Urlaubszeit: Klagen all inclusive
Zwischen den Versprechen der Reiseanbieter in den Prospekten und der Wirklichkeit am Urlaubsort klaffen oft Welten. Wie Betroffene bei Mängeln eine Erstattung erfolgreich durchsetzen.
von Claudia Marwede-Dengg, Euro am Sonntag
Noch ein Nickerchen, bevor man in die Luft geht — wie hatte sich der Kläger darauf gefreut! Leider wurde nichts daraus. So ging er in die Luft, weil sein Rückflug kurzfristig um zehn Stunden vorverlegt wurde und der Reiseanbieter ihm nicht nur die Nachtruhe, sondern auch kostbare Ferienzeit raubte. Der verfrühte Start sei wie ein annullierter Flug anzusehen, entschied das Amtsgericht Hannover (Az. 512 C 15244/10).
Sommer, Sonne, Ferienzeit — oft unterscheiden sich die Versprechen in den Hochglanzprospekten der Reiseveranstalter und die Wirklichkeit am Urlaubsort. Kein Wunder, dass nach dem Urlaub Reisemängel, also das Abweichen von versprochener Leistung, häufig zu Streit mit dem Reiseveranstalter führen.
Ob Buchung im Internet oder im Reisebüro — wer Preisminderungen geltend machen will, sollte zielgerichtet vorgehen. „Bei einer Pauschalreise muss zuerst der Vertreter des Reiseveranstalters vor Ort informiert werden“, erläutert Klaus Rimmele, Partneranwalt der Roland Rechtsschutzversicherung. Diesem sollte so die Möglichkeit gegeben werden, den Mangel zu beheben.
Nach der Rückkehr aus dem Urlaub sei der Reiseveranstalter der korrekte Ansprechpartner, nicht das Reisebüro. „Mängel im Urlaub müssen grundsätzlich bewiesen werden“, sagt Rimmele. Dafür eigneten sich besonders Fotos. Außerdem sollte man sich die Daten der Mitreisenden notieren, da deren Aussagen mehr Gewicht haben.
Doch selbst wenn alle diese Schritte eingehalten und die Ansprüche innerhalb eines Monats ab Ende der Reise angemeldet wurden, ist das noch längst keine Gewähr dafür, dass der Reiseveranstalter diese auch anerkennt. Der häufigere Fall dürfte sein, dass der Veranstalter die Minderungsforderung „abzubügeln“ versucht.
Klaus Heimgärnter, Experte für Reiserecht beim ADAC, zählt die Tricks auf, die Anbieter immer wieder anwenden: „Fehlendes Abhilfeverlangen am Urlaubsort, Bagatellisierung der Mängel bis hin zur Negierung, Angebot von Reisegutscheinen (in geringerem Umfang wie eine mögliche Minderung) für weitere Reisen mit dem Veranstalter und bei Flugreisen die Behauptung des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände.“ Kommt es zu keiner außergerichtlichen Einigung, bleibt am Ende nur der Gang vor Gericht.
Reisen sind Einzelfallrecht
Doch werden — wie bei einer Pauschalreise üblich — mehrere Leistungen, etwa Flug und Unterkunft, gebucht, gilt Reiserecht. Und das ist Einzelfallrecht. Kurz: Je nach Gericht und Bundesland kann es bei ähnlich gelagerten Klagen unterschiedliche Urteile geben. Richtersprüche sind keine Gesetze, sie liefern Urlaubern aber Anhaltspunkte. Als Orientierungshilfe für Preisminderung bei Reisemängeln hat der ADAC in einer Übersicht rund 270 Urteile aus den vergangenen zehn Jahren zusammengetragen (auf www.adac.de, Stichwort Reisemängel). „Die häufigsten Probleme sind Annullierung oder Verspätung, teilweise treten auch Probleme mit der Gepäckbeförderung oder Gepäckverlust auf“, sagt ADAC-Experte Heimgärnter. Dazu kämen Mängel bei Unterbringung, Essen und Trinken, Pool und Strand.
Sind Pool und Steg ins Meer nicht nutzbar, sei eine Kürzung des Reisepreises um 20 Prozent durchaus angemessen, entschieden das Landgericht Koblenz und das Amtsgericht Bad Homburg (Az. 12 S 32/02, Az. 2 C 2747/01). Das Gleiche gilt, wenn statt des zugesagten Strands nur eine Badeplattform auf Felsen existiert oder wenn der Strand wegen Sturmschäden während des gesamten Urlaubs nicht nutzbar ist (Amtsgerichte Düsseldorf und Duisburg, Az. 37 C 15672/02, 35 C 210/04).
Für verspätete Gepäckauslieferung lassen die Gerichte je nach Dauer zwischen 35 und 40 Prozent des Tagesreisepreises gelten. Letzteres kommt zum Tragen, wenn der Koffer bei einem vierwöchigen Urlaub einen Tag vor der Rückreise eintrudelt. Die Hälfte des Reisepreises senken darf gar, wer am Urlaubsort ganz ohne Gepäck auskommen musste, entschieden die Amtsgerichte Bad Homburg und Nürnberg (Az. 2 C 3393/00, 35 C 7300/96).
Nicht gefallen lassen müssen sich Urlauber auch Lärm im Hotel. Wenn bei erheblichem Baulärm in Kombination mit nicht fertiggestellten Sport- und Freizeitanlagen sowie fehlendem Animationsangebot keine Urlaubsstimmung aufkommen mag, muss der Reisepreis laut dem Amtsgericht Bonn komplett erstattet werden (Az. 9 C 124/97).
Sogar um hundert Prozent können Betroffene den Tagesreisepreis mindern, wenn sich die Ankunft am Ferienort um einen oder zwei Tage verzögert. Das Gleiche gilt übrigens laut dem Oberlandesgericht Frankfurt auch für zusätzlich angefallene Tagesreisekosten, wenn sich die Rückreise um ein bis drei Tage verzögert (Az. 16 U 118/97).
75 Prozent weniger müssen Pauschalurlauber laut Amtsgericht Hannover zahlen, wenn der versprochene Sandstrand einer Müllwüste gleicht, das Hotel noch nicht vollständig fertig ist und Bulldozerlärm die Urlaubsstimmung vermiest (Az. 531 C 3416/00).
Individuelle Probleme
So klar der Beschwerdeweg über den Reiseveranstalter bei Pauschalreisen ist — so unklar ist er bisher bei Individualreisenden. Immer mehr Urlauber buchen über Onlineportale wie Opodo.de oder Expedia.de ihren Flug samt Hotel. Bisher ist unklar, wohin sie sich bei Reklamationen wenden oder wie sie das Paket stornieren können. Die EU-Kommission will auch diese Individualtrips absichern und arbeitet an einer entsprechenden Regelung.