Kapitallebensversicherung

Rückbesinnung: Vom Erfolgsmodell zum Ladenhüter

25.02.14 17:30 Uhr

Auf der Suche nach strategischen Nischen und Neugeschäft haben die deutschen Lebensversicherer ihr Kernprodukt vom reinen Vorsorgeprodukt zu einem Kapitalanlageprodukt "repositioniert".

von Ingo Wichelhaus, Gastautor von Euro am Sonntag

Egal, ob in den Medien oder auf den Informationsseiten der Verbraucherschützer: An der deutschen Kapitallebensversicherung wird derzeit kein gutes Haar gelassen. Die Verzinsung sei extrem schlecht, das Produkt an sich sei komplett intransparent, die Kosten und Gebühren seien zu hoch - kurzum: Die Versicherer würden systematisch die Kunden übervorteilen und die Zeit der Kapitallebensversicherung sei definitiv vorbei. Und nicht nur ich stelle mir die Frage: Wie konnte das mit einem der beliebtesten Altersvorsorge- und Sparprodukte der Deutschen geschehen?

Auf der Suche nach den Gründen des "Niedergangs" muss man rund 30 Jahre zurückblicken. Nach der Deregulierung des Versicherungsmarktes 1994 hat der Lebensversicherungsmarkt in Deutschland im Volumen noch einmal richtig zugelegt. Die besondere Konstruktion des Produkts mit Mindestgarantien für die Höhe der Verzinsung und der indirekten staatlichen Förderung durch Nichtbesteuerung der Erträge aus einer Kapitalversicherungspolice (unter anderem unter der Voraussetzung, dass diese für mindestens zwölf Jahre abgeschlossen wird), haben ein kleines "Wirtschaftswunder" befeuert.

Rückkaufswerte verzerren den
tatsächlichen Wert der Police

Die klassische deutsche Kapitallebensversicherung war und ist ein richtiges Traditionsprodukt der privaten Altersvorsorge - wie der Bausparvertrag oder das Sparbuch auch -, von dem die meisten in unserem Land nicht nur eines, sondern gleich mehrere besitzen. Und die (Verkaufs-)Zahlen sprachen für sich. In Zeiten üppiger Zinszahlungen auf Anleihen und des Aktienbooms konnten die Versicherer für ihre Kollektive, also die Gesamtheit der Policenbesitzer, ständig steigende Gewinne produzieren. Und dies ohne nennenswerte Schwankungen, da die Versicherer über Ausgleichsmechanismen verfügen, die es erlauben, in schlechten Zeiten Reserven aufzubauen, von denen in guten Zeiten alle profitieren. Die deutsche Kapitalversicherung war ein Erfolgsmodell, das stabile Kapitalerträge mit der Absicherung biometrischer/versicherungstechnischer Risiken, wie Sterblichkeit verband und sich somit perfekt als langfristiges Spar- und Absicherungsprodukt für die Altersvorsorge anbot.

Was letztlich dafür ausschlaggebend war, dass sich die Versicherer entschieden haben, sich von diesem Produktkern - zumindest in Teilen - zu verabschieden, ist nicht ganz klar. Vielleicht gab hier das Zauberwort der "Bankassurance" den Ausschlag, der im Kern besagt, dass Banken begannen, Versicherungsprodukte über den Bankschalter zu verkaufen. Vielleicht war es aber auch der Wunsch der Versicherungsvorstände, stärker zu wachsen, indem man klassischen Bankprodukten Konkurrenz machte. Ein Prozess der Repositionierung der Kapitalversicherung als Anlageprodukt begann, befeuert von den fondsgebundenen Produkten, die das Beste aus beiden Welten vereinen sollten: Absicherung und hohe Renditen.

Allerdings kann man festhalten, dass es sehr wesentliche Unterschiede zwischen der Produktkonzeption "klassischer Kapitalanlageprodukte" wie Fondsanteile und den Kapitallebensversicherungen gibt, die auch völlig unterschiedliche Bedürfnisse der Anleger/Versicherungsnehmer decken.

Nach dem Wegfall der Steuervorteile im Jahr 2005 und durch ständig sinkende Überschüsse der Lebensversicherungen hat der Niedergang der Kapitalversicherung - zumindest in den Medien - begonnen. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass die Policen anhand der Kriterien für Kapitalanlageprodukte gemessen werden. Während für jedes Kapitalanlageprodukt eine nahezu vollständige Information für den Anleger verfügbar ist, kann eine Police, die als Teil eines Versichertenkollektivs an Ausgleichs- und Reservierungsmechanismen beteiligt ist, nicht vollständig transparent dargestellt werden.

Das zeigt sich insbesondere auch bei den Rückkaufswerten, die nicht den Wert der einzelnen Police darstellen, sondern den zeitanteiligen Wert der Police im Kollektiv - und dort sind eben die Teile nicht enthalten, die in schlechten Zeiten dieses als Ganzes absichern, und nicht den einzelnen Vertrag.

Das ist der Kern des Problems! Die deutschen Versicherer haben sich durch die Positionierung von Kapitalversicherungen als reine Anlageprodukte dem Bewertungssystem des Kapitalmarkts ausgesetzt, die hier angewendet zu absolut falschen Schlussfolgerungen in der Bewertung der Kapitalversicherung führen können. Eine Versicherung ist kein Individualprodukt, bei dem mein Anteil genau und zu jedem Zeitpunkt der Laufzeit bewertet werden kann und auf den ich ohne Abstriche einen Anspruch habe.

Auf genau dieser Problematik basiert im Übrigen auch die aktuelle Diskussion zur Beteiligung der Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven. Nur aufgrund der Sichtweise, dass es sich bei einer Kapitalversicherung um ein kapitalmarktnahes Produkt handelt, das zu jeder Zeit zu seinem "fairen Wert" bewertbar und veräusserbar sein muss, ist es sinnvoll, die Versicherungsnehmer, die das Kollektiv verlassen, an nicht realisierten Reserven des Kollektivs zu beteiligen.

Funktionierender Zweitmarkt
für Lebensversicherungen

Übrigens: Das oftmals zitierte Problem der mangelnden Liquidität und Flexibilität deutscher Kapitalversicherungen wurde vor geraumer Zeit bereits gelöst. Seit dem Jahr 2001 gibt es in Deutschland einen funktionierenden Zweitmarkt für Kapitalversicherungspolicen, auf dem die Policen der Versicherungsnehmer von Aufkäufern erworben und weitergeführt werden und damit weiterhin Teil des Kollektivs bleiben. Damit sind die Versicherungsnehmer, die ihre Police nicht mehr benötigen oder nicht mehr weiterführen können, in der Lage, flexibel ihre Police zu veräußern, ohne größere Abschläge zum inneren Wert hinnehmen zu müssen.

Meiner Meinung nach sollte man sich von den Versicherern dringend wünschen, dass sie wieder die klassischen Vorteile des Produkts Kapitallebensversicherung in den Vordergrund stellen. Warum werden ständig neue Produkte entwickelt, wenn das, was die meisten Deutschen brauchen, bereits vorhanden ist: nämlich ein verlässliches, hoch reguliertes Vorsorgeprodukt, dass im Kollektiv Schwankungen auffängt und über Jahrzehnte nachgewiesen hat, dass es der Deutschen liebstes Kind in Sachen Altersvorsorge ist.

zur Person:

Ingo Wichelhaus, Vorstand National
des BVZL International

Seit rund zehn Jahren ist Ingo Wichelhaus hauptberuflich für die Portigon AG (vormals WestLB) im deutschen Lebensversicherungszweitmarkt als Finanzierer, Policenaufkäufer/Händler und Eigenkapitalinvestor tätig. Er ist Vorstand National des BVZL International, dessen Mitglieder sich weltweit in Lebensversicherungs-Zweitmärkten engagieren. Der Verband fungiert als einheitliche Interessenvertretung in wirtschaftlichen, rechtlichen und politischen Fragen und steht im ständigen Dialog mit Politik, Meinungsbildnern, Öffentlichkeit und anderen Interessengruppen, um die dynamische Entwicklung der Branche zu unterstützen.