Immobilien: Verstecktes Bauland nutzen!
Deutschlands Städte wachsen immer mehr in die Fläche, der Platz geht aus. Immobilien-Experte Herzog-Smethurst plädiert deshalb für mehr Nachverdichtung.
von Patrick Herzog-Smethurst, Gastautor für €uro am Sonntag
Sind alle Grundstücke in den attraktiven Städten schon komplett vergeben? Zumindest hört es sich manchmal so an, wenn Politiker vom Wohnraummangel sprechen. Dabei gibt es im Bestand vieler deutscher Metropolen noch ausreichend Bauflächen. Wer sie beim Begehen einer Stadt von der Straße aus nicht findet, sollte einmal mithilfe einer Luftaufnahme darauf schauen. Ungenutzte Flächenpotenziale sind ausreichend vorhanden, man muss einfach einen Blick in die zweite Reihe werfen.
Aber beginnen wir von vorn, denn viele Ursachen des heutigen Flächenmangels sind in der Geschichte unserer Städte zu suchen: Große Teile der deutschen Ballungsgebiete sind nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg neu entstanden. Da wesentliche Straßenzüge verschont blieben, wurden neue Häuser oft ausschließlich entlang dieser Straßen gebaut. Dafür gab es gute Gründe, denn das Baumaterial konnte direkt an der Straße abgeladen werden. Den Stadtplanern kam das sehr entgegen, musste der dringend benötigte Wohnraum doch im Eiltempo und zu niedrigen Kosten errichtet werden.
Die neuen Gebäude kamen mit niedrigeren Dächern, fehlendem Außenstuck und wesentlich praktischeren Grundrissen als zuvor daher. Neu war auch, dass die meisten Mehrfamilienhäuser aus der Nachkriegszeit ohne ein Hinterhaus entstanden. Das hatte den Vorteil, dass die Städte der massenhaften Verbreitung einer damals jungen, aber revolutionären Erfindung Rechnung tragen konnten: dem Automobil. Wo ehemals ein Seitenflügel oder Hinterhaus stand, gab es nun Autostellplätze oder Flachdachgaragen, aber auch Müllcontainer. Später kamen Fahrradstellplätze hinzu.
Allerdings wurde - aus heutiger Sicht - auf diese Weise sehr viel Platz verschenkt. Anders als bei intakten Blockrandquartieren aus der Gründerzeit, deren Höfe zu klein ausfallen, als dass sie nachverdichtet werden könnten, bieten die Grundstücke der Nachkriegshäuser oft genug Baufläche für die Errichtung innerstädtischer Wohnhäuser in der zweiten Reihe. Vielen sind diese stillen Reserven nicht bekannt, weil sie - anders als bei klassischen Baulücken entlang der Straßenfront - von außen nicht erkennbar sind.
Nun wird sich mancher denken, dass doch Bauherren oder zumindest die jeweilige Stadtverwaltung umfassende Informationen über noch freie Grundstücke zur Verfügung hätten, doch das ist weit gefehlt. Und das ist die nächste Hürde, will man Bauland in der zweiten Reihe identifizieren: Wer heutzutage Wohnungen errichten will, bekommt oft erst dann einen detaillierten Einblick, wenn er für ein unbebautes oder bebautes Grundstück ein Angebot abgibt.
Berlin verfügt nicht einmal
über ein zentrales Kataster
In Berlin hat man dieses Prinzip auf die Spitze getrieben: Ausgerechnet hier gibt es bis heute kein zentrales stadtweites Kataster. Dabei hat kaum eine andere Metropole in Europa so viele Baulücken wie die Hauptstadt. Keine übergeordnete Behörde weiß, über welche Freiflächen Berlin für den Wohnungsbau noch verfügt. Dieser Zustand trägt zu einem starken Anstieg der Mieten bei. Lediglich ein Informationsportal wird angeboten, auf dem sich Grundstückseigentümer auf Eigeninitiative hin anmelden können. Berlin setzt diesbezüglich bisher auf Freiwilligkeit.
Klüger wäre es, einem Vorschlag etwa der Berliner FDP zu folgen. Sie fordert von der Stadt ein zentrales Kataster, welches systematisch alle Baulücken erfasst, deren Eigentümer auf Anfrage benennt oder diese dazu verpflichtet, die Daten preiszugeben. Der Vorschlag wird derzeit in den Ausschüssen beraten. Das Ergebnis könnte ein Kataster sein, das Ort, Eigentumsverhältnisse und Qualität der verfügbaren Freiflächen exakt auflistet.
Eine solche Erfassung existiert bereits in Städten wie Frankfurt/Oder und Gummersbach. Hoffentlich doch bald auch in Berlin sowie in weiteren Großstädten. Nur dann lässt sich weiteres Bauland auch für Baulücken ausschreiben. Mehr ausgewiesenes Bauland, das bedeutet auch Möglichkeiten für Projektentwickler, mehr Wohnraum zu schaffen. Folge wäre eine Entlastung des Immobilien- und letztlich auch des Mietwohnungsmarkts.
Kurzvita
Patrick Herzog-Smethurst
Geschäftsführer der DKW Gruppe
Patrick Herzog-Smethurst begann 2006 zunächst in Leipzig mit dem Ankauf, der Sanierung und Entwicklung denkmalgeschützter Bauten. Seit 2012 realisiert er mit der von ihm gegründeten DKW Gruppe auch in Berlin hochwertige Immobilienprojekte. Das Unternehmen erwirbt Grundstücke und Bestandsgebäude, plant Neubauten und nimmt Nachverdichtungen, Sanierungsmaßnahmen sowie Aufstockungen vor.
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