Familienpolitik fällt bei Ökonomen durch
Ökonomen-Barometer: Unter Deutschlands führenden Ökonomen hellt sich die konjunkturelle Zuversicht weiter auf. Im Februar kletterte die Einschätzung der aktuellen Lage um zwei Prozent auf 52,5 Punkte.
von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag
Der Prognosewert zur erwarteten wirtschaftlichen Entwicklung auf Sicht von zwölf Monaten stieg um fünf Prozent auf 53,4 Punkte. Damit sind beide Teil-Komponenten des Ökonomen-Barometers bereits zum dritten Mal hintereinander gestiegen. Ein dreimaliges Plus in Folge gilt als zuverlässiger Indikator für eine Trendwende.
Der Stimmungsanstieg spiegelt die jüngste Entspannung in der Eurozone wider. Zudem erweist sich die US-Konjunktur als robust. Auch in Deutschland gehen viele Volkswirte nach dem Rückschlag im vierten Quartal von einer Erholung zum Jahresauftakt aus. Nach den am Donnerstag veröffentlichten endgültigen Daten des Statistischen Bundesamtes war die Wirtschaftsleistung in Deutschland zwischen Oktober und Dezember um 0,6 Prozent zurückgegangen und damit um 0,1 Prozentpunkte stärker als erwartet.
Unterdessen trifft die Familienpolitik in Deutschland auf massive Kritik der Experten. Auf einer Noten-Skala von eins bis sechs bewerten die Ökonomen die Familienpolitik insgesamt mit einer glatten Vier. Die Diskussion über die Familienpolitik war nach Presseberichten Anfang Februar neu entbrannt. Einer bislang unter Verschluss gehaltenen Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zufolge verfehlen die meisten Förderprogramme ihre Ziele. Teilweise werde mit den Programmen gar das Gegenteil dessen erreicht, was beabsichtigt sei, schreiben die Autoren der Studie laut übereinstimmenden Medienberichten.
Überschaubare Erfolge
Insgesamt gibt der deutsche Staat pro Jahr über einen kaum überschaubaren Regelungskatalog vom Ehegattensplitting über Kinderziehungszuschlag, Kindererziehungsergänzungszuschlag bis zum Elterngeld rund 200 Milliarden Euro zur Förderung von Familien und Kindern aus. Der Erfolg ist jedoch überschaubar. Nach Berechnungen der OECD steckt Deutschland 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in die Familienförderung. Im OECD-Schnitt liegt die Quote bei 2,6 Prozent. Zugleich liegt die Zahl der Geburten pro Frau im Alter von 15 bis 49 in Deutschlang jedoch bei 1,39, während im OECD-Schnitt 1,74 Kinder pro Frau geboren werden.
Ökonomen gehen mit der Familienpolitik entsprechend hart ins Gericht: „Das System, falls man davon überhaupt reden kann, ist viel zu kompliziert. Niemand weiß, welche Haushaltstypen wie stark gefördert werden“, erklärte etwa der Steuerexperte des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Alfred Boss. Auch Prof. Andreas Ziegler von der Uni Kassel hält die Programme für verfehlt: „Viele unsinnige und extrem teure familienpolitische Leistungen, wie vor allem das Ehegattensplitting und das Betreuungsgeld sind vor allem ideologisch motiviert und führen weder zu einer Erhöhung der Geburtenquote noch zu einer Verbesserung der Kinderbetreuung oder gar einer Erhöhung der Frauenerwerbstätigkeit“. Prof. Martin Kocher von der Ludwig-Maximilians-Universität München erklärte, die Familienpolitik in Deutschland weise „falsche Prioritäten“ auf, „offensichtliche Ineffizienz“ und gehe „offensichtlich an den Präferenzen der Eltern vorbei.“
Auch bei einzelnen Leistungen fällt die Kritik teilweise vernichtend aus. So halten die Experten das Betreuungsgeld mit einer Durchschnittsnote von 4,6 für nahezu ungeeignet, um die Geburtenquote anzukurbeln. Das Ehegattensplitting fällt mit einer Durchschnittsnote von 4,2 ebenfalls durch. Noch miserabler fällt das Zeugnis der Volkswirte bei der Frage aus, wie wirksam verschiedene Maßnahmen zur Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen sind. Dabei gab es für das Ehegattensplitting die Note 4,5, für das Betreuungsgeld gar die Note 4,8 und damit unbefriedigend.
Um die Geburtenrate und die Frauenerwerbsquote zu verbessern, solle der Staat eher beim Bau von Kitas und Kindergärten ansetzen, raten die Ökonomen. Die Schaffung von zusätzlichen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder findet mit Noten von 2,1 (Geburtenrate) bzw. 1,7 (Frauenerwerbstätigkeit) mit Abstand den meisten Zuspruch.
Allerdings warnen zahlreiche Ökonomen auch vor überzogenen Erwartungen: „Im politischen Rahmen wird das Mögliche getan. Die Entscheidung für Kinder lässt sich nicht weiter durch monetäre Anreize und Betreuungsangebote verbessern“, sagte etwa Prof. Georg Müller-Fürstenberger (Uni Trier). Ähnlich argumentierte auch Prof. Juergen von Hagen. „Für die Frage, wie viele Kinder geboren werden, ist die Familienpolitik irrelevant. Eine Generation, die nur sich selbst sieht, hat kein Interesse an Nachwuchs. Da helfen auch keine Euros.“
Für das Ökonomen-Barometer wurden zwischen dem 6. und dem 13. Februar insgesamt rund 600 Volkswirte in Banken, Forschungseinrichtungen und Wirtschaftsverbänden befragt.