Kundenfreundliche Lebensversicherer: Die Türöffner
17.04.16 18:25 Uhr

Neue Produkte helfen Lebensversicherern aus der Niedrigzins-Misere, aber helfen sie auch den Kunden? €uro hat die 50 stabilsten und kundenfreundlichsten Rentenpolicen getestet.
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von Martin Reim, Euro Magazin
Die Regierung hat die Lebensversicherer stabilisiert - doch können sie sich finanziell kaum noch bewegen. €uro zeigt, welche Anbieter trotz allem aussichtsreich sind.
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Wer in einem goldenen Käfig sitzt, so definiert es der Duden, ist "trotz großen Reichtums unfrei". Genau in dieser Situation befinden sich die deutschen Lebensversicherer. Sie haben zuletzt enorme Gewinne aufgebaut. Aber sie dürfen sie nicht so verwenden, wie sie wollen. In den Käfig gesteckt hat sie das Bundesfinanzministerium. Zum einen durch das Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG), das den Unternehmen seit 2014 erlaubt, die sogenannten stillen Reserven komplett zu behalten. Zuvor mussten sie zur Hälfte an ausscheidende Kunden gehen. Diese Reserven entstehen, wenn Wertpapiere über ihrem Kaufpreis notieren. Die Lebensversicherer halten den Großteil ihrer Investments in fest- verzinslichen Papieren. Und angesichts des stetigen Niedergangs der Marktzinsen sind hier Dutzende Milliarden Euro aufgelaufen.
Garantiezins als Problem
Auf der Gegenseite hatte Berlin die Branche bereits 2011 verpflichtet, in Anbetracht sinken- der Zinsen Geld zurückzulegen. Diese sogenannte Zinszusatzreserve soll dafür sorgen, dass auch künftig noch die hohen Garantiezinsen mancher Altverträge gezahlt werden können.Werbung
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All dies bedeutet: Kurz- bis mittelfristig hat sich die Branche eindeutig stabilisiert. Dies zeigt sich an der jährlichen Untersuchung der Analysegesellschaft für Anlage- & Versicherungsprodukte im Auftrag von €uro. Sie stammt fast komplett aus den öffentlich zugänglichen Datenbanken der Finanzaufsicht Bafin, die wiederum auf den Bilanzen von 2014 beruht - dem ersten Jahr, in dem das LVRG gegriffen hat. Auf Basis der 2013er-Bilanzen war von 69 betrachteten Unternehmen lediglich eines "sehr gut" (Europa). Diese Zahl hat sich nun auf vier erhöht. Und aus den 42 als "gut" bewerteten Unternehmen sind mittlerweile 50 geworden. Die Note "ausreichend", zuvor dreimal vergeben, geht nun an kein Unternehmen mehr.
Konkret wurde bei unserem Test die Finanzkraft des jeweiligen Versicherers mit 30 Prozent gewichtet. Die Leistungen, mit denen Kunden rechnen können, bestimmten gleichfalls zu 30 Prozent das Endergebnis. In die Bewertung "Kundenzufriedenheit" gingen Frühstornoquoten und Beschwerden mit insgesamt zehn Prozent ein. Die Bestandssicherheit - hierzu zählt unter anderem das Wachstum der Versicherungsbestände - machen ebenfalls 30 Prozent des Gesamtergebnisses aus. Hinzu kamen Performance, Zahlen zu Verzinsung und Kosten mit gleichfalls 30 Prozent. Diese Daten, wie auch einige Angaben zur Bestandssicherheit, stammen teilweise von der Versicherungsratingagentur Assekurata (siehe auch "So lesen Sie die Tabellen").
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"Derzeit dürfte kein Lebensversicherer akut gefährdet sein", sagt denn auch Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse bei Assekurata. Doch zehren die niedrigen Zinsen aus seiner Sicht quasi unmerklich an der Stabilität. "Die Unternehmen verlieren dadurch schleichend an Substanz." Die Zinszusatzreserve entziehe den Unternehmen Geld, das sie eigentlich für Zukunftsinvestments benötigten. Denn was die langfristigen Aussichten betrifft, steckt die Branche nach wie vor in der Zwickmühle. Solange der durchschnittliche Garantiezins in ihren Beständen hoch ist, muss sie in die Zinszusatzreserve einzahlen. Assekurata hat eine bisherige Gesamtsumme von gut 30 Milliarden Euro errechnet - Tendenz steigend: Allein auf 2015 entfielen rund zehn Milliarden Euro.
Neue Produkte als Lösung
Deshalb muss die Branche alles tun, um den durchschnittlichen Garantiezins zu senken. Geschehen soll das vor allem mit Policen, die nur noch die eingezahlten Beiträge zu Vertragsende garantieren. Etwa sogenannte Indexpolicen, bei denen der Kunde wählen kann, ob er eine traditionelle Überschussbeteiligung erhält oder an der Entwicklung eines oder mehrerer Indizes teilhaben will. Teilweise sind diese neuen Produkte bereits recht erfolgreich. So verkaufen sie sich bei der Allianz so gut, dass der Marktführer 2015 im Neugeschäft lediglich einen durchschnittlichen Garantiezins von 0,8 Prozent versprechen musste, wie Kapitalanlagevorstand Maximilian Zimmerer kürzlich mitteilte. Hätte es sich aus- schließlich um klassische Policen mit Garantiezins gehandelt, hätte der Wert bei 1,25 Prozent gelegen.Im Überblick: Die 50 stabilsten Lebensversicherer (PDF)
Doch was ist aus Kundensicht von solch neuen Angeboten zu halten? Immerhin versprechen sie mehr Rendite, aber weniger Sicherheit. Und wie sind die bisherigen klassischen Tarife mit Garantiezins zu beurteilen? Das zeigt der zweite Teil unseres Tests, den Sie nachfolgend lesen.
Moderne und klassische Lebensversicherungen im Test
Wie komme ich raus aus dem goldenen Käfig? Diese Frage beschäftigt die deutschen Lebensversicherer immer stärker. Die Unternehmen haben ein Kernproblem: Sie müssen für klassische Kapitallebens- und private Rentenversicherungen Jahr für Jahr garantierte Zinsen zahlen. Diese Garantien werden im sogenannten Sicherungsvermögen hauptsächlich mithilfe von Anleihen erwirtschaftet.
Doch angesichts der extrem niedrigen Zinsen, die Anleihen bereits seit Jahren abwerfen, können die Versicherer nicht mehr die hohen Garantien von teilweise vier Prozent erwirtschaften. Konsequenz: Sie müssen immer mehr Geld aus dem laufenden Geschäft nehmen, um die Auszahlung für solch teure Policen auch noch in Jahrzehnten sicherzustellen.
Somit suchen die Anbieter nach Wegen, den Zins, den sie im Sicherungsvermögen erwirtschaften müssen, zu drücken. Das geht am besten, indem sie möglichst viele Verträge abschließen, die keine Garantien mehr bieten. Im sicherheitsorientierten Deutschland ist so etwas kaum durchzusetzen. Deshalb achten die Versicherer bei vielen neuen Produkten darauf, dass am Ende der Einzahlungsphase zumindest die überwiesenen Beiträge erhalten sein müssen. Auch das hilft den Unternehmen schon weiter.
Warum sollten Kunden auf so etwas eingehen? Klare Antwort: Durch die Aussicht auf höhere Renditen. Exemplarisch dargestellt sei dies anhand von klassischen Verträgen und von sogenannten Indexpolicen, der neuesten Wunderwaffe aus den Entwicklungsabteilungen der Konzerne. Zum Vergleich: Bei klassischen Policen ist nur der Garantiezins sicher. Jährlich kann eine Überschussbeteiligung hinzukommen, die aus dem Deckungsstock stammt. Ob sie bezahlt wird und wie hoch sie ausfällt, hängt von der Lage an den Finanzmärkten und dem Geschick der Investmentmanager ab.
Der Mechanismus bei Indexpolicen sei exemplarisch erklärt anhand der "IndexInvest" der R + V, des Versicherers der Volks- und Raiffeisenbanken. Hier kann der Kunde jährlich wählen, ob er in den folgenden zwölf Monaten an der Entwicklung eines Index partizipieren will, oder ob er komplett eine Überschussbeteiligung erhalten möchte. Diese Überschussbeteiligung ähnelt jener bei klassischen Policen, allerdings gibt es keinen Garantiezins.
Angenommen, der Kunde wählt, dass er in folgenden zwölf Monate am Index teilhaben will. Dann wird jeden Monat die Entwicklung des Euro Stoxx 50, der die 50 wichtigsten Aktiengesellschaften des Euroraums enthält, festgehalten. Ist er im Plus, greift gegebenenfalls eine vorher definierte Obergrenze, der sogenannte Cap, bis zu der der Kunde partizipiert. Ein eventuelles monatliches Minus schlägt voll durch. Am Ende werden die zwölf Werte addiert. Ist der Gesamtwert negativ, erhält der Kunde nichts, macht aber auch keinen Verlust. Ist der Wert positiv, wird das gesamte aufgelaufene Vertragsguthaben mit der addierten Prozentzahl verzinst. Die zugewiesene Rendite erhöht das Sicherungsvermögen, sodass in der nächsten Periode ein höheres Startguthaben besteht. Der Cap wird jährlich neu festgelegt, zum letzten Stichtag 1. März betrugt er drei Prozent pro Monat.
Eine weitere Variante von Lebensversicherungen, deren Rendite teilweise auf dem Sicherungsvermögen beruht, sind sogenannte dynamische Hybridpolicen. Deren Funktionsweise ist auf der kommenden Seite erklärt.
Zu welchen Policen Kunden greifen sollten, hängt zum einen von ihrer Risikoneigung ab - wie gering die Garantien sein dürfen, um mehr Rendite zu bekommen. Zum anderen sollte man darauf achten, wie kundenfreundlich die Vertragsbedingungen sind. Sie ist extrem wichtig, weil sie einen angeblich wesentlichen Nachteil privater Rentenversicherungen beleuchtet: Ihre gering Flexibilität. Ist ein Vertrag unflexibel, wird er seinem Besitzer möglicherweise wenig Freude bereiten, selbst wenn er renditeträchtig ist. Beispiel: Wenn keine Zuzahlungen während des Vertragsverlaufs möglich sind. Oder wenn es keine höhere Rente gibt, wenn der Kunde pflegebedürftig wird. Andererseits sollte dem Kunden ein Höchstmaß an Berechenbarkeit geboten werden. Etwa ob die Art und Weise, wie der Versicherer seine Kosten kalkuliert, über die gesamte Vertragslaufzeit gleich bleibt. Oder ob mit Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders die Rente gekürzt werden kann.
Großer Vergleichstest:
Hier geht es zu den kundenfreundlichsten Lebensversicherern (PDF)
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