VDAX zieht kräftig an

Börsenturbulenzen: Und plötzlich war Panik

11.02.14 03:00 Uhr

Eben noch auf dem Weg zur nächsten Rekordmarke, stürzte der DAX binnen kurzer Zeit ab. Vieles spricht aber dafür, dass es sich nur um eine Korrektur handelte - nicht um den Beginn einer großen Krise.

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von Alexander Sturm, Euro am Sonntag

Hätte es noch eines Beweises bedurft, dass an der Börse Sorglosigkeit binnen weniger Tage in Panik umschlagen kann, die Turbulenzen der vergangenen Woche lieferten ihn. Als die Weltbank im Januar einen globalen Aufschwung vorhersagte, war der Optimismus fast grenzenlos: Der Weg nach oben für die Aktienkurse schien frei. Weltweit erreichten die Börsen neue Rekorde. DAX 10.000? In greifbarer Nähe. Dann kam das böse Erwachen.

Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Stimmung an den Börsen komplett gedreht. Plötzlich regieren Unsicherheit, Angst, Panik. Der DAX reihte Verlusttag an Verlusttag, in drei Wochen fiel er um rund sieben Prozent - ebenso wie andere große Aktienindizes: Der amerikanische S & P 500 verlor gut fünf Prozent, der Euro Stoxx 50 sechs Prozent, der japanische Nikkei über zehn Prozent.

Der Ursprung liegt in den Schwellenländern. Seit die US-Notenbank Fed im Mai 2013 ankündigte, die Geldpolitik zu straffen, stehen Länder wie Türkei, Brasilien, Indien und Südafrika unter Druck. Sie profitierten vom billigen Geld westlicher Notenbanken im Kampf gegen die Finanzkrise, da sie höhere Zinsen boten als die Industriestaaten. Vier Billionen Dollar flossen seit 2009 in die Emerging Markets. Nun kehren sich die Geldströme um. Ende Januar hat die Fed beschlossen, ihre Anleihekäufe weiter zu reduzieren, sie pumpt weniger Geld in den Markt.

Investoren rechnen deshalb damit, dass die künstlich niedrig gehaltenen Renditen in den USA langsam steigen werden. Vor diesem Hintergrund bewerten sie die Chancen und Gefahren sämtlicher Anlageklassen neu. Das Risiko von Investments in den Schwellenländern, aus deren Gruppe zuletzt eher schlechte Nachrichten kamen, scheint sich damit nicht mehr zu lohnen. Die Folge: Großanleger schichten Milliarden um, kaufen amerikanische Staatsanleihen und US-Dollar.

Das trifft vor allem jene Schwellenländer, die mehr importieren als exportieren und daher auf auslän­disches Kapital angewiesen sind - allen voran die Türkei, Brasilien und ­Indien. Auf breiter Front kamen Schwellenländerwährungen zuletzt ins Taumeln. Es kam zum größten Ausverkauf seit fünf Jahren. Eine Angstspirale setzte sich in Gang.

Furcht vor Ansteckung
Nun wächst die Sorge, dass die Turbulenzen auf die entwickelten Länder überspringen könnten. Schwache Industriedaten aus den USA und China nähren Zweifel, dass die Prognosen für die Weltwirtschaft zu optimistisch gewesen sein könnten. Ein wichtiger Konjunktur­indikator scheint das zu bestätigen. Der amerikanische ISM-Einkaufsmanagerindex stürzte im Januar um gut fünf Punkte ab, der stärkste Rückgang seit Mai 2011. Dass dies nicht zuletzt auf den harten Winter in den USA zurückzuführen ist, geht angesichts der Nervosität beinahe unter.

In Europa nimmt zugleich die Sorge vor einer Deflation zu. Die Teuerungsrate in der Eurozone fiel im Januar auf 0,7 Prozent, sie liegt damit weit unter dem Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent. Deren Chef Mario Draghi hält sein Pulver dennoch vorerst trocken, am Donnerstag senkte er den Leitzins nicht weiter.

Überfällige Korrektur
Sind die jüngsten Turbulenzen in den Schwellenländern Vorboten einer neuen heftigen Krise, die auch die Industriestaaten und deren Aktienkurse mitreißen wird? Oder gönnen sich die Börsen nach dem starken Aktienjahr 2013 nur eine Pause?
Noch bleibt die Mehrheit an den Finanzmärkten relativ gelassen. "Wir haben nun die überfällige Korrektur, und die ist durchaus verkraftbar", sagt Markus Wallner, Analyst bei der Commerzbank. Ein Einbruch der Weltwirtschaft sei nicht zu befürchten. Asoka Wöhrmann, Chefstratege der Fondsgesellschaft DWS, verweist auf die unverändert guten Fundamentaldaten: "Solange die USA und Großbritannien sich weiter gut entwickeln und Europa sich stabilisiert, sollten die Folgen der Schwellenländerschwäche limitiert sein." Selbst in den meisten Emerging Markets seien die Konjunkturaussichten weiter gut: "Wir bleiben grundsätzlich optimistisch."

Viele Experten argumentieren zudem, dass das aktuelle Rumoren nur einen Teil der Schwellenländer betreffe. In China etwa werde es die Regierung nicht zulassen, dass das Wachstum unter sieben Prozent falle. Und Brasilien habe genug Fremdwährungsreserven, um seine Währung Real zu verteidigen.

Aus Sicht von Kapitalmarktexperten spricht aber wenig dafür, dass sich die Währungen in der Türkei, Südafrika oder Indien schnell erholen. Nach Ansicht der US-Bank Citigroup, dem zweitgrößten Währungshändler der Welt, ist das Zinsniveau in diesen Schwellenländern inflationsbereinigt zu niedrig, um die Kapitalflucht zu stoppen. So hat die türkische Zentralbank zwar die Leitzinsen gerade von 4,5 auf zehn Prozent mehr als verdoppelt. Doch die Inflation von über sechs Prozent lässt die Realzinsen auf gut drei Prozent schrumpfen - für Investoren angesichts des Risikos wohl zu wenig.

Doch es gibt auch kritischere Stimmen. Das Ausmaß des Ausverkaufs sei ein Warnsignal, sagt Marcus Silbe, Analyst beim Broker Close Brothers Seydler: "Die Zeit des billigen Geldes nähert sich dem Ende. Es sieht so aus, als benötigte der Markt viel bessere Konjunkturdaten, um sein Niveau zu halten."

Noch viel Platz nach unten
Für den DAX stimmt ein Blick zurück indes optimistisch: Beim Aufstieg des deutschen Leitindex in den vergangenen Jahren waren Rückschläge über fünf Prozent nämlich keine Seltenheit. Die Eurokrise ließ das Barometer mehrmals einbrechen, ohne dass der Aufstieg in Gefahr geriet. Und ein DAX-Stand von rund 9.100 Punkten ist alles andere als dramatisch, noch im November war das ein umjubeltes Allzeithoch. Im Rekordlauf gab es zudem lange keine größere Korrektur mehr: Das letzte Mal, dass der DAX um über zehn Prozent nachgab, war im Juli 2012; Draghi beendete den Absturz mit seiner berühmten Londoner Rede, in der er versprach, alles Nötige zu tun, um den Euro zu retten.

Auch charttechnisch ist kein Richtungswechsel im DAX zu erkennen. Erst bei einem Sturz unter 8.670 Punkte ließe sich von einer Wende sprechen. Sollte diese Marke aber fallen, würden neue DAX-Rekorde ebenso schnell in weite Ferne rücken, wie sie gekommen sind. 

Investor-Info

Volatilität
Unsicherheit als Renditeplus

Die Nervosität ist zurück - das zeigt der DAX-Vola­tilitätsindex, kurz VDAX, der die erwarteten Schwankungen im Leitindex misst und zuletzt auf den höchsten Stand seit Juni 2013 stieg. Mit Fonds, die profitieren, wenn die Volatiliät steigt, können sich Anleger gegen Turbulenzen absichern. Das geht mit einem ETF, der die Schwankungen im Euro Stoxx 50 (ISIN: DE 000 A1H 81B 1) abbildet, oder mit einem aktiv gemanagten Fonds von Amundi (LU 031 968 712 4), der global ausgelegt ist.













Währungen
Nutznießer Dollar

Im Januar hat sich der Verfall von Schwellenländerwährungen beschleunigt. Nutznießer ist der US-Dollar, denn Investoren schichten ihr Kapital um. Ein weiteres Plus für den Greenback: Die US-Wirtschaft dürfte 2014 stärker wachsen als die in Europa, das sollte dem Dollar Auftrieb geben. Mittels ETN (ISIN: DE 000 A1E K0V 2) können Anleger darauf setzen.













Indikatoren
Einfach mit Gebert anlegen

Emotionen raus, heißt es bei der nach Thomas Gebert benannten Anlagestrategie. Denn hier wird jede Woche anhand von vier Fragen entschieden, wie investiert wird: Ist die Inflationsrate der Eurozone niedriger als im Vorjahr? War der letzte Zinsschritt der EZB eine Senkung? Steht der Dollar zum Euro höher als vor einem Jahr? Liegt der Beobachtungstag in den Monaten November bis April? Werden wie derzeit mindestens drei Fragen mit Ja beantwortet, fließt das Geld in den DAX, umgekehrt in den Geldmarkt. Bisher hat die Strategie Krisen gut vorhergesagt und den DAX geschlagen.

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