zu mehr als 90 Tagessätzen Geldstrafe oder in den vergangenen drei Jahren wegen Vermögensverschwendung verurteilt wurde, kann diesen Antrag nicht stellen.
Einkommen Pfändungsfrei bleiben 1.045 Euro im Monat plus 30 Prozent von dem, was darüberliegt. Alles über 3.200 Euro geht komplett an den Treuhänder. Unterhaltspflichtigen bleibt mehr. Von Erbschaften geht die Hälfte weg - nicht aber von Schenkungen.
Restschuldbefreiung Das Gericht streicht die Schulden nach drei Jahren, wenn die Verfahrenskosten und 35 Prozent der Gläubigerforderungen getilgt sind, nach fünf Jahren, wenn nur die Verfahrenskosten gezahlt sind und nach sechs Jahren automatisch.
Ausnahmen Steuerschulden, die etwa aus einer Verurteilung wegen einer Steuerstraftat resultieren, vorsätzlich verletzte Unterhaltspflichten, nicht abgeführte Lohnsteuer und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bleiben als Schulden auch nach der Restschuldbefreiung bestehen.
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