Lebensver(un)sicherung: Welche Alternativen Gewinn versprechen
Klassische Lebensversicherungen sind out, bald könnte auch noch der garantierte Zins wegfallen. Für wen sich solche Verträge trotzdem lohnen, was neuartige Indexpolicen taugen.
von Martin Reim, Euro am Sonntag
Das Schlachten heiliger Kühe schafft eines ganz sicher - viel Aufmerksamkeit. So beim Garantiezins, der für die Millionen Besitzer von privaten Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen relevant ist. Dessen drohendes Aus nach 115 Jahren hat die Branche durchgerüttelt.
Denn die Assekuranz ganz ohne Garantiezins ist schwer vorstellbar. Seine Anfänge datieren bis auf das Jahr 1901. Seit damals gibt es ein gesetzliches Limit, um unrealistische Renditeversprechen und damit Pleiten der Anbieter zu verhindern. Deshalb heißt der Wert in Fachkreisen auch Höchstrechnungszins. Er definiert, welche maximale Rendite für das Sparguthaben der Kunden bei Vertragsabschluss jährlich fest zugesagt sein darf. Die Berechnungsart und die konkreten Prozentzahlen, wie die Branche im optimistischsten Fall kalkulieren darf, wechselten seitdem.
Die Daten der Anfangszeit sind nicht einmal mehr durchgehend bekannt (siehe unten). Doch klar ist: So niedrig wie heute lag der Garantiezins seit Jahrzehnten nicht. Und bald könnte es ganz mit ihm vorbei sein. Das Bundesfinanzministerium will ihn Anfang 2016 für die meisten Anbieter abschaffen. Begründung: Ab Januar gelten für große und mittlere Versicherer neue Regeln fürs Eigenkapital. Und die seien so streng, dass der Garantiezins nur noch für kleine Anbieter gelten müsste.
Diese Aussichten werfen wichtige Fragen auf: Welche Konsequenzen hätte die Entscheidung für bestehende Verträge? Sollten Kunden jetzt noch schnell abschließen? Und was bietet die Branche für Alternativen zu Policen mit Garantiezins? Für bestehende Verträge sind zumindest keine direkten Konsequenzen erkennbar, der Garantiezins für laufende Kontrakte gilt weiter (wer dennoch mit seinem Vertrag unzufrieden ist, bekommt auf Seite 19 Tipps). Jetzt noch schnell eine neue abschließen? Im Moment besteht kein Handlungsbedarf, denn es ist fraglich, ob das Gesetz überhaupt verabschiedet wird.
Neue Konzepte für mehr Rendite
Doch falls der Garantiezins wegfallen würde, könnte dies ein Argument für eine Unterschrift sein - falls man sowieso darüber nachdenkt, eine Lebensversicherung zu kaufen. Hauptargument: Es ist unklar, welche freiwilligen Garantien die Versicherer künftig aussprechen würden. Die bisherige Erfahrung zeigt, dass zumeist nur das eingezahlte Kapital garantiert ist, und auch das erst zu Beginn der Rente. Wer zwischendurch kündigt, muss möglicherweise massive Verluste hinnehmen.Andererseits ist die Rendite allein durch den Garantiezins gering. Der bezieht sich nicht auf die gesamten Prämien, sondern nur auf den sogenannten Sparbeitrag, also auf Einzahlungen plus Gewinne minus Kosten. Und diese Kosten sind insbesondere bei kleinen Verträgen relativ hoch - so hoch, dass sich bei einer Laufzeit von 25 Jahren eine Rendite erst dann ergibt, wenn mindestens 20.000 Euro einbezahlt sind.
Daneben gibt es nach wie vor viele andere Einwände gegen Lebensversicherungen. Zwar gibt es üblicherweise die Überschussbeteiligung als jährlichen Aufschlag auf den Garantiezins. Doch dieses Plus fällt immer niedriger aus. Waren in den 90er-Jahren noch inklusive Garantiezins über sieben Prozent zu holen, sind es 2015 im Durchschnitt lediglich magere 3,33 Prozent. Besonders unangenehm: Viele alte Verträge haben einen Garantiezins, der höher ist als das, was die Versicherer derzeit erwirtschaften. Das heißt, dass neue Kunden die alten subventionieren müssen und noch weniger Überschussbeteiligung bekommen, als ihnen eigentlich zustünde.
Auch sind die Verträge unflexibel, und ein vorzeitiger Ausstieg führt in der Anfangszeit oft zu Verlusten. Zudem sind sie intransparent: Wie sich die Überschussbeteiligung errechnet und wo Kosten versteckt sind, ist auch für Experten undurchschaubar. Somit ist ein Neuabschluss einer Lebensversicherung nur für spezielle Anlegertypen tatsächlich empfehlenswert:
• Der Faule Die besten Aktien, Zertifikate, Anleihen und Fonds sind auf eigene Faust meist erst durch langwierige Vergleiche zu finden. Oder man nutzt Fachmedien, doch auch die kosten Zeit und Geld. Wer das alles zu anstrengend findet und trotzdem etwas für seine Altersvorsorge tun will, kann eine klassische Rentenversicherung abschließen.
• Der Geförderte Vater Staat fördert die private Altersvorsorge via Riester, Rürup und betriebliche Altersvorsorge. Bei jedem dieser Wege sind Versicherungen dabei.
• Der fitte Senior Um Kapital fürs Alter anzusammeln, sind Versicherungen derzeit keine gute Idee. Doch haben die Policen einen unschlagbaren Vorteil: Sie garantieren eine Auszahlung bis zum Tod, egal wie lange das Leben dauert. Deshalb kann, wer in den 50ern, 60ern oder 70ern ist und nennenswerte finanzielle Reserven hat, über eine solche Versicherungslösung nachdenken. Bei einer sogenannten Rente gegen Einmalbeitrag zahlt man das Guthaben auf einen Schlag ein, und die Rente fließt sofort oder - wenn gewünscht - erst einige Jahre später.
• Der Verschwender Manch einer weiß von sich, dass er sein Geld lieber ausgibt als spart, wenn es einfach so auf dem Konto herumliegt. Um dennoch etwas fürs Alter zurückzulegen, sollte er sich durch einen Vertrag selbst binden -möglichst lange und mit möglichst hohen Kosten bei einer Kündigung. Beides trifft auf Rentenversicherungen zu.
• Der Steuerfuchs Versicherungen haben klare steuerliche Vorteile gegenüber vielen anderen Investments.
Doch all diese Personenkreise haben nicht ausgereicht, um Policen mit Garantiezins genug Kunden zuzuführen. Insbesondere die sinkenden Renditen haben immer mehr Leute abgeschreckt, der Absatz schrumpft stetig weiter. Zudem müssen die Anbieter wegen der neuen Eigenkapitalregeln mehr Kapital zurücklegen, wenn sie Policen mit Garantiezins verkaufen.
Deshalb haben manche Firmen angekündigt, teilweise oder komplett auf solche Policen zu verzichten. Im Gegenzug lassen sie sich einiges einfallen, um die Aussicht auf Renditen zu erhöhen und gleichzeitig ein gewisses Maß an Sicherheit zu bieten. Hier sind sogenannte Indexpolicen der letzte Schrei, beinahe im Monatstakt kommt ein neuer Anbieter mit solchen Produkten. Sie bieten weniger Sicherheit, da zumeist lediglich garantiert ist, dass zum Vertragsablauf die eingezahlten Prämien zur Verfügung stehen. Und bessere Renditechancen, weil die Kunden an der Entwicklung von Aktienindizes teilhaben.
Lange Laufzeiten bevorzugen
Im Einzelnen funktionieren diese Policen so: Basisinvestment ist das sogenannte Sicherungsvermögen, also dasselbe Portfolio wie bei klassischen Policen. Der Indexmechanismus sei exemplarisch an der Police "IndexSelect" der Allianz erklärt.Hier kann der Kunde jährlich wählen, ob und in welchem Umfang er in den folgenden zwölf Monaten an der Entwicklung eines Index partizipieren will, oder ob er teilweise oder komplett eine Überschussbeteiligung wie bei klassischen Policen erhalten möchte.
Angenommen, der Kunde wählt für die folgenden zwölf Monate eine Partizipation am Index. Dann wird jeden Monat die Entwicklung des Euro Stoxx 50 - er enthält 50 wichtige Unternehmen aus dem Euroraum - festgehalten. Bei einem Plus greift eine vorher definierte Obergrenze, der sogenannte Cap, bis zu der der Kunde partizipiert. Ein eventuelles monatliches Minus schlägt voll durch. Am Ende werden die zwölf Werte addiert. Wenn der Gesamtwert negativ ist, erhält der Kunde nichts, macht aber auch keinen Verlust. Ist der Wert positiv, wird das Guthaben mit der kalkulierten Prozentzahl verzinst. Die Zahl bezieht sich allerdings nur auf den Sparbeitrag. Die zugewiesene Rendite erhöht das Sicherungsvermögen, sodass in der nächsten Periode ein höheres Ausgangsguthaben besteht. Der Cap wird kontinuierlich neu festgelegt. Im November betrug er bei "IndexSelect" 3,6 Prozent.
Quasi identisch ist beispielsweise die "Index Invest" der R + V, der Versicherung der Volks-und Raiffeisenbanken. Andere Konkurrenten variieren den - grundsätzlich gleichen - Mechanismus. So existiert bei "Two Trust Select" des HDI keine monatliche Obergrenze, sondern es gibt einen prozentualen Anteil an möglichen Gewinnen und Verlusten. Zudem berechnet der HDI einen Basiswert aus mehreren Indizes. Und bei der "Rente Index Plus" der LV 1871 wird das Geld im Sicherungsvermögen jährlich mit mindestens 1,25 Prozent verzinst.
Das Institut für Vorsorge und Finanzplanung (IVFP) hat diese Policen getestet - ungefördert sowie in den Varianten Riester und Rürup. Sieger in allen drei Kategorien ist die "IndexSelect". Unter anderem hat das Institut eine Vergangenheitsbetrachtung der letzten 20 Jahre gemacht. Demnach liegt bei der Allianz-Police die erwartete Rendite bei 6,0 Prozent pro Jahr, wenn man den durchschnittlichen Cap der vergangenen fünf Jahre zugrunde legt. Das ist erheblich mehr, als derzeit an Überschussbeteiligung bezahlt wird.
IVFP-Geschäftsführer Michael Hauer sagt denn auch: "Bei mittleren und langen Vertragslaufzeiten ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Indexpolice eine höhere Rendite erzeugt als eine klassische Police, sehr hoch." Das zeige sich auch an Zahlen der Vergangenheit, wo Indexpolicen zumeist mehr einbrachten als klassische Verträge. "Wichtig ist, stets die Indexbeteiligung zu wählen, um in guten Börsenphasen auf jeden Fall dabei zu sein."
Bei Laufzeiten unter zehn Jahren seien Indexpolicen eher ungeeignet, weil es in schwachen Börsenzeiten des Öfteren Nullrenditen geben könne. Außerdem rät Hauer: "Es ist wichtig, einen leistungsfähigen Anbieter zu haben." Konsequenz: Im Test hat die Unternehmensqualität die höchste Gewichtung unter den vier Hauptkategorien.
Fazit: Viele gute Gründe sprechen dagegen, jetzt eine Police mit Garantiezins zu kaufen - unter anderem die niedrige Rendite. Indexpolicen können die Gewinnchancen auf lange Sicht verbessern. Sie sind etwas für geduldige Sparer mit höherer Risikobereitschaft und mit Interesse an der Börse. Wer ohne den Umweg über Lebensversicherungen an der Börse investieren will, kann beispielsweise über Income-Fonds nachdenken.
So lief der Test:
Getestet wurden private Rentenversicherungen mit Indexbeteiligung. Hier hat der Kunde üblicherweise jedes Jahr vorab die Wahl zwischen Teilhabe an einem Index oder Zuweisung der Überschussbeteiligung. Untersuchung und Noten stammen vom Institut für Vorsorge und Finanzplanung. Es gab vier Unterkategorien (in den Tabellen finden Sie die Unterkategorien nur für ungeförderte Policen):
Unternehmen Kriterien sind Stabilität, Sicherheit, Ertragskraft und Markterfolg des Anbieters.
Rendite Kriterien sind vor allem: Renditeerwartung aus aktueller Kappungsgrenze (Cap) und/oder Beteiligungsquote am Basisindex. Hier findet eine Rückbetrachtung der vergangenen 20 Jahre statt.
Renditeerwartung aus durchschnittlicher (letzte fünf Jahre, soweit vorhanden) Kappungsgrenze (Cap) und/oder Beteiligungsquote am Basisindex. Hier findet ebenfalls eine Rückbetrachtung der vergangenen 20 Jahre statt.
Anzahl der Indexstichtage Je mehr Stichtage, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde frühzeitig am Index beteiligt ist.
Flexibilität Kriterien sind unter anderem: Strategiewechsel Bewertung der Möglichkeit und der Frist, die dem Kunden für die Abwahl der Indexpartizipation beziehungsweise der Überschussbeteiligung zur Verfügung steht Art der Überschussverwendung, wenn der Kunde keine Weisung für den neuen Indexstichtag erteilt hat Auswahl der zur Verfügung stehenden Aktienindizes
Transparenz Hier werden unter anderem Formulierung, Aufbau und Umfang der Versicherungsbedingungen bewertet.
Gesamtnote Die Unterkategorien gehen mit folgender Gewichtung ein: Unternehmen 35 Prozent, Rendite 30 Prozent, Flexibilität 25 Prozent, Transparenz 10 Prozent
Ungeförderte Indexpolicen: Ergebnisse der privaten Rentenversicherungen nach verschiedenen Kategorien (PDF)
Geförderte Indexpolicen: Die Sieger bei Rieser und Rürup (PDF)
Weitere News
Bildquellen: Ruslan Guzov / Shutterstock.com, Lightspring / Shutterstock.com