Steuer 2022: Was sich alles ändert - die Steuertipps von €uro am Sonntag
Anleger, Berufstätige, Familien, Ruheständler und Verbraucher müssen sich 2022 auf neue Regeln einstellen. Die wichtigsten bereits beschlossenen und längerfristig geplanten Änderungen im Überblick.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Was ändert sich im neuen Jahr für Steuerzahler? Darüber kann nicht allein der neue Bundesfinanzminister Christian Lindner entscheiden. Die Gesetzgebung für 2022 ist schon von seinem Vorgänger und nunmehrigen Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeprägt worden. Hier eine Zusammenfassung, welche Änderungen für alle Steuerpflichtigen kurzfristig anstehen und in den nächsten Jahren unter der Ampelregierung umgesetzt werden sollen.
Berufstätige
Grundfreibetrag
Das steuerfreie Existenzminimum steigt von 9.744 Euro auf 9.984 Euro. Ehepaare und eingetragene Lebenspartner, die sich zusammen veranlagen verlassen, profitieren auch 2022 vom doppelten Grundfreibetrag (19.968 Euro).
Steuertarife
Die Einkommensgrenzen für alle Steuersätze steigen um 1,17 Prozent. Damit soll anteilig die Inflationsrate des Jahres 2021 in den Steuertarif eingepreist werden. Mit der Verschiebung des Einkommensteuertarifs "nach rechts" soll die kalte Progression verhindert werden. Diese würde andernfalls bewirken, dass Lohn- und Gehaltssteigerungen in Verbindung mit der Inflation zumindest teilweise durch eine höhere Steuerbelastung aufgezehrt würden.
Corona-Prämien
Wegen der pandemischen Lage kann jeder Arbeitgeber seinen Mitarbeitern einen steuerfreien Corona-Bonus von bis zu 1.500 Euro zukommen lassen. Solche Auszahlungen bleiben noch bis 31. März 2022 abgabenfrei. Hintergrund: Seit dem 1. März 2020 gezahlte Corona-Prämien sind bis zur Höhe von 1.500 Euro für Arbeitnehmer steuerfrei. Durch die beschlossene Verlängerung um drei weitere Monate können Arbeitgeber den Bonus ohne Zeitdruck auszahlen und müssen dafür weder Steuern noch Sozialabgaben abführen.
Homeoffice-Pauschale
Die Ende 2021 auslaufende Regelung wird bis Ende 2022 verlängert. Für jeden Tag am heimischen Arbeitsplatz können Arbeitnehmer weiterhin fünf Euro steuermindernd geltend machen. Die Homeoffice-Pauschale ist bei 600 Euro pro Jahr (120 Heimarbeitstage) gedeckelt und wird mit dem Arbeitnehmer-Pauschbetrag verrechnet. Im Homeoffice Tätige profitieren davon also erst, wenn sie 2022 insgesamt mehr als 1.000 Euro Werbungskosten haben.
Sachbezüge
Die Sachbezugsfreigrenze für Arbeitnehmer steigt ab 2022 von 44 auf 50 Euro pro Monat. Darunter fallen etwa zweckgebundene Geldleistungen wie Tankgutscheine. Wichtig: Wird die monatliche Freigrenze um nur einen Cent überschritten, führt dies zu einer Steuerpflicht des gesamten zugewendeten Betrags. Ein Zusammenrechnen der monatlichen Beträge auf einen Jahresbetrag ist nicht zulässig.
Sachbezugswerte
Der Monatswert für verbilligte oder unentgeltlich gewährte Verpflegung wird ab 1. Januar 2022 auf 270 Euro angehoben. Für Mahlzeiten gelten im neuen Jahr pro Kalendertag folgende Werte: Frühstück 1,87 Euro, Mittag- oder Abendessen 3,57 Euro. Der Sachbezugswert 2022 für verbilligte oder unentgeltlich gewährte Unterkunft oder Miete beträgt 241 Euro im Monat.
Steuererklärungen
Wer sich von einem Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein noch bei der Einkommensteuererklärung für 2020 helfen lässt, muss diese erst bis 31. Mai 2022 abgeben. Die Abgabefrist wurde für diese Fälle um drei Monate verlängert.
Vorsorgeaufwendungen
Beiträge zur Altersvorsorge in die gesetzliche Rente, in die Rürup-Rente, in landwirtschaftliche Alterskassen sowie berufsständische Versorgungseinrichtungen sind als Sonderausgaben steuerlich abzugsfähig, soweit sie den Höchstbetrag nicht übersteigen. Die Höchstbeträge für abzugsfähige Sonderausgaben liegen im neuen Jahr bei 25.639 Euro beziehungsweise 51.278 Euro (Einzel- oder Zusammenveranlagung). Da der steuerlich abzugsfähige Anteil Jahr für Jahr um jeweils zwei Prozentpunkte steigt, können Steuerpflichtige von den geleisteten Beitragszahlungen nunmehr bis zu 94 Prozent des Höchstbetrags als Sonderausgaben steuerlich absetzen. Für das Jahr 2022 sind das also bis zu 24.101 Euro für Alleinstehende beziehungsweise 48.202 Euro für Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner.
Dienstwagen
Die steuerliche Besserstellung von Plug-in-Hybridfahrzeugen soll für neu zugelassene Autos modifiziert werden. Hybridfahrzeuge werden künftig nur noch privilegiert, wenn sie zu mehr als 50 Prozent elektrisch betrieben werden.
Steuerstundungen
Steuererleichterungen, die der Gesetzgeber pandemiebedingt beschlossen hat, werden teilweise in das neue Jahr übernommen. Darunter fallen Erleichterungen bei Stundungen für fällige Abgaben. Dafür können Steuerpflichtige bis Ende Januar Anträge bei ihrem Finanzamt stellen. Die Stundungen sind aber längstens bis Ende März zu gewähren. Zudem sind Anschlussstundungen bis Ende Juni 2022 möglich, wenn eine Ratenzahlung vereinbart wird.
Investitionsabzug
Planen Selbstständige die Anschaffung einer Maschine oder eines Firmenwagens, dürfen sie die Ausgaben bereits gewinnmindernd abziehen, bevor sie den Gegenstand gekauft oder hergestellt haben. Gesetzliche Grundlage dafür ist der "Investitionsabzugsbetrag". Dieser ist grundsätzlich bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr folgenden Jahres für begünstigte Investitionen nutzbar. Für Anschaffungen im Jahr 2020 wurde die Frist infolge der Corona-Pandemie bereits auf vier Jahre verlängert. Nun wird die Investitionsfrist auf fünf Jahre ausgedehnt. Die Reinvestitionsfrist, die üblicherweise vier Jahre beträgt, wurde nochmals verlängert - von fünf auf jetzt sechs Jahre. Hintergrund: Mit dieser Regel lassen sich stille Reserven aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts steuerneutral in eine Rücklage einstellen. Diese Rücklage kann später mit den Kosten der Neuinvestition verrechnet werden.
Abschreibungen
Superabschreibungen für Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung sollen es Betrieben in den Jahren 2022 und 2023 ermöglichen, einen Teil der entstehenden Kosten vom steuerpflichtigen Gewinn abzuziehen. Konkrete Details dazu sind von der Ampelregierung aber noch nicht vorgestellt worden.
Familien
Unterhaltszahlungen
Der Unterhaltshöchstbetrag wird an das Existenzminimum angepasst und steigt ebenfalls auf 9.984 Euro. Bis zu diesem Betrag können Unterstützungsleistungen an Angehörige oder andere begünstigte Personen steuerlich geltend gemacht werden. Zusätzlich sind Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung absetzbar.
Ausbildungsfreibetrag
Eltern, die ihr Kind während einer Berufsausbildung finanziell unterstützen, können derzeit pauschal 924 Euro geltend machen, die ihnen auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Dieser Steuerfreibetrag soll nach Plänen der Ampelregierung auf 1.200 Euro steigen.
Ehegattensplitting
Die Familienbesteuerung soll so weiterentwickelt werden, dass "die partnerschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche Unabhängigkeit bei allen Familienformen gestärkt wird". Die Steuerklassen-Kombination III und V (Verdienstgefälle bei Verheirateten) soll in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV (ähnlich hohes Einkommen bei Partnern) überführt werden. Auch für dieses Reformvorhaben der Ampelregierung stehen Details noch aus.
Kapitalanleger
Bekämpfung von Steuerkriminalität
Durch das "Abzugssteuerentlastungsmodernisierungsgesetz" wurde Mitte 2021 der Steuerabzug bei der Kapitalertragsteuer ab Anfang 2022 neu geregelt, um Steuerbetrug zu verhindern. Dies betrifft auch Reduzierungen der Quellensteuer für ausländische Dividenden, die im Freistellungsverfahren oder via Erstattung geltend gemacht werden können. Die dem Bundeszentralamt für Steuern in diesem Rahmen zu meldenden Daten werden ausgeweitet.
Kapitaleinkünfte
Der Sparerpauschbetrag für Kapitaleinkünfte (Zinsen, Dividenden, Kursgewinne) soll nach aktuellen Plänen der Ampelregierung ab dem Veranlagungsjahr 2023 von 801 auf 1.000 Euro steigen, bei Ehegatten und eingetragenen Partnern, die sich zusammen veranlagen lassen, von 1.602 auf 2.000 Euro. Der Sparerpauschbetrag ist unter Angabe der Steuer-ID per Freistellungauftrag bei Geldinstituten zu beantragen.
Verbraucher
Umsatzsteuer
Die Steuersätze bei Restaurant- und Verpflegungsleistungen werden befristet bis zum 31. Dezember 2022 auf sieben Prozent gesenkt. Davon ausgenommen sind lediglich alle Getränke. Für sie gilt im neuen Jahr weiterhin der volle Umsatzsteuersatz von 19 Prozent.
Tabaksteuer
Die Abgaben auf Tabakprodukte steigen. Betroffen sind neben Zigaretten, Zigarren und Zigarillos auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer. Zudem wird ab 2022 der Wasserpfeifentabak für Shishas erstmals besteuert. Auch Substitute für Tabakwaren - zum Beispiel Liquids - werden künftig tabaksteuerpflichtig.
Das soll sich bald bei der Rentensteuer ändern
I. Gesetzliche Renten
Rentenversicherungsbeiträge sollen nach den Plänen der Ampelkoalition schon ab 2023 voll als Sonderausgaben abzugsfähig werden. Zudem soll der steuerpflichtige Rentenanteil für Neurentner nur noch um einen halben Prozentpunkt pro Jahr steigen. Renten würden somit erst bei Eintritt ab 2060 voll besteuert. Bis dahin würde der zu versteuernde Anteil für Neurentner langsamer steigen als derzeit: 2021 waren es 81 Prozent, in diesem Jahr sind es 82 Prozent.
Die Hintergründe
Viele Ruheständler befürchten eine Doppelbesteuerung ihrer Renten. Im Mai 2021 hatte der Bundesfinanzhof (BFH) zwar entsprechende Klagen von zwei Ehepaaren abgewiesen (Az. X R 20/19 und X R 33/ 19), doch warnten die obersten Finanzrichter vor einer überhöhten Steuerlast künftiger Rentnergenerationen. Davon betroffen seien Selbstständige, die freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, stärker als Arbeitnehmer sowie versicherungspflichtige Männer wegen geringerer Lebenserwartung mehr als Frauen. Und Alleinstehende stärker als Ehepaare. Außerdem legte der BFH erstmals Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung einer doppelten Besteuerung fest. Demnach dürfen vom Fiskus weder der Grundfreibetrag noch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in die Berechnung des steuerfreien Anteils der Rente einbezogen werden.
Aktuelle Gerichtsverfahren
Derzeit sind zur Doppelbesteuerung von Renten zwei Beschwerden beim Bundesverfassungsgericht anhängig (Az. 2 BvR 1143/21 und 1140/21). Wie die Entscheidung ausfallen wird, ist offen. Grundsätzlich müssen Senioren keinen Einspruch gegen ihre Steuerbescheide einlegen, um einen persönlichen Nachteil zu vermeiden. Das Bundesfinanzministerium hat verfügt, dass diese vorläufig offen bleiben (Gz. IV A 3 - S 0338/19/10006:001). Möglicherweise Betroffene sollten aber frühere Gehaltsabrechnungen und Verdienstnachweise ebenso wie sämtliche Steuerbescheide im Rentenalter als Nachweise aufbewahren.
II. Rürup-Renten
Auch Rürup-Renten sollen nach Plänen der Ampelregierung steuerlich besser gestellt werden. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dass für die - offiziell Basisrenten genannten - Vorsorgeprodukte der absetzbare Betrag in der Einzahlungsphase in den kommenden Jahren erhöht werden und parallel der zu versteuernde Betrag im Alter sinken soll.
Die Hintergründe
Die Förderung dieser privaten Vorsorge erfolgt grundsätzlich über den steuerlichen Vorteil. Beiträge können abgesetzt werden, dafür muss im Alter der ausgezahlte Betrag versteuert werden, dann meist bei deutlich geringeren Steuersätzen. Das lohnt sich einerseits für Selbstständige, aber auch für einige gut verdienende Angestellte.
Die geplanten Details
Im vergangene Jahr konnten bis zu 25.787 Euro geltend gemacht werden. Diese Summe steigt jährlich, gleichzeitig erhöht sich der Anteil, der steuerwirksam ist. In diesem Jahr sind es 92 Prozent (Details siehe unten "Vorsorgeaufwendungen"). Ursprünglich sollten 2025 dann 100 Prozent erreicht werden. Nun plant die Ampelregierung, auch diesen Termin auf das Jahr 2023 vorzuziehen.
Praktische Nachteile
Rürup-Renten können aber auch praktische Nachteile haben. Sie sind wegen ihrer Inflexibilität nicht in jedem Einzelfall bedarfsgerecht. So kommen Kunden während der Vertragslaufzeit nicht an ihr eingezahltes Geld. Sie können sich die Ablaufleistung zudem bei Renteneintritt nicht auf einmal, sondern nur als monatliche Rente auszahlen lassen. Eingezahlte Beiträge sind nur dann vererbbar, wenn man das gegen eine Zusatzzahlung mit dem Anbieter vereinbart. Auch können Rürup-Sparer nur dann den Anbieter wechseln, wenn dies der Vertrag ausdrücklich zulässt. Hohe Abschluss- und Verwaltungskosten können dafür sorgen, dass angesparte Guthaben auf Jahre unrentabel angelegt sind. Allerdings ist auch die gesetzliche Rente in puncto Auszahlung und Verfügbarkeit inflexibel.
__________________________________
Weitere News
Bildquellen: Lisa S. / Shutterstock.com, Daniela Staerk / Shutterstock.com, Finanzen Verlag