Euro am Sonntag-Meinung

China: Vorsicht, Immobilienblase!

14.10.17 15:00 Uhr

China: Vorsicht, Immobilienblase! | finanzen.net

Die Immobilien-Preise in gewissen Regionen Chinas sind sehr stark gestiegen, wobei die Finanzierung größtenteils über Fremdkapital erfolgt. Das birgt ein latentes Ansteckungsrisiko für die Finanzbranche.

von Marc Meili, Gastautor von €uro am Sonntag

Als Wachstumsmotor der chinesischen Wirtschaft fungierte jahrelang der Immobilienmarkt. So konnten gewisse ­Regionen ihre Wachstumsziele nur dank großer Immobilienprojekte er­reichen. Der Anteil der Immobilien­investitionen am BIP Chinas beträgt je nach Quelle zwischen sieben und acht Prozent. Inklusive des indirekten Beitrags dürfte dieser Wert aber bei rund 30 Prozent liegen. Die sogenannten ­Contracted Sales der Immobilienentwickler betragen aktuell sogar mehr als 15 Prozent des BIP.

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Daher erstaunt es wenig, dass die Entwicklung des Immobilienmarkts stark im Fokus der Zentralregierung steht, die seit Jahren versucht, ihn in geregelten Bahnen zu halten. Die größte Schwierigkeit ist dabei, dass der Markt sehr heterogen ist. Während in gewissen Regio­nen ein Überangebot besteht und die Preise eher unter Druck geraten sind, haben sich die Preise in Metropolen wie Shenzhen, Peking und Shanghai binnen Jahresfrist teilweise mehr als verdoppelt. Der Kaufpreis liegt damit nicht selten beim über 50-Fachen des jährlichen Mietertrags (Normwert: 15 x) und spricht für eine rein spekulativ getriebene Preisbildung.

Regierung in Peking versucht den Immomarkt zu lenken
Die lokalen Regierungen versuchen, diesem Missverhältnis durch Eingriffe auf der Angebotsseite, aber auch auf der Nachfrageseite entgegenzuwirken. So wird zum Beispiel die Kreditvergabe verschärft (Amortisationspflicht, Beleihungslimit etc.) oder eine Obergrenze für Wohnungspreise eingeführt. Gleichzeitig haben die staatlichen Immo­bilienentwickler das Angebot durch neue Projekte massiv ausgeweitet. Das größte Problem dieser erratischen Lenkung ist, dass die Effekte schwer vorhersehbar sind. Wird zu stark reguliert, droht ein starker Preisverfall und damit eine Abschwächung der Wachstumsdynamik in China. Wird zu wenig restriktiv eingegriffen, verschärft sich das ­Risiko einer Blasenbildung weiter.

Die zunehmende Regulierung in den großen Ballungszentren (Tier 1 und 2 - "Tier" steht für das chinesische Städte­system) führt zu einer Verlagerung der Nachfrage in kleinere Städte. Der in den letzten Jahren aufgebaute Angebotsüberschuss in den Tier-3- und Tier-4-Städten kann auf diese Weise reduziert werden. Gleichzeitig beruhigt sich die Preisdynamik in den Hot Spots. Durch die Schaffung neuer Sonderzonen, verbesserte Anbindung von Städten und Ausbau der Infrastruktur versucht die Regierung, die Attraktivität weniger zentral gelegener Städte zusätzlich zu fördern.
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Die Einkommensentwicklung der chinesischen Bevölkerung kann nicht mit den stark gestiegenen Immobilienpreisen mithalten, weshalb vielen potenziellen Käufern heute ganz einfach die Kaufkraft fehlt. Die Preise liegen nicht selten bei mehr als dem 30-Fachen des verfügbaren durchschnittlichen Einkommens. Um trotzdem das nötige ­Eigenkapital aufbringen zu können, ­leihen sich viele Chinesen Geld von ­Verwandten oder von Schattenbanken.

In gewissen Regionen wurden bereits Maximalpreise für Wohnungen eingeführt oder die Anzahl der erlaubten Immobilienkäufe pro Einzelperson beschränkt. Denn viele dieser Wohnungen werden ausschließlich zu Investitionszwecken gehalten und auch nicht vermietet. Sie stehen daher häufig leer, da eine Nutzung den Wert mindern würde. Viele Chinesen konnten vom Immobilienboom nicht profitieren, da ihnen bisher der Zugang zum Immobilienmarkt verwehrt war. Mittels der Hukou-Reform (registrierter Geburtsort) sollen nun bis ins Jahr 2020 bis zu 100 Millionen Wanderarbeiter mit einer Niederlassungs­bewilligung ausgestattet werden.

Damit verfügt die Regierung in Peking über ein mächtiges Lenkungs­instrument, um dem Markt erneut zu Schwung zu verhelfen. Aber auch die verschärften Kapitalverkehrskontrollen drängen Investoren wieder verstärkt in den lokalen Immobilienmarkt. Die Nachfrage kann zwar bis zu einem gewissen Grad gesteuert werden, die Ursache des Problems liegt jedoch in den mangelnden Investitionsalternativen. Daher wird sich die Nachfrage nur verlagern und damit den Umfang der ­Immobilienblase auch geografisch vergrößern.
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Aktuell gibt es ungefähr 50 000 Immobilienentwickler in China, wobei der Marktanteil der 20 größten Unternehmen bei etwa 25 Prozent liegt. Durch die regulatorisch erschwerte Refinanzierung und das schwierige Marktumfeld wird in den nächsten Jahren eine massive Konsolidierung stattfinden. Neben den bereits stark gestiegenen Investitionsausgaben für Landkäufe wird diese M & A-Welle zu einem weiteren Anstieg der teilweise bereits sehr hohen Verschuldung bei den Immobilienentwicklern führen. Über Joint Ventures und Garantien haben die Unternehmen zudem verdeckte Schulden aufgebaut, welche selbst in den Geschäftsabschlüssen nur andeutungsweise erwähnt werden.

Immobilienanleihen bergen hohe Risiken für Anleger
In den nächsten Jahren rechnen wir mit einer zunehmenden Verschiebung der Nachfrage in kleinere Städte, wobei neu geschaffene Sonderzonen und sogenannte Satellitenstädte davon betroffen sein dürften. Insbesondere Unternehmen, die dort bereits Landreserven besitzen und diese verhältnismäßig günstig erwerben konnten, dürften davon profitieren. Unternehmen, welche auf Erstkäufer fokussiert sind, werden von den regulatorischen Maßnahmen weniger stark betroffen sein.

Allgemein werden die höheren Grundstückskosten, die verschärfte Konkurrenz, die teurere Finanzierung (globales Umfeld steigender Zinsen) und die eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten zu niedrigeren Margen führen. So waren vor einigen Jahren Margen von 30 bis 40 Prozent in der Branche normal, während dieser Wert heute nicht selten unter 15 Prozent liegt und sich entsprechend negativ auf die Kreditkennzahlen ausgewirkt hat.

Aufgrund der sehr heterogenen Marktstruktur muss in gewissen Regionen mit einer Preiskorrektur gerechnet werden. Viel weitreichender dürften jedoch die Folgen sein, falls die Immobilienblase flächendeckend platzen sollte. So wären der Finanzsektor, die Baustoff­industrie und auch der Konsum unmittelbar betroffen, was zu einer deutlich erhöhten Ausfallquote bei chinesischen Schuldnern führen würde. Damit verbunden besteht ein unmittelbares Ansteckungsrisiko für die gesamte Weltwirtschaft.

Kurzvita

Marc Meili
Credit Analyst bei Independent Credit View in Zürich
Meili befasst sich mit der Bonitätsbeurteilung von Unternehmen und der Neu- und Weiterentwicklung der ­quantitativen Modelle, insbesondere dem Pfandbriefmarkt. Der Immobilienexperte - seit 2012 bei I-CV - hat den Bachelorabschluss in Banking & Finance.
Independent Credit View wurde 2003 als erste unabhängige ­Research-Boutique in der Schweiz gegründet und überwacht die ­Kreditqualität von ­nationalen und inter­nationalen Emittenten.

Bildquellen: fuyu-liu / Shutterstock.com, Thomas Entzeroth/Independent Credit View AG