Euro am Sonntag-Interview

BVI-Präsident Pross: "Finanzielle Bildung ist wichtig"

26.08.18 15:00 Uhr

BVI-Präsident Pross: "Finanzielle Bildung ist wichtig" | finanzen.net
Tobias Pross

Der Präsident des deutschen Fondsverbands BVI, Tobias Pross, über Aufschieberitis bei der Altersvorsorge, die ungeliebte Riester-Rente und abgedrehte Schraubenköpfe.

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von Andreas Hohenadl, €uro am Sonntag

Seit Juni 2016 steht Tobias Pross dem Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) als Präsident vor. Der 48-Jährige ist damit oberster Repräsentant einer Vereinigung, unter deren Dach gut 100 Fondsgesellschaften mehr als drei Billionen Euro Anlagekapital für Privatanleger, Versicherungen oder Altersvorsorgeeinrichtungen verwalten. Der BVI hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessen der deutschen Fondsbranche auf nationaler und internationaler Ebene zu vertreten. Dabei ist er Ansprechpartner für Politik und Regulierer. Zugleich will der BVI das Invest­mentsparen fördern und die Rahmenbedingungen für Anleger verbessern.



Ein weites Feld, das der in Freiburg geborene Pross mit seinen acht Vorstandskollegen beackert. Diese kommen allesamt aus der Geschäftsführung von Fondsgesellschaften, die teils zu Banken oder Versicherungen gehören oder unabhängig sind. Pross sitzt im Vorstand bei Allianz Global Investors und verantwortet dort unter anderem den weltweiten Vertrieb. So ist er an zwei Fronten aktiv: Für seinen Arbeitgeber setzt er sich mit Themen wie Digitalisierung in der Vermögensverwaltung auseinander und stellt die Weichen für ein durch Technologie gestütztes Beratungsmodell. Mit dem BVI versucht er unter anderem, Auswüchse der Regulierung und dadurch steigende Kosten von der Fondsbranche abzuwenden.

€uro am Sonntag: Herr Pross, wie wird man eigentlich BVI-Präsident?
Tobias Pross: Die BVI-Präsidentschaft ist ein Ehrenamt, das alle drei Jahre vergeben wird. Dabei wählt der Vorstand des Verbands aus seiner Mitte heraus den Präsidenten und achtet natürlich auf die Erfahrung des Kollegen. Denn der soll ja oberster Repräsentant der Branche sein. Insofern freut es mich, dass die Wahl auf mich gefallen ist. Die Hauptarbeit im Verband wird selbst­verständlich von den Mitarbeitern des BVI geleistet. Im Vorstand wird über die strategischen Themen diskutiert.


Kommendes Jahr wird wieder ein Präsident gewählt. Treten Sie noch mal an?
Wissen Sie, wir wollen im Verband auch etwas Abwechslung haben. Und BVI- Präsident ist kein Job, den man für das Ego übernimmt. Dazu gibt es einfach zu viele Inhalte und Sachthemen, die diskutiert werden müssen. Was ich sagen will: Ich klebe nicht an dem Posten. Kann man zwei Mal hintereinander BVI- Präsident werden? Ja. Muss man? Nein.

Ist Ihre Arbeit beim Fondsverband eine Art Fortsetzung Ihrer Tätigkeit bei Allianz Global Investors oder sind das zwei völlig verschiedene Baustellen?
Es gibt Ähnlichkeiten, was die Art der Zusammenarbeit betrifft. Denn sowohl bei Allianz GI als auch beim Fondsverband wird Teamarbeit großgeschrieben. Unsere Vorstandssitzungen beim BVI sind geprägt von einer gesunden Kultur der Streitbarkeit um Themen. Denn der Verband versammelt unter seinem Dach ja recht unterschiedliche Unternehmen - Asset-Manager bei Banken und Versicherungen, kleine und große Gesellschaften. Wenn Sie diese Vielfalt an Kulturen und Meinungen sehen, denke ich, dass der BVI die deutsche Fondsbranche gut repräsentiert.



Sind die im BVI vertretenen Unternehmen denn generell zufrieden mit der Marschrichtung des Verbands? Oder gibt es öfter mal Diskrepanzen?
Natürlich haben wir Diskussionen, in denen sich Interessen und Zwänge der unterschiedlichen Asset-Manager - seien es Banken oder Versicherungen - widerspiegeln. Aber ganz ehrlich: Ich bin stolz darauf, wie sich die Fonds­industrie in den vergangenen Jahren entwickelt hat.

Das müssen Sie näher erläutern.
Schauen Sie, bereits während der Finanzkrise waren die Fondsgesellschaften einer der Stabilisatoren. Es eint uns, dass wir treuhänderisch Vermögen verwalten und einen Langstreckenläufer-­Charakter haben. Wir werben ja alle für langfristiges Investmentsparen. Zudem habe ich den Eindruck, dass sich das Thema "Die bösen Versicherer" oder "Die bösen Asset-Manager" erledigt hat. Das ist wirklich Nonsens. In jeder Ver­sicherung, die Sie kaufen, sind Fonds enthalten. Faktisch legt jeder sein Geld über Asset-Manager an. Insofern ist die Branche einer der Motoren der Altersvorsorge.

Ein paar Herausforderungen gibt es aber schon noch, oder?
Natürlich könnten wir noch mehr tun. Aber dazu müsste sich auch die Einstellung der Deutschen zum Investmentsparen ändern. Schauen Sie sich nur mal an, wie viel Schelte die Riester-Rente bekommen hat. Dabei könnte man sagen: in jedem Fall besser als gar nicht mit der Altersvorsorge beginnen. Doch die Zahl der Verträge stagniert, und viele staatliche Zulagen werden nicht abgerufen. Sicher spielt dabei die Komplexität der Anlage eine Rolle. Aber ich glaube trotzdem, dass dies ein kulturelles Thema ist, das wir in der Gesellschaft angehen müssen. Im internationalen Vergleich schneiden wir nicht so gut ab, wenn es ums Investmentsparen geht - insbesondere bei Aktien.

Es gab und gibt ja Initiativen der Fondsbranche, das zu ändern. Doch bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Woran liegt’s? Am Geld?
Nein, das glaube ich nicht. Wenn Sie ­einmal die Wertschöpfungskette der BVI-Mitglieder betrachten, dann sind wir doch sehr stark der Produzent des Investmentvehikels. Der Vertrieb, auch bei Banken mit eigener Fondssparte, lässt sich von uns nicht steuern. Und das ist auch gut so. Denn wenn wir den Vertrieb von Fonds an Privatanleger selbst organisieren und dafür Anreize setzen, würde der treuhänderische Gedanke, für den unsere Branche steht, ein Stück weit abhanden kommen. Und der ist uns wirklich wichtig. Ich möchte nicht dafür bezahlen, dass unsere Mitarbeiter bei Ihnen anrufen und sagen: "Jetzt lassen Sie uns doch mal über Investmentsparen reden."

Was tut der Verband stattdessen?
Unser Ansatz sind unterstützende Maßnahmen und Aufklärung, zum Beispiel die Initiative "Hoch im Kurs". Doch wenn Sie sich anschauen, welche Defizite es bei der finanziellen Bildung in Deutschland gibt, dann ist das ein schwieriges und langwieriges Unterfangen. Ich bin manchmal in Schulen unterwegs und finde es bedenklich, dass Schüler in der Oberstufe Schwierigkeiten mit der Zinseszinsrechnung haben. Von daher glaube ich: Es ist ein guter Ansatz, bereits bei jungen Menschen zu verankern, dass finanzielle Bildung wichtig ist.

Könnte die Politik nicht noch mehr unternehmen, um das Investmentsparen zu fördern?
Ich bin ein BVI-Präsident, der nicht immer nur auf die anderen schimpft, sondern dem es wichtig ist, vor der eigenen Haustür zu kehren. Natürlich reden wir mit der Politik. Aber einen Lehrplan zu ändern, geschieht nicht über Nacht. Immerhin gibt es Ansatzpunkte wie Projektwochen, in denen es um Wirtschaft geht. Doch das eigentliche Problem ist, dass wir uns gern selbst etwas vormachen. Das ist nur allzu menschlich. Ich kann mit der Altersvorsorge ja immer morgen anfangen. Aber aus morgen wird übermorgen und so weiter. Da gilt es eher, die Tricks und Hilfestellungen zu finden, um uns selbst zu überlisten.

Haben Sie nicht den Eindruck, dass die deutsche Politik das Wertpapiersparen eher stiefmütterlich behandelt?
Ich denke, dass das deutsche Altersvorsorgesystem komplexer ist als in manch anderen Ländern. Aber es bietet trotzdem genügend Optionen. Natürlich darf man nicht vergessen, dass wir seit Bismarck eine lange Tradition der Sozialversicherung haben. Und alte Zöpfe abzuschneiden ist manchmal schwierig. Aber soll ich mich deshalb als BVI-Präsident hinstellen und sagen, wir brauchen einen sechsten Durchführungsweg für die betriebliche Altersvorsorge? Seien Sie mir nicht böse, den Hohn der Presse erspare ich mir.

Sie haben vorhin die Riester-Rente angesprochen. Sie wurde ja medial und politisch stark angeschossen. Sehen Sie da noch eine Zukunft?

Jedes Modell muss irgendwann einmal angepasst werden. Das Problem ist aber, dass zu wenige die Riester-Rente oder die Möglichkeit der Kinderzulage nutzen. Was dringend nottut, ist eine Entbürokratisierung des Produkts. Die Politik sollte die Einstiegshürden senken, dann würden vielleicht die Geringverdiener, die am meisten profitieren könnten, ihre Zurückhaltung überwinden.

Neben der Förderung des Investmentsparens befasst sich der BVI auch mit Regulierung. Die nach der EU-Verordnung PRIIPs geplanten Beipackzettel für Fonds bezeichnet der Verband dabei als "Irreführung der Anleger". Warum?
Weil sie Anlegern nicht wirklich weiterhelfen bei der Frage: In was sollte ich und in was kann ich investieren? Um mal einen Vergleich zu machen: Wenn Sie eine Tablette gegen Kopfschmerzen nehmen, lesen Sie sich dann wirklich den dazugehörigen Beipackzettel durch mit all den Nebenwirkungen bis hin zu Nierenversagen und Herzstillstand? Ich habe nichts gegen Regulierung. Die gehört dazu, wenn sie für alle gleich ist. Aber sie darf auch Nutzen stiften. Und der ist mir bei der bisher geplanten Umsetzung der PRIIPs-Verordnung nicht ersichtlich.

Schießt die Regulierung Ihrer Ansicht nach also übers Ziel hinaus?
Nach zu ist ab, heißt es bei den Handwerkern. Wenn Sie die Schraube überdrehen und der Schraubenkopf ab ist, hilft nur noch das grobe Werkzeug. Und ich glaube, wir sind jetzt an so einem Punkt. Es wurde in den vergangenen Jahren genügend reguliert. Die Kosten, die wir haben, belasten ja den Fonds. Und das ist nicht mehr im einstelligen Basispunktebereich.

Stichwort Kosten: Die Fondsgesellschaften müssen seit diesem Jahr für externes Research bezahlen. Ob man die Kosten an die Fondsanleger weiterreicht oder nicht, darüber gab es in der Branche unterschiedliche Ansichten.
Und wir waren die Ersten, die gesagt haben, wir zahlen das für unsere Kunden bei Allianz GI.

Wäre das nicht auch eine Aufgabe für den BVI gewesen, für eine einheitliche Linie bei den Mitgliedern zu sorgen?
Nein. Denn das würde einer Branchenabsprache oder einem Kartell gleichkommen, auch wenn man es offen macht. Fakt ist, Allianz GI ist ein eigenständiges Haus. Und wir machen als Vertreter dieses Hauses das, was für unsere Kunden richtig ist. Also haben wir uns früh entschlossen, die Researchkosten auf unsere Kappe zu nehmen. Als aktiver Vermögensverwalter gehört Research zu unserer Dienstleistung. Damit schaffen wir Werte für den Kunden - ein starkes Unterscheidungsmerkmal gegenüber ETFs. Das können wir nicht extra bepreisen.

Sie sprechen das Thema ETFs an. Was will Allianz GI als aktiver Vermögensverwalter der Konkurrenz aus günstigen Indexfonds entgegensetzen?
ETFs haben definitiv ihre Daseinsberechtigung. Aber unser Angebot als ­aktiver Manager geht darüber hinaus. Mit unseren Researchleistungen, wie schon gesagt. Wir haben ein eigenes Team für Nachhaltigkeitsresearch, auf das die Portfoliomanager aller Assetklassen ausgiebig zugreifen. Und wir können mit unserem aktiven Know-how digitale Tools für die Beratung von Anlegern anbieten. Viele haben kein Pro­blem damit, Beratung zu bezahlen, wenn sie hilfreich ist. Sehen Sie, damit ein Berater in Zukunft sein Geld wert ist, muss er effizienter werden. Und das ist möglich mit digitalen Tools. Ich bin überzeugt, dass ein hybrider Vertrieb sehr gute Dienstleistungen erbringen kann.

Mit hybridem Vertrieb meinen Sie ­einen klassischen Berater, der auf viele digitale Tools zugreifen kann?
Ja, es ist ein Mix aus stationärem und digitalem Vertrieb, der unmittelbar mit einer aktiven Vermögensverwaltung oder auch einem Robo-Advisor verknüpft ist. Wir sprachen ja darüber, wie schwierig es ist, Aktienkultur zu vermitteln. Glauben Sie, dass ein sehr stark von Vertrauen geprägtes Geschäftsfeld durch eine Maschine vollständig ersetzt werden kann? Ich glaube, es ist das erfolgreichere Geschäftsmodell, wenn wir für den Kunden mithilfe digitaler Tools Investment­entscheidungen gut vorbereiten, ihn an die Hand nehmen und ­bestärken. Es ist nicht nur der Preis. Es ist die Qualität der Anlage und das Gefühl, gut beraten worden zu sein. Eine Kombination aus Mensch und Maschine kann das liefern.

Kurzvita

Fondsprofi mit zwei Hüten
Tobias Pross verantwortet als Vorstand bei Allianz Global ­Investors den weltweiten Vertrieb sowie das Geschäft für Europa, den Nahen Osten und Afrika. Seit 2011 gehört der Diplom-Betriebswirt außerdem dem Vorstand des deutschen Fondsverbands BVI an, der ihn 2016 zum Präsidenten ­gewählt hat. Seine Freizeit verbringt Pross gern im Kreis seiner Familie oder beim Skifahren.

BVI

Fondsverband mit Geschichte
Der Bundesverband Investment und ­Asset Management wurde 1970 von sieben Gesellschaften gegründet. Heute hat er 106 Vollmitglieder, die gemeinsam ein Vermögen von drei Billionen Euro verwalten, davon mehr als eine Billion Euro in Fonds für Privatanleger. Der BVI ist Mitglied im europäischen Fondsverband EFAMA und im ­internationalen Fondsverband IIFA.




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Bildquellen: Julian Mezger

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