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Immobilien: Verkaufen, um zu bleiben

21.01.17 12:00 Uhr

Immobilien: Verkaufen, um zu bleiben | finanzen.net

Viele Rentner haben ein großes Vermögen, doch das steckt im Eigenheim. Ihre Rente hingegen ist vergleichsweise niedrig. Wie Immobilien zu Geld werden.

von Markus Hinterberger, Euro Magazin

Hannelore und Horst Müller bewohnen eine Wohnung, die die ihre ist, ihnen aber nicht mehr gehört. Das Rent­ner­ehe­paar aus München hat keine Erben, der einzige Sohn ist früh verstorben. Also haben sie ihr Eigenheim verkauft und sich einen lebenslangen Nießbrauch ins Grundbuch eintragen lassen. Damit haben sie drei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Sie müssen sich nicht mehr darum kümmern, wer die Wohnung nach ihrem Tod bekommt, sie können weiter zu Hause wohnen, und zudem bringt ihnen der Nießbrauch noch etwas Geld. Damit sie, wie Horst Müller sagt, "das ­Leben genießen können".



Als Nießbrauchrentner gehören die Müllers noch zu einer Minderheit in Deutschland. "Die Deutschen tun sich schwer, ihr Eigenheim zu verkaufen", sagt Finanzpsychologin Monika Müller. Doch Modelle wie Nießbrauch, Leibrenten oder einfach der Verkauf werden bei Rentnern künftig populärer werden. Viel Vermögen, wenig Rente. Laut einer Erhebung des Statistischen Bundesamts aus dem Jahr 2010 - neuere Daten gibt es nicht - steht in jedem vierten Haushalt von Personen zwischen 55 und 69 Jahren, die über selbst genutzte Immobilien im Wert von mindestens 100 000 Euro verfügen, pro Kopf nur ein monatliches Einkommen von 1150 Euro zur Verfügung. Die Armutsgrenze liegt nur etwa 150 Euro tiefer. Die Zahl der vergleichsweise armen Immobilienbesitzer dürfte in den vergangenen Jahren eher gewachsen als geschrumpft sein: Zwar sind seit 2010 gerade in Ballungsräumen die Kaufpreise und somit auch die Verkehrswerte vieler Wohnungen zwischen 30 und 80 Prozent gestiegen, doch die Renten haben diese Entwicklung nicht einmal ansatzweise mitgemacht.

"Viele Menschen besitzen enorme ­Immobilienwerte, leben aber von einer kleinen Rente", sagt Otto Kiebler. Er hat den Müllers geholfen, ihre Wohnung ­gegen Nießbrauch zu verkaufen. Der gelernte Banker und Vermögensverwalter hat vor rund zehn Jahren in seinem Unternehmen Haus plus Rente das Modell eines Nießbrauchs mit einer Rente entwickelt. "Vereinfacht gesagt, bringe ich Menschen, die ihre Wohnung in eine bare Rente verwandeln wollen, und Immobilieninvestoren zusammen", erklärt der Münchner sein Geschäft. Damit setzt Kiebler an dem Punkt an, der den Müllers sehr schwerfiel. Bereits vor einigen Jahren hatte sich das Paar entschlossen, seine Wohnung zu verkaufen, aber unter dem Vorbehalt, weiter darin wohnen zu dürfen. Interessenten kamen und gingen, die 86 Quadratmeter große Wohnung im Erbbaurecht im zweiten Stock eines gepflegten Wohnblocks im Stadtteil Schwabing ist hell und freundlich, aber das Wohnrecht schreckte potenzielle Käufer ab. "Mit Haus plus Rente dauerte es wenige Monate und wir hatten einen Käufer", erzählt Horst Müller.


Er und seine Frau haben durch ihren Verkauf 150 000 Euro bekommen. Das erscheint wenig für eine Wohnung in guter Lage in der teuersten Stadt Deutschlands. Neben dem Erbbaurecht minderte der Nießbrauch den Verkaufserlös. Um den Wert des Nießbrauchs zu ermitteln, rechnete man bei den Müllers wie folgt: Das Paar ist 73 und 77 Jahre alt. Verkaufen Paare gegen Nießbrauch, wird die Miete der Wohnung mit der Lebenserwartung des jüngeren Partners multipliziert. Für die 73-jährige Hannelore Müller wurden 21 Jahre Lebenserwartung angenommen. Das ist nicht die statistische Lebenserwartung - demnach hätte sie nur noch etwa elf Jahre -, sondern die nach den Berechnungen des Deutschen Aktuarvereins.

Die Versicherungsmathematiker kalkulieren mit einem großzügigen Puffer, schließlich will sich die Assekuranz gegen das Langlebigkeitsrisiko ihrer Kunden absichern. Beim Nießbrauch ist das nicht anders, denn indem man den Wert des Nießbrauchs etwas großzügiger berechnet, zahlt der Käufer weniger und sichert sich damit für den Fall ab, dass die Nießbrauchberechtigten ein biblisches Alter erreichen. Unterm Strich kam bei den Müllers ein Nießbrauchwert von 130 000 Euro he­raus, der von den 280 000 Euro Verkehrs­wert der Wohnung abgezogen wurde.


Als das Geld aus dem Verkauf auf dem Konto der Müllers eingegangen war, steckten sie 100 000 Euro in eine Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag. Diese Police bringt ihnen monatlich, je nachdem wie erfolgreich die Versicherung das Geld anlegt, zwischen 400 und 500 Euro. "Geld, das wir für die ein oder andere Anschaffung gut gebrauchen können", sagt Hannelore Müller und deutet auf einen zierlichen Bauernschrank in ihrem Wohnzimmer.

Die übrigen 50 000 Euro liegen derzeit auf dem Konto. "Vielleicht renovieren wir erst einmal das Bad und dann ­sehen wir weiter", sagt Horst Müller. Ihr Nießbrauchrecht erlaubt ihnen sogar, die Wohnung zu vermieten, wenn sie einmal in ein Pflegeheim ziehen müssen. Reparaturen und Instandhaltungsarbeiten werden mit dem neuen Besitzer abgesprochen. Gleiches gilt für Umbauten. "Wenn der Nießbrauchberechtigte die Wohnung so umbaut, dass sich ihr Wert erhöht, wird der Besitzer nichts dagegen haben und mitzahlen", so Kiebler.

Ballungsräume bevorzugt. Bislang bieten er und einige Wettbewerber das Modell Rente gegen Nießbrauch im Großraum München an. Haus-plus-Rente-Chef Kiebler plant jedoch, im Lauf des Jahres 2017 sein Modell mit Partnern in Berlin, Hamburg, dem Rhein-Main-Gebiet, Stuttgart, Nürnberg und im Großraum Köln-Düsseldorf zu etablieren. Mittelfristig sollen weitere Städte hinzukommen, allerdings nur solche, die wachsen. Ganz gleich, ob Nießbrauch oder ein anderes Modell, hohe Erträge winken nur dort, wo die Immobilie oder der Grund, auf dem sie steht, langfristig an Wert gewinnt.

Das gilt auch bei der Leibrente, dem Modell, mit dem es Hannelore und Horst Müller zuerst versucht haben. Die Leib­rente ist eine abgespeckte Version des Nießbrauchs. Auch hier trennt sich der Eigentümer von seiner Immobilie, vereinbart ein Wohnrecht und bekommt die Differenz aus dem Wert des Wohnrechts und dem Wert der Immobilie vom neuen Eigentümer in Raten ausgezahlt.

Hauptproblem bei der Leibrente ist die Absicherung, falls die monatliche Rentenzahlung ausbleibt. "Eine Leibrente ist nur empfehlenswert, wenn im notariellen Vertrag eine sogenannte Rückfallklausel aufgenommen wird. Sie sorgt dafür, dass das Eigentum wieder an den Verkäufer zurückfällt, wenn der Käufer zwischenzeitlich die Leibrente nicht mehr zahlen kann", erklärt Nießbrauch-Fachmann Kiebler. Zudem ist es sinnvoll, das Wohnrecht als sogenannte Grundschuld ins Grundbuch einzutragen. Damit kann dem Rentner nicht gekündigt werden, wenn das Anwesen zwischenzeitlich wieder verkauft wird, etwa weil der erste Käufer pleite ist.

Neben einigen regionalen Maklern bietet etwa die Stiftung Liebenau solche Leib­rentenmodelle an. Hierbei muss das selbst genutzte Haus an die Stiftung verkauft werden. Im Gegenzug erhalten die Verkäufer ein lebenslanges Wohnrecht in ihrer Immobilie und darüber hinaus eine monatliche Rente.

Grundsätzlich ergibt sich auch bei der Stiftung Liebenau die Höhe der Immobilienrente aus dem Wert der Immobilie, dem Alter des Stifters und einem Risikoabschlag. Zudem werden der Wert des lebenslangen Wohnrechts sowie laufende Kosten abgezogen, bevor aus dem verbleibenden Wert der Immobilie die Höhe der Rente errechnet wird. So erhält eine 75-jährige Frau, die ein Haus im Wert von 400 000 Euro besitzt, eine monatliche Rente von etwa 800 Euro. Bei Verzicht auf das Wohnrecht oder bei Tod wird ein eventuell noch vorhandener Restwert ausgezahlt.

Alternative Auszug. "Wer merkt, dass die Rente nicht zum Leben reicht, oder wer einfach größere Sprünge machen will, sollte sein Eigentum verkaufen und sich verkleinern", sagt Merten Larisch, Leiter des Teams Altersvorsorge der Verbraucherzentrale Bayern. "In der Regel ist das Eigenheim für Senioren ohnehin zu groß oder mit zunehmendem Alter durch Treppen und andere Hindernisse zu unbequem." Er rät Rentnern, so emotionslos wie möglich zu kalkulieren. Im besten Fall reiche das Geld nach einem Verkauf aus, um eine kleinere - idealerweise barrierearme - Wohnung zu kaufen, und es bleibt noch Geld übrig für den Konsum. Wer sich vom Erlös kein Eigentum leisten kann, sollte mieten. "Das ist mitunter günstiger, als man denkt", sagt Larisch, "und erspart einem Kosten für Reparaturen ebenso wie die Frage, wer die Immobilie erben soll."

Doch der Vorsorgeexperte geht noch weiter: Seiner Ansicht nach sollte jeder, der sich in jungen Jahren entscheidet, ein Eigenheim zu bauen oder zu kaufen, so kalkulieren, dass er gleichzeitig auch Geld fürs Alter anlegen kann: "Dann kommt man im Alter gar nicht in die Verlegenheit, verkaufen zu müssen."

Wer dennoch - etwa auf Nießbrauch - verkaufe, sollte das Geld auf eigene Faust anlegen. "Eine Rentenversicherung kostet zu viel und lohnt sich nur, wenn man sehr alt wird." Das Ehepaar Müller etwa sollte noch mindestens 17 Jahre leben, damit sie seine 100 000 Euro in Form einer Rente wiederbekommen haben. Hannelore Müller wäre dann 90, ihr Mann Horst 94 Jahre alt.

Daher rät Larisch, das Geld folgendermaßen aufzuteilen: Ein Teil wird zur Liquiditätsreserve, mit der Reparaturen gezahlt werden. Sie sollte auf ein einigermaßen gut verzinstes Tagesgeldkonto eingezahlt werden. Hier gibt es Angebote zwischen 0,5 und einem Prozent Zinsen. Eine weitere Tranche fließt in einen Entsparplan. Einige Banken bieten hier auf fünf Jahre Laufzeit noch ein Prozent Zinsen, was zumindest dafür sorgt, dass die Kaufkraft des Geldes erhalten bleibt. Der dritte Teil könne, so Larisch, auch breit gestreut am Kapitalmarkt angelegt werden. "Dieses Geld wird zuletzt verzehrt oder vererbt, daher kann es auch etwas riskanter angelegt werden."

Auslaufmodell. Eine andere Form der Immobilienrente ist die Umkehrhypothek. Der Reiz dieses Modells, das in den USA millionenfach genutzt wird: Die Immobilie wird nicht verkauft, sondern beliehen. Das Darlehen muss erst bei Verkauf, Auszug oder Tod zurückgezahlt werden. Jedoch kann man nicht das komplette Anwesen beleihen.

Es gilt: je höher der Wert des Objekts und je älter der Besitzer, desto höher die maximale Kreditsumme. So erhält ein 65-Jähriger maximal ein Darlehen für 15 bis 20 Prozent des Immobilienwerts, für einen 80-Jährigen liegt die Quote bei 30 bis 35 Prozent. Nicht zuletzt diese Zahlen sorgen dafür, dass das Interesse nach wie vor gering ist. Derzeit werden solche Hypotheken lediglich über einige regionale Makler angeboten. Die Immokasse, mit der das Modell 2009 etwas populärer wurde, stellte 2013 ihre Geschäfte ein. Auch die Investitionsbank Schleswig-Holstein und die R + V Versicherung haben ihre Angebote vom Markt genommen.

Wo verkaufen?

Von zu Hause ausziehen mit Gewinn
Für viele Immobilienbesitzer kann es sinnvoll sein, Haus oder Wohnung zu verkaufen - auch wenn man es ­eigentlich gar nicht nötig hat. So gibt es Regionen in Deutschland, die Einwohner verlie­ren werden. Dazu gehören viele Landstriche abseits der großen Ballungsräume in Ost und West. Wer ohnehin plant, sich auf absehbare Zeit zu verkleinern, sollte hier sein Eigentum möglichst bald verkaufen und eine kleinere Immobilie in zentraler La­ge eines größeren Ortes erwerben. "Es gibt in jeder Stadt eine Lage, die so besonders ist, dass Men­schen dort immer wohnen wollen", sagt Jens Lütjen vom Bremer Immobilien­unternehmen Robert C. Spies. Auch wer eine Mietimmobilie in solchen Regionen besitzt, sollte verkau­fen, solange er noch einen angemesse­nen Preis erzielt, und ­unter Um­ständen in einer Zuzugsregion investie­ren. Hier sind die Preise zwar ­höher, aber die Renditen sicherer.

Keine Angst vor der Miete: Wer sein ­Eigenheim verkauft hat, kann den Ertrag auch stückweise in die Miete investie­ren. Zwar gilt in Landstrichen mit sin­kenden Einwohnerzahlen keine Miet­preisbremse, aber große Mietsteigerungen werden Vermieter nicht durchsetzen können. Sie werden froh sein, überhaupt Mie­ter zu haben. Auch in Städten und Regionen, in denen die Zahl der Haushalte steigt, kann sich der Verkauf rechnen. Marktbeobachter gehen hier davon aus, dass die Preise langsamer steigen als bislang. Konkret dürften die Preise in Ber­lin, München und Co nicht mehr um 14 bis 15 Prozent, sondern um vier bis fünf Prozent pro Jahr steigen.

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