Immobilien finanzieren

Einheimischenmodelle: Baurabatt von der Gemeinde

08.06.13 03:00 Uhr

Viele Gemeinden locken beim Grundstückskauf mit hohen Preisnachlässen. Warum kinderreiche Familien und ehrenamtlich Engagierte punkten und wo die Tücken liegen.

von Michael H. Schulz, Euro am Sonntag

Wer in Wartenberg sein Haus bauen will, muss schnell sein. Das Bauland ist noch nicht ausgeschrieben, schon stapeln sich Dutzende Anschreiben von Einheimischen bei der Verwaltung. Denn in der Gemeinde im Landkreis Erding bei München zahlen ortsansässige Bürger für den Quadratmeter Bauland mit 195 Euro deutlich weniger als neu Hinzugezogene.

Besonders dort, wo Bauland begrenzt verfügbar ist, fördern die Kommunen ihre Bürger, um den Grundstücksausverkauf zu verhindern. Wie auf der Nordseeinsel Wangerooge, wo Rentner vom Festland abgehalten werden sollen. Seit 2010 vergibt die Gemeinde dort Grundstücke mit Abschlag an Einheimische, die aktiv am Inselleben teilnehmen und nicht nur in Ferienhäusern eine ruhige Kugel schieben.

Ob in Wartenberg oder auf Wangerooge, bundesweit vergeben Städte und Gemeinden seit Jahrzehnten Baugrundstücke mit ordentlichem Preisnachlass an Einheimische oder Bürger, die sich zumindest der Gemeinde sozial oder wirtschaftlich verbunden fühlen. Da reicht oft ein Ehrenamt bei der freiwilligen Feuerwehr oder im Heimatverein. Seit die Preise für erschlossenes Bauland gestiegen sind und Kommunen höhere Grunderwerbsteuer verlangen, boomen die so­genannten Einheimischenmodelle erst recht.

Die konkreten Vergabekriterien und die Höhe des vom Bürgermeister gewährten Baurabatts variieren allerdings von Ort zu Ort — je nachdem, welche Ziele die Gemeinde verfolgt. Im teuren und kaufkräftigen München ist die Grenze beim Haushaltseinkommen höher als auf dem Land. Dort wird das Ehrenamt etwa bei der freiwilligen Feuerwehr höher bewertet. In der Regel punktet, wer seinen Hauptwohnsitz schon länger am Ort hat oder dort arbeitet, nicht älter als 50 Jahre ist, bisher hier kein Wohneigentum besitzt, dafür aber mindestens ein minderjähriges Kind hat.

Bodenspekulanten fernhalten
Ursprünglich handelte es sich bei dem Preisnachlass um lokalen Protektionismus. Bürgermeister wollten Alteingesessenen einen Vorsprung gegenüber finanzkräftigen Zuzüglern verschaffen und Bodenspekulationen verhindern.

Die lokale Verwurzelung allein zählt aber immer weniger, wenn man von den Preisnachlässen beim Bauland profitieren will: Zunehmend sticht vielerorts die Zahl der Kinder die lange Verwurzelung aus. Dafür gibt es gute Gründe. Viele Gemeinden wollen junge Familien am Ort halten oder gezielt anlocken, statt mehr und mehr zu vergreisen.

Die Vorzugspreise für Ortsverbundene leiten sich aus Paragraf 11 Absatz 2 des Baugesetzbuches ab. Dort ist geregelt, dass Städte und Gemeinden bezahlbaren Wohnraum der ortsansässigen Bevölkerung zur Verfügung stellen können. Das ist laut einem Urteil des Bundesver­waltungsgerichts von 1993 grundsätzlich rechtens (Az. 4 C 18/91). Nach diesem Urteil schossen hierzulande die Einheimischenmodelle von Gemeinden wie Pilze aus dem Boden.

Einige davon hatte schon bald die EU-Kommission auf dem Kieker. Die Modelle von Weilheim, Bernried, Seeshaupt und Vohburg in Oberbayern sowie Selfkant an der Grenze zu den Niederlanden verstoßen wegen ihrer Vergabekriterien angeblich gegen EU-Recht. Das Verfahren liegt zwar nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen 69 Gemeinden aus Flandern (Az. C-197/11) auf Eis, „doch keines der deutschen Modelle wird von dem EuGH-Urteil beeinflusst“, verdeutlicht Helmut Roithmaier. Der promovierte Verwaltungsrechtler ist seit den 70er-Jahren ein gefragter Experte, wenn Städte und Gemeinden mit einem Einheimischenmodell ihre Zuwanderung regeln wollen.

Seiner Meinung nach ist man nun so schlau wie vorher. „Nachdem sich aus dem Urteil des EuGH kein Freibrief für die deutschen Vergabe­modelle ergibt, hängt nach wie vor wieder alles an den Verhandlungen mit der Brüsseler Kommission, die demnächst wieder aufgenommen werden. Unstrittig wird dabei allerdings die Dauer der Bindungsfrist für die Erwerber von preisgünstigem Wohnbauland bleiben“, erklärt Roithmaier.

Denn als Faustregel hat sich ein­gebürgert: je höher der Preisnachlass, desto länger die Bindung an das Wohneigentum vor Ort. Gemeinden bieten Nachlässe zwischen 30 und ­ 90 Prozent des Marktpreises. Bei einem Rabatt von bis zu 30 Prozent ist es üblich, dass der oder die Käufer sich zehn oder 15 Jahre an den Ort binden, wo ihre Immobilie steht. Bei höheren Rabatten von bis zu 50 Prozent muss man sich auch schon mal 20 Jahre als Eigennutzer binden. Die Vermietung etwa einer Einliegerwohnung ist aber zulässig.

Nicht jede Klausel ist rechtens
Der Verkauf innerhalb der langjährigen Frist wird jedoch teuer. Verkäufer müssen den Differenzbetrag zwischen dem heutigen Verkehrswert des Grundstücks und dem vereinbarten Preis zum rabattierten Heimattarif nachzahlen. Das wirkt wie eine Strafsteuer, wenn der Grund­stückswert stark gestiegen ist. Doch nicht jede Klausel im Kaufvertrag müssen sich Interessierte gefallen lassen. So erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) beispielsweise eine 20-jährige Selbstnutzungsverpflichtung bei einem hessischen Einheimischenmodell für unwirksam. In dem Streitfall hatten Nutzer Mitte der 90er-Jahre ein Grundstück im Einheimischenmodell mit einem Rabatt von 50 Prozent gegenüber dem Verkehrswert gekauft. Als sie berufsbedingt den Wohnort wechselten und das Haus danach leer stand, forderte die Stadt rückwirkend eine saftige Kaufpreiszuzahlung. Zu Unrecht. „Die Regelungen schießen in ihrer Gesamtheit über die Sicherung der Zwecke eines Einheimischenmodells, die Bodenspekulation zu verhindern und einheimische Familien zu fördern, deutlich hinaus“, lautet das Urteil der höchsten Zivilrichter (Az. V ZR 175/09).

Auch Kapitalanleger müssen in einem Einheimischenmodell die Bindungsfristen beachten. Sie kommen meist erst dann zum Zug, wenn sich innerhalb einer Frist keine Eigennutzer finden. Als Eigentümer gilt dann für sie eine Mietpreisbindung. So wie beispielsweise beim „München-Modell“. Hat etwa eine vierköpfige Familie jährlich ein Haushaltseinkommen von maximal 82.600 Euro und erwirbt eine Eigentumswohnung mit energieeffizienter Bauweise, dann kann sie den Quadratmeter nach dem „München Modell  3“ deutlich unter Verkehrswert kaufen und für neun Euro an Bürger vermieten. Dafür muss sie gerade einmal zwölf Monate in München wohnen oder arbeiten. Bei Kinder­losen beträgt diese Frist dagegen drei Jahre.

Die Miete liegt etwa 1,50 Euro unter der durchschnittlichen Nettokaltmiete pro Quadratmeter, die laut Mietspiegel derzeit in München zu zahlen ist. Nach fünf Jahren kann man die Miete um maximal fünf Prozent bis zur ortsüblichen Miete anheben. Tipp: Auch Baugemeinschaften, bei denen sich einzelne Bauherren zusammenschließen, um Einfluss auf die Planung und den Wohnstandard zu nehmen, profitieren von Preisnachlässen.