Die Wünsche der Deutschen: Stabilität und Kontinuität
Grundsätzlich wollen die Deutschen nicht viel ändern - weder in der Politik noch beim Geld. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des internationalen Vermögensverwalters Legg Mason. Ein paar Wünsche haben sie dann doch.
von Klaus Dahmann, Gastautor in €uro am Sonntag
In Deutschland herrscht das Gegenteil von Wechselstimmung. "Keine Experimente" - das Wahlmotto der CDU von 1957, dem Jahr, in dem die Partei ihr historisch bestes Ergebnis erzielte - scheint das Leitmotiv der Deutschen zu sein. Denn vordergründig wollen die Bundesbürger, dass alles bleibt, wie es ist. Im Kanzleramt ebenso wie im eigenen Portfolio.
Legg Mason hat sich die Einstellungen der deutschen Anleger etwas genauer angeschaut: Natürlich haben wir den vermuteten starken Hang zur Kontinuität entdeckt. Doch manche Einzelergebnisse sind erstaunlich. Denn sie brechen manches Vorurteil, das man bislang gegenüber den deutschen Anlegern haben konnte, auf.
Beginnen wir mit dem Thema Aktien: Zwar haben laut Deutschem Aktieninstitut nur neun Prozent der Deutschen Aktien. Aber: Wer welche hat, der bleibt dabei. Nur fünf Prozent der Befragten würden von Aktien auf Anleihen wechseln - so die Ergebnisse unserer aktuellen "Legg Mason Global Investment Survey". Auch die potenziellen Verwerfungen an den Finanzmärkten sind für die Anleger in Deutschland kein großes Thema. Nur elf Prozent gaben an, dass Marktvolatilität für sie ein größeres Problem darstelle. Gerade zwei Prozent sagten uns, Volatilität sei ihre größte Besorgnis im Zusammenhang mit Investments.
Anleger haben Angst vor Trump,
nicht aber vor Inflation
Womit wir bei den Sorgen der deutschen Anleger angelangt wären. Wir von Legg Mason haben Anleger in 17 Ländern gefragt, was ihrer Einschätzung nach den Wert ihrer Ersparnisse gefährden könnte. International glauben nach wie vor viele, der Deutschen größte Angst beim Thema Geld sei die Inflation. Das trifft nicht mehr zu. Eher machen sie sich Gedanken um die politische Weltlage: 40 Prozent sagten, politische Instabilität in der Welt mache ihnen Sorgen, 39 Prozent nannten konkret die Politik der Trump-Administration.
Ein weiteres Problem sind für die deutschen Anleger jedoch die niedrigen Zinsen, die von 44 Prozent beklagt werden. Hier zeigt sich, dass sich in Deutschland die Vorstellung von der Rendite ohne Risiko länger gehalten hat als in anderen Ländern. Schon in unserer im Januar durchgeführten weltweiten Studie hatten sich rund 78 Prozent als konservativ bezeichnet; ein im internationalen Vergleich hoher Wert.
Ein Thema, das im Wahlkampf immer wieder adressiert wird, spielt für die von uns befragten Anleger eine eher geringe Rolle: der Immobilienboom und die Knappheit an bezahlbarem Wohnraum in den Ballungszentren. Nur 17 Prozent sagten, die steigenden Haus- und Wohnungspreise seien für sie ein kritisches Thema. Hierbei könnte eine Rolle spielen, dass Deutschland mit einer Wohneigentumsquote von nur 46 Prozent in der EU nach wie vor das Schlusslicht ist.
Ein knappes Viertel der Befragten (23 Prozent) äußert die Befürchtung, die Steuern könnten künftig steigen. Eine Sorge eher um das Bestehende als um den Mangel an künftigen Marktchancen.
Risikoavers, besorgt um die Entwicklung von Zinsen und Weltlage, aber dafür ohne Angst vor Inflation: Hier stellt sich die Frage, welche Erwartungen die Deutschen an ihre Investments grundsätzlich haben. Die Ziele sind, das zeigen unsere Erhebungen, recht konservativ. Nur für elf Prozent der Befragten hat die Outperformance der Benchmark die höchste Priorität. Am wichtigsten dagegen ist es für die Anleger, Verluste zu vermeiden (53 Prozent), eine gleichmäßige Rendite sowie ein angemessenes Wachstum zu erwirtschaften (jeweils 45 Prozent).
Bundestagswahl ohne Einfluss auf
die finanzielle Situation
Auch bei der Geldanlage steht den Deutschen also nicht der Sinn nach tief greifenden Veränderungen. Nur wenige wollen noch mehr herausholen. Die meisten sind zufrieden mit dem, was sie haben, und wollen das Erreichte absichern. Damit sind die deutschen Anleger auf einer Linie mit den von Allensbach und anderen Instituten befragten Wählern, die Angela Merkel weiterhin als Kanzlerin sehen wollen. Denn sie steht in den Augen der meisten Wähler ebenfalls für Kontinuität und Stabilität. Dass das Rennen um die Kanzlerschaft in den Augen vieler bereits seit Wochen gelaufen scheint, schlägt sich auch in unserer Studie nieder: Die anstehende Bundestagswahl ist für die Deutschen kein Grund, sich um die eigene finanzielle Situation Gedanken zu machen. Weniger als ein Fünftel der Befragten (17 Prozent) glaubt, dass der Ausgang der Wahl seine Anlagen in den nächsten zwölf Monaten beeinflussen wird.
Gewählt wird, wer die beste
Absicherung verspricht
Also wirklich "keine Experimente"? Nicht ganz! Wenn es darum geht, den besten Weg zu finden, um die Ziele zu erreichen, ist man durchaus offen für Neues und bereit, Veränderungen anzustoßen. Anfang September ließ eine vom Sender RTL veröffentlichte Umfrage aufhorchen, nach der sich die Hälfte der Deutschen eine künftige Regierungsbeteiligung der Grünen wünscht. Und zahlreiche Beobachter finden es mittlerweile am spannendsten, zu analysieren, welche Partei die drittstärkste Kraft wird.
Auch wenn es um den Werterhalt der Investments geht, ist immerhin ein gutes Drittel (36 Prozent) der von uns Befragten bereit, neue Wege zu gehen und in den kommenden zwölf Monaten Veränderungen vorzunehmen. Fassen wir zusammen: Die Erwartungen der deutschen Anleger an ihre Investments decken sich mit dem, was sie auch von ihrer politischen Führung wünschen. Gefragt ist Kontinuität. Gewählt wird, wer die beste Absicherung des Erreichten verspricht.
Doch einen großen Unterschied gibt es zu 1957: Damals gewann laut amtlichem Endergebnis die CDU mit Konrad Adenauer an der Spitze mit 50,2 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit. Bei aller Unschärfe, die in den aktuellen Prognosen enthalten ist, können wir ein solches Ergebnis für die amtierende Kanzlerin wohl ausschließen. Spannend ist deshalb die Frage, welche Koalition das Rennen machen wird, welcher Konstellation die Wähler am ehesten zutrauen, das Erreichte zu erhalten: am 24. September in der Politik - und danach bei der Zusammensetzung des Depots.
Kurzvita
Klaus Dahmann
Niederlassungsleiter Legg Mason in Deutschland
Nach einer Banklehre studierte Dahmann Betriebswirtschaft, anschließend machte er eine Kredit- und Kapitalmarktausbildung bei der Chase Manhattan Bank. Viele Jahre war er als Bank-Treasurer bei Goldman Sachs Asset Management tätig, seit 2008 arbeitet er bei Legg Mason Global Asset Management.
1899 gegründet, hat sich Legg Mason zu einem der größten Vermögensverwalter weltweit entwickelt, der private wie auch institutionelle Investoren bedient.
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Bildquellen: kaczor58 / Shutterstock.com, Legg Mason, Inc.