Chef der Öko-Bank GLS: Der Überzeugungstäter
Thomas Jorberg, Chef der GLS Bank, hat der Konkurrenz Tausende Sparer abgejagt, nun will er das Verhältnis von Banken zu ihren Kunden erneuern - mit einer Gebühr.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Wenn Thomas Jorberg das neueste Vorhaben der GLS Bank erklärt, muss er zunächst den Begriff geraderücken: "Nennen Sie es Grundbeitrag, die Silbe ,solidar‘ ist missverständlich." Anfang Februar sorgte der Vorstandschef der GLS Bank für Furore, als er verkündete, einen Grundsolidarbeitrag einzuführen, damit die GLS Bank auch in Zukunft nach ethischen und ökologischen Gesichtspunkten arbeiten könne. Ein Paukenschlag in einer Zeit, in der Banken zwar immer weniger verdienen, aber weiterhin mit günstigen oder gar kostenlosen Angeboten werben. Jorbergs Vorstoß sorgte für Kopfschütteln in der Bankenbranche.
"Der Begriff Solidarbeitrag klingt problematisch, da denkt jeder an den ungeliebten Soli, der seinerzeit für den Aufbau Ost eingeführt wurde", sagt Oliver Mihm, Vorstandschef der Managementberatung Investors Marketing. "Doch bei der GLS Bank kann ich mir das vorstellen, die Kunden dieser Bank sind von ihrer Bank überzeugt", schiebt Mihm nach.
Jorberg hat kein Problem damit, sich anders zu positionieren als die breite Masse. Er sieht sein Geschäft ganz pragmatisch: "Ein Bankkonto ist eine Dienstleistung, die Geld kostet." Sämtliche Wettbewerber, die ihre Girokonten als "kostenlos" bewerben, streuten ihren Kunden nur Sand in die Augen. "Die sogenannten kostenlosen Konten werden, wenn der Kunde eine Altersvorsorge oder ein anderes Finanzprodukt kauft, mit der Provision doppelt und dreifach refinanziert." Sätze wie diese zeigen, wie Thomas Jorberg tickt. Er ist ein Banker, der benennt, was offensichtlich ist, was aber die meisten Privatkundenvorstände von Kreditinstituten nur hinter vorgehaltener Hand preisgeben.
Dabei ist der 58-Jährige keiner, der lauthals gegen seine Branche wettert, und auch keiner, der wirkt, als müsse er unter allen Umständen auf sich aufmerksam machen. Jorberg ist ein Mann, den viele auf offener Straße nicht wiedererkennen würden. Mittelgroß, weder dick noch schlank, das kurze dunkelgraue Haar lichtet sich. Der Anzug in unauffälligem Anthrazit sitzt gut, ist aber von der Stange. Keine teure Uhr, keine protzigen Manschettenknöpfe, mit denen sich manche Bankvorstände gern schmücken.
Keine normale Bank
Wer Thomas Jorberg gegenübersitzt, merkt bald, dass er zuhören kann. Sein Blick richtet sich auf den Gesprächspartner und schweift nicht im Raum umher. Wenn Jorberg spricht, sind die Sätze fast druckreif. Sie kommen wohlüberlegt, fast bedächtig und verhältnismäßig leise aus dem schmalen Mund. Sein Tonfall ist fast dialektfrei, seine schwäbische Herkunft kaum hörbar. Dieser unauffällige Typ hat die Bankenlandschaft mehr geprägt als so mancher Vorstand einer Großbank. Sein Werk ist die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, kurz GLS.Schon der im Namen enthaltene Unternehmenszweck "für Leihen und Schenken" zeigt, dass die Genossenschaftsbank aus Bochum keine normale Bank ist. Das Institut sieht sich einerseits als Direktbank, andererseits unterhält es sieben Filialen im gesamten Bundesgebiet von Hamburg bis München. 525 Mitarbeiter verwalten etwa 4,2 Milliarden Euro, die rund 200.000 Kunden angelegt haben. Damit ist die GLS Bank eine der größten Genossenschaftsbanken Deutschlands. Wer hierzulande sein Geld nach ökologischen und sozialen Kriterien anlegen will, kommt an der GLS Bank nicht vorbei.
Seit der Finanzkrise 2008 hat die Bank ihre Kundenzahl mehr als verdoppelt. "Die GLS Bank hat stark davon profitiert, dass viele Menschen das Vertrauen in Banken verloren haben", sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Das ist auch ein Verdienst von Thomas Jorberg, der sich aber nicht gern als Krisengewinner bezeichnen lässt. "Die Krise wirkte wie ein Katalysator, sie hat Werte wie Nachhaltigkeit und Transparenz noch stärker ins Blickfeld gerückt", analysiert Jorberg fast ohne Stolz.
Eine Zufallsbekanntschaft
Jorberg wollte nach seinem Abitur an der Waldorfschule im schwäbischen Engelberg gar nicht für eine Bank arbeiten, der Zufall wollte es aber anders: Als er 19 Jahre alt war, besuchte er seinen älteren Bruder in Bochum. Der lebte als Student im Haus des Anthroposophen Wilhelm Ernst Barkhoff, der 1974 die GLS Bank gegründet hatte. Jorberg war fasziniert von der Bank, die da gerade entstand und sich darum kümmerte, das Geld ihrer Kunden transparent und sinnvoll nach ethischen und ökologischen Regeln zu investieren. 1977 war er unter den ersten drei Auszubildenden der GLS Bank. Auch während des Volkswirtschaftsstudiums, das ihn nach Hohenheim und später nach Bochum führte, jobbte er in seiner Freizeit bei der GLS Bank. 1986 wurde er bei der GLS Bank fest angestellt. Sieben Jahre später wurde er Vorstand der Bank.2002 und 2003 kam der nächste Schritt: Jorberg wusste, die GLS Bank würde ewig eine kleine Regionalbank mit einem Nischenangebot bleiben, wenn sie nicht wüchse. Zeitgleich kam eine Bank, die sehr gut zur GLS Bank passte, in Schwierigkeiten. Die Ökobank mit Sitz in Frankfurt stand nach einigen Fehlentscheidungen des Vorstands vor dem Aus. Jorberg schaffte es, die Mitglieder der GLS Bank zu überzeugen, die mit rund 24.000 Kunden damals anderthalbmal so große Ökobank zu übernehmen. Mit dem Zusammenschluss im Jahr 2003 wuchs die GLS Bank nicht nur an Kunden, sondern entwickelte sich zur Vollbank. Seitdem bietet das Institut auch Girokonten und Baufinanzierung an.
Transparenz und strenge Regeln
In den Jahren darauf kümmerte sich Jorberg in erster Linie darum, die Kunden der Ökobank in die GLS Bank einzubinden. Zwar kamen in diesen Jahren immer wieder neue Kunden dazu, doch dies war kein Vergleich zum Ansturm, den die Bank nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers im Oktober 2008 erlebte. Verschreckt durch die Finanzkrise stellten sich viele Sparer die Sinnfrage und wechselten zur GLS Bank. Werbesprüche wie "Was macht Ihr Geld auf einem Biobauernhof? Sinn!" trafen den Nerv der Zeit. Seitdem kommen jährlich zwischen 10.000 und 30.000 neue Kunden zur GLS Bank. Das Geld wird hauptsächlich regional vor allem in die Bereiche Bildung, nachhaltige Landwirtschaft und Energien sowie soziale Projekte investiert. Für die Investments in Aktien und andere Wertpapiere gelten strenge Regeln, so sind etwa Chemiekonzerne oder Autohersteller nicht investierbar. Auch nicht die Unternehmen, die im Vergleich zum Rest der Branche die umweltfreundlichsten sind. Das Gros der Wechsler ist begeistert, das zeigen die Kommentare über die Bank in den sozialen Netzwerken, aber auch in Beliebtheitsrankings. "GLS-Kunden sind Überzeugungstäter", so Berater Mihm. "Sie finden dort absolute Transparenz."Weniger Gehalt als anderswo
Was wie ein hehres Versprechen klingt, löst die Bank tatsächlich ein: Ein Blick auf die Internetseite der Bank zeigt haarklein, an welche Institutionen die Bank Kredite vergibt. Sogar die Gehälter der Angestellten sind aufgeschlüsselt. Jorberg verdient 250.000 Euro im Jahr, angesichts der Verantwortung für 4,2 Milliarden Euro ein geringes Salär. So mancher Sparkassenchef oder Fondsmanager, der für weniger Geld verantwortlich ist, kassiert das Doppelte und mehr. Jorberg scheint einer der wenigen in der Finanzbranche zu sein, die sich aus ihrem eigenen Geld wenig machen. "Mir geht es nicht um den Verdienst, ich würde auch nie zu einer anderen Bank wechseln."Es scheint so, als würden Jorberg und seine Mannschaft bei der GLS Bank vieles richtig machen. Kritik handeln sich die GLS-Banker höchstens dann ein, wenn der eine oder andere Prozess bei der Kontoeröffnung nicht klappt oder der Kundenberater nicht sofort zur Stelle ist. Bankenprofessor Faust nennt das die "Wachstumsschmerzen einer Bank". Daher begrüßt er es auch, dass Jorberg und sein Vorstandskollege Andreas Neukirch die Führungsriege mit Aysel Osmanoglu und Dirk Kannacher erweitert haben. Die beiden neuen Vorstände sollen die Bank noch professioneller machen. Jorberg bleibt Vorstandssprecher und Vordenker. "Ich bin noch nicht so alt, um ans Aufhören zu denken", sagt er.
"Wie Steve Jobs für Apple"
Für Volker Weber vom Forum Nachhaltige Geldanlagen scheint es dennoch, als würde der GLS-Bank-Vorstand den Generationenwechsel vollziehen. "Das zeigt Jorbergs vorausschauende und pragmatische Art, er lässt die Jungen ran", so Weber. Für Bankenexperte Faust bleibt Jorberg aber das Gesicht der GLS Bank: "Er wirkt ein wenig wie Steve Jobs für Apple." Ein Vergleich, den Jorberg zurückweisen dürfte, obwohl er nicht so weit hergeholt ist, wie es zunächst scheint. Denn er ist nicht nur das Gesicht und der Vordenker der GLS Bank, sondern lebt selbst die Ideale der Bank. Neben seinen Ämtern bei der Bank und der dazugehörigen Stiftung sitzt Jorberg in Aufsichtsräten etwa bei den Elektrizitätswerken Schönau, die auf regenerative Energien setzen. Seit 2009 ist er Aufsichtsratsmitglied der Hannoverschen Kassen, eines Verbunds, der Altersvorsorge nach ökologisch-sozialen Vorgaben anbietet. Zudem sitzt er im Hochschulrat der Ruhr-Universität Bochum. Im März 2009 gründete er gemeinsam mit den Vorständen von zehn weiteren Nachhaltigkeitsbanken die Global Alliance for Banking on Values. Die Mitglieder dieser Allianz haben sich verpflichtet, gemeinsam globale Lösungen für internationale Probleme zu finden und eine Alternative zum gegenwärtigen Finanzsystem zu entwickeln.Der Fall Prokon wurmt ihn
Geht es um staatliche Eingriffe wie das Kleinanlegerschutzgesetz, hat Jorberg eine klare Meinung: "Nicht sinnvoll", sagt er dann, meint aber "Blödsinn". Gerade die durch das Gesetz streng regulierten Genossenschaften hält er für extrem wichtig, damit hierzulande sozial und ökologisch gewirtschaftet wird.Die Insolvenz des Windkraftanbieters Prokon, nach der das Gesetz geschrieben wurde, war aus seiner Sicht für die Beteiligungen an erneuerbaren Energien fatal. Man merkt ihm die Enttäuschung über die Prokon-Pleite noch heute an. Er hätte Prokon höchstwahrscheinlich ordentlich geführt. "Jorberg ist ein Vorbild für viele in der Nachhaltigkeitsbranche", so Szenekenner Weber. Dazu passt, dass der zweifache Familienvater in seiner Freizeit CO2-arm unterwegs ist, indem er segelt oder wandert.
Viel Freizeit bleibt Jorberg nicht. Derzeit gibt es genug Baustellen. Mit dem Grundbeitrag hat Jorberg nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch in der Bank eine Diskussion losgetreten. In den kommenden Wochen und Monaten gilt es, die gut 40.000 Mitglieder der Genossenschaft zu überzeugen. Da stellt sich weniger die Frage ob, sondern wie der Beitrag eingeführt wird. Jorberg kann sich eine Grundgebühr vorstellen, die sich etwa am Vermögen und an den Ansprüchen des Kunden orientiert. Wer viel Beratung will, würde also mehr zahlen als einer, der seine Bankgeschäfte allein und komplett online erledigt. "Noch ist aber nichts entschieden", betont er. Und vor 2017 werde es keinen Grundbeitrag geben.
Auch wenn bis dahin noch viel Zeit vergeht, der Grundbeitrag wird wahrscheinlich der erste seiner Art sein. Für Jorberg spielt es keine Rolle, wie schnell der Beitrag kommt. Er will seine Sache gemeinsam mit den Mitgliedern durchziehen. Da spielen anfängliche Kommunikationsprobleme, ob es sich nun um einen Solidarbeitrag oder Grundbeitrag handelt, keine Rolle.
Vita
Der MenschThomas Jorberg wird 1957 in Rothenburg ob der Tauber geboren. Doch seine Familie zieht bald in die Nähe von Stuttgart, wo er bis ins Studium hinein lebt. Eher zufällig lernt er bei einem Besuch in Bochum die GLS Bank kennen und wird 1977 einer der ersten Auszubildenden der Bank. Nachdem er sein Volkswirtschaftsstudium beendet hat, fängt er bei der GLS Bank an. Seit 1993 ist er im Vorstand.
Unternehmen
Die BankDie GLS Bank ist nicht nur die größte, sondern auch die älteste deutsche Bank, die nach ökologischen und sozialen Kriterien arbeitet. Das Institut wurde 1974 von Anhängern des Philosophen und Bildungsreformers Rudolf Steiner gegründet. Vor allem seit der Finanzkrise hatte die Bank regen Zulauf, sodass sich die Zahl der Kunden seit 2008 vervierfacht und das verwaltete Vermögen auf 4,2 Milliarden mehr als verfünffacht hat.
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Bildquellen: Martin Steffen/GLS Bank