Großer Check: Was leisten gesetzliche Krankenkassen?
Die Leistungen der gesetzlichen Kassen sind sehr unterschiedlich. Euro am Sonntag macht den goßen Leistungs-Check. Diesmal: Der Service
von Erhard Drengemann, Euro am Sonntag
Was seit Herbst 2009 für die rund 30 000 Mitglieder der Gemeinsamen BKK in Köln Realität ist, könnte bald Millionen Krankenversicherten drohen: So gibt es Hinweise darauf, dass rund ein Dutzend Krankenkassen Zusatzbeiträge von bis zu acht Euro im Monat erheben wollen. Darunter laut Informationen der FAZ auch die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) mit sechs Millionen Versicherten. Auch die frisch fusionierten Kassen Barmer und GEK wollen nicht ausschließen, im Verlauf des Jahres Zusatzbeiträge erheben zu müssen. Vom Bundesversicherungsamt ist zu hören, dass dort gegenwärtig drei Anträge auf Zusatzbeiträge vorliegen.
Sollten die Zusatzbeiträge tatsächlich kommen, wird für die Kassen ein guter Service noch wichtiger. Oder wären Sie bereit, für schlechteren Service mehr zu zahlen als bei der Konkurrenz? Doch nach wie vor landen viele gesetzlich Versicherte immer, wenn sie ihre Krankenkasse anrufen, in der Warteschleife. „Momentan sind alle Leitungen belegt. Bitte warten Sie.“ Da ist Frust programmiert. Der steigert sich noch, wenn man feststellt, dass die Service-Hotline nicht kostenlos ist.
Servicewüste Deutschland. Längst folgen auch Krankenkassen schlechten Vorbildern aus der Telekommunikations- und Konsumgüterbranche. Denn der automatisierte Telefonverkehr ist vor allem eines: billig. Das besonders, wenn er nur in den sogenannten Kernarbeitszeiten – also montags bis freitags für je acht Stunden – angeboten wird. Anbieter, die eine telefonische Rund-um-die-Uhr-Betreuung – und das täglich auch am Wochenende sowie an Sonn- und Feiertagen – offerieren, können den Anfragestrom besser entzerren. Die Folge: Der Versicherte hat eher die Chance, mit seiner Anfrage durchzukommen. Das Frustpotenzial sinkt, die Kundenbindung steigt.
Daher wurde im Rahmen der Serie „Kassen und ihre Zusatzleistungen“ auch Wert auf einen guten Service gelegt. Und besonders wichtig hier: die (Erst-)Kontaktmöglichkeiten via Telefon. Zudem wurde bei der Leistungsbeurteilung nicht nur die zeitliche Verfügbarkeit bewertet, sondern auch berücksichtigt, ob Fachleute, also Sozialversicherungsfachangestellte – im Jargon liebevoll „Sofas“ genannt –, dem Kunden telefonischen Rat erteilen oder Hilfskräfte, die im unübersichtlichen Gestrüpp des deutschen Sozialversicherungswesens auch schon mal die Orientierung verlieren können.
Noch besser als am Telefon ist die Chance auf eine qualifizierte Beratung bei einem persönlichen Gespräch. Im Vorteil sind da Kassen, die über eine hohe Dichte an Geschäftsstellen im Verbreitungsgebiet verfügen. Traditionell ist das eine Stärke der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK). Sie belegen bei der Quote aus Anzahl der Geschäftsstellen und Bundesländerpräsenz im €uro-am-Sonntag-Ranking folgerichtig hier auch Toppositionen: Die AOK Baden-Württemberg glänzt mit einem Wert von 300, die AOK Bayern erreicht 250, und auch die AOK Westfalen-Lippe kommt auf einen respektablen Quotienten von 180.
Großer Krankenkassen-Test (PDF): Serviceleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung
Zum Vergleich: Von den großen Ersatzkassen erreicht die DAK einen Wert von 51,9. Was sich einfach aus der Tatsache ergibt, dass sie zwar mit 830 Geschäftsstellen auf Platz 2 hinter der Barmer/GEK (973 „Filialen“) liegt, diese sich jedoch über alle 16 Bundesländer verteilen. Was unterm Strich zu dem Wert von 51,9 führt. Die fusionierte Barmer/BEK dagegen kommt auf den Wert 60,8 und die Techniker Krankenkasse (TK) mit immerhin 222 Geschäftsstellen nur auf 13,9. Das ist aber immer noch viel im Vergleich zu kleineren Anbietern, die manchmal nur eine oder sogar überhaupt keine für den Publikumsverkehr geöffnete Geschäftsstelle unterhalten. Keine unproblematische Strategie. Denn in der aktuellen Studie „Kommunikations- und Servicetrends im GKV-Markt“ kommt das Marktforschungsinstitut YouGovPsychonomics AG zu dem Schluss: „Die Senkung der Kosten und Optimierung der Prozesse spielen eine wichtige Rolle in der GKV. Damit wollen sich die Krankenkassen rechtzeitig ein finanzielles Polster aufbauen, um trotz Unterfinanzierung durch den Gesundheitsfonds vorläufig keinen Zusatzbeitrag erheben zu müssen. Allerdings darf dies nicht den persönlichen Kontakt zu den Kunden durch eine zu straffe Zentralisierung gefährden.“
Defizite bei den persönlichen Kontaktmöglichkeiten versuchen die Anbieter dann häufig über eine „Onlinefiliale“ auszugleichen. Auch solche virtuellen Geschäftsstellen im Netz können viel bieten: Formularservice, Datenbanken zum Auffinden geeigneter Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeheime oder Dentallabore gehören qualitativ eigentlich schon zum Standard der Webfilialen. Auch Fragen nach geeigneten Medikamenten können hier durchaus beantwortet werden. Das setzt jedoch voraus, dass die Datenbanken regelmäßig gepflegt werden und die Angebotspalette umfangreich ist. Auch die sogenannte „Usability“ – Neudeutsch für: Bedienungsfreundlichkeit – kann über Qualität und Nutzerfreundlichkeit mitentscheiden. Doch hier liegt noch einiges im Argen. Georg Meyer, Softwareentwickler in Hamburg: „Noch immer wird versucht, den User – also den Nutzer – mit Haken und Ösen in Sackgassen zu treiben. Die Anzahl der Klicks mag für Marketingstatistiken wichtig sein, den Kunden frustrieren solche Umwege jedoch. Er wendet sich dann schnell anderen Kommunikationswegen zu.“ Für die eigentliche Aufgabe der kundenfreundlichen Kontaktpflege also nicht unbedingt eine empfehlenswerte Strategie.
Wichtige Differenzierungen sind für die gesetzlichen Kassen auch im Bereich „weitere Leistungen“ möglich (siehe Tabelle). Die Einäugigen unter den Blinden sind die Krankenkassen, die hier ent- und ansprechende Angebote machen. In unserem Leistungstest hatten hier von rund 125 Anbietern lediglich 45 – also rund ein Drittel der Kassen – überhaupt ein Angebot. Doch für jene, die weiteren Service boten, brachte das Punkte.
Die Angebote sind sehr unterschiedlich. Vom einfach zu steuernden Terminservice über Baby-, Eltern- und Vorsorgetelefon bis zu speziellem Beschwerdemanagement oder sogar Hilfestellung bei der Formulierung in Gutachterverfahren reicht das Angebot. Manchmal tauchen auch spezielle Kooperationsangebote zu Reiseveranstaltern auf, die wohl eher dem Provisionsgedanken frönen, statt echten Mehrwert zu bieten. Welche Angebote dies im Einzelnen sind, können Sie der Tabelle und den Erklärungen auf den Seiten 68 und 69 entnehmen.
Apropos Leistungstest: Dieser deckt insgesamt sechs Teilbereiche ab – von der Kostenübernahme bei alternativen Heilmethoden (bereits erschienen) über Serviceleistungen bis hin zu Zusatzleistungen bei Reha und häuslicher Pflege, integrierter Versorgung, Gesundheitsförderung, Bonus- und Wahltarifen. Am Ende steht dann eine Zusammenfassung der Ergebnisse mit einer oder mehreren Krankenkassen, die für den noch identischen Beitragssatz die besten Leistungen bieten. Und wenn die dann auch noch zu jenen gehören, die sich kostenpflichtige Endloswarteschleifen verkneifen – umso besser. Denn auch das kann unterm Strich ins Geld gehen.
Das lesen Sie nächste Woche in Euro am Sonntag: Zusatzleistungen