COVID-19: Wer bei Impfschäden zahlt
Immer mehr Bürger erhalten Schutz gegen Corona. Doch wer springt ein, wenn die Injektion der Gesundheit schadet? Und was müssen Infizierte beachten?
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von Uwe Schmidt-Kasparek, Euro am Sonntag
Deutschland impft jetzt volle Pulle. Ende April erhielten erstmals mehr als eine Million Menschen an einem einzigen Tag eine Corona-Schutzimpfung. Doch mit der Menge der Impfungen steigt - rein statistisch - in absoluten Zahlen die Gefahr, dass die Impfung jemandem schadet. Die gute Nachricht: Der Staat schützt Betroffene, wenn es mehr als Nebenwirkungen gibt. Zudem ist privater Extraschutz möglich.
Wie wichtig die Impfung ist, betont Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts (RKI), schon allein weil rund zehn Prozent der Infizierten das sogenannte Long-COVID-Symptom aufweisen. Bei mittlerweile gut drei Millionen Infizierten leiden somit rund 340.000 Betroffene für länger unter Corona. "Wenn vor allem aber 50.000 Arztpraxen mit ihrem Know-how aus den jährlichen Grippeschutzimpfungen in die Impfkampagne eingebunden werden, haben wir eine echte Chance, bis zum Sommer allen Erwachsenen ein Impfangebot zu machen", glaubt Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt, zumal nun auch Betriebsärzte großer Firmen ins Impfen einsteigen werden. Laut dem Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte könnten die 12.000 Firmenmediziner pro Monat fünf Millionen Dosen verimpfen.
Umso mehr Menschen stellen sich die Frage: Was kann eine Impfung alles auslösen? In jedem Fall kann der Körper reagieren. Normal sind Temperaturerhöhung oder Kopf- und Gliederschmerzen. Auch Schlimmeres ist möglich. 2,2 Verdachtsfälle von Nebenwirkungen pro 1.000 Impfdosen hat das Paul-Ehrlich-Institut im aktuellen Sicherheitsbericht ermittelt. Insgesamt über 31.000 solcher Verdachtsfälle haben Geimpfte bislang gemeldet.
Diese Zahl dürfte nun, wenn Haus- und Betriebsärzte täglich Millionen Menschen impfen, deutlich steigen. Das führt zu Unsicherheiten und beflügelt Impfskeptiker. "Viele Menschen können die tatsächlichen Impfrisiken nicht richtig einordnen", schätzt Bundesärztekammer-Chef Reinhardt. Ein wesentlicher Grund: der vorübergehende Stopp des AstraZeneca-Impfstoffs.
Mit dem Risiko eines Corona-Impfschadens werde in Deutschland niemand allein gelassen, sagt Peter Wolfgang Gaidzik, Arzt, Fachanwalt und Leiter des Instituts für Medizinrecht an der Universität Witten/Herdecke entschieden. "Es besteht ein Anspruch auf Entschädigung. Der Staat kommt für alle Betroffenen auf." Schildere der Arzt die Risikolage in einem verständlichen Aufklärungsgespräch und mache auch beim Impfen keinen Fehler, entfalle allein die Haftung aus Verschulden. Wer dann trotzdem einen Impfschaden erleidet, erhält auf Antrag Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz. Das gilt auch für AstraZeneca, wie das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Website aktuell bestätigt.
Opfer müssen Schäden beweisen
Schmerzensgeld könnten die Betroffenen allerdings nicht erhalten. Gaidzik: "Denn solche Ansprüche sind nur zivilrechtlich, etwa aus Amtshaftung, zu begründen, was aber ein schuldhaftes Handeln voraussetzt." Haften muss übrigens weiterhin die Pharmafirma, die das Produkt vertreibt, wenn das Arzneimittel fehlerhaft ist - beispielsweise, wenn verunreinigte Chargen in den Umlauf gebracht würden. "Erst wenn Beschwerden nicht mehr weggehen, spricht man von einem Impfschaden", erläutert Isabella Beer, Fachanwältin für Medizin- und für Versicherungsrecht in der Kanzlei Förster & Blob aus Schwabach.
Doch die rechtliche Absicherung steht unter einem wesentlichen Vorbehalt: Impfschäden müssen die Opfer beweisen. Medizinrechtler Gaidzik: "Im Zivilrecht muss der Geschädigte grundsätzlich den sogenannten Vollbeweis dafür antreten, dass für die Gesundheitsschädigung die Impfung mit dem Fehlverhalten - also etwa einem Hygieneverstoß - ursächlich geworden ist."
Beweiserleichterungen gibt es bei grob sorgfaltswidrigem Verhalten. Das sei beispielsweise bei vollkommen mangelhafter Aufklärung oder eklatanter Überdosierung, wie in einem Pflegeheim in Stralsund, wo die fünffache Dosis verabreicht wurde, der Fall. Im Versorgungsrecht haben es die Opfer etwas besser. "Hier reicht es aus, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die eingetretene Schädigung auf die Impfung zurückzuführen ist", so Gaidzik. Dann muss ein entschädigungspflichtiger Impfschaden anerkannt werden.
Für die Krankheits- und Behandlungskosten, die bei einem Impfschaden anfallen, sowie Geldleistungen für den Fall des Verdienstausfalls kommt die Krankenkasse oder die private Krankenversicherung auf. Eine Risikolebensversicherung sichert Angehörige mit einer vertraglich vereinbarten Geldsumme für den Fall ab, dass die versicherte Person stirbt. Sie greift auch im Fall des Todes aufgrund eines Impfschadens. Verursacht die Impfung einen bleibenden Schaden, der zu einer Berufsunfähigkeit führt, wirkt der private Schutz. Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Police) leistet eine Rente, wenn man aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft nicht mehr seinen zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50 Prozent ausführen kann.
Ärger gibt es aber bereits beim Abschluss von Risikolebens- und BU-Policen. Denn die Versicherer prüfen den Gesundheitszustand ehemalig Infizierter hier sehr genau. "Das heißt aber nicht, dass Kunden die Versicherung prinzipiell nicht bekommen, sondern eventuell nur mit einem Prämienaufschlag. Bei einer noch akuten Infektion dürfte es keinen Versicherungsschutz geben - oder nur mit Karenzzeit", erläutert ein Sprecher des Versichererverbands GDV. Tatsächlich kann gerade bei BU-Policen bei Langzeitfolgen durch Covid-19 der Abschluss einer zusätzlichen BU-Versicherung schwierig bis unmöglich werden. Viele Anbieter stellen Anträge erst einmal zurück, Wartezeiten von drei bis zwölf Monaten sind möglich.
"Das bedeutet: Man kann es wieder probieren, wenn die Infektion ausgeheilt ist", erläutert der Versicherungsmakler Matthias Helberg aus Osnabrück. Die Beratungsgesellschaft Premiumcircle hat in einer Stichprobe bei sieben Lebensversicherungen immerhin festgestellt, dass Geimpfte ihre BU-Police problemlos erhalten.
Eine private Rechtsschutzversicherung könnte in der Pandemie immer wichtiger werden. Sie hilft, falls es rund um die Impfung zu Problemen kommen sollte. Was die private Unfallversicherung angeht, so schützt sie zwar nicht bei Gesundheitsschäden durch Corona, doch ist die Schutzimpfung bei einigen Anbietern abgesichert. "Impfschäden sind bei uns bereits seit 2009 mitversichert", erläutert eine Sprecherin der Allianz. Neue Policen bieten teilweise eine direkte Absicherung für die Corona-Impfung (siehe Tabelle).
Geleistet wird aber nur, wenn der Impfschaden so schwer ist, dass er zur Invalidität führt. Wie beim staatlichen Schutz muss der Zusammenhang zwischen Impfung und Behinderung nachgewiesen werden.
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