Die Linke: Störtebekers Erben
Mit dem Geld der Reichen will die Partei die Sozialsysteme ausbauen und Staatsschulden verringern.
von Andreas Höß, Euro am Sonntag
Kaum war Die Linke im Sommer 2007 gegründet, hatte sie schon mit schlechter Presse zu kämpfen. „Was die Linken wollen: mehr, mehr, mehr“ — so titelte die konservative „FAZ“ damals angesichts der ausufernden Forderungen der als Ostalgiegruppe verschrienen neuen Partei. Diese reichten von kürzeren Arbeitszeiten über „Privatisierungen rückgängig machen“ bis „Hartz IV muss weg“. Kritiker fragten sich: Wer soll das bezahlen?
Linken-Chefin Katja Kipping hat darauf eine Antwort: Deutschland brauche eine Partei, die nach dem „Störtebeker-Prinzip“ handle, sagte sie im August in einem Interview: „Den Reichen nehmen, den Armen geben.“ Wie das genau gehen könnte, hat Die Linke in ihr Programm für die Bundestagswahl am 22. September geschrieben. „100 % Sozial“ steht dort in weißen Lettern auf rotem Deckblatt. Die Forderungen sind seit 2007 ähnlich geblieben: streng sozialistisch, sagen viele. Wie sie den Reichen die fiskalischen Daumenschrauben anlegen will, führt Die Linke hingegen nun deutlich detaillierter aus als früher.
Selbst Kritiker sind erstaunt, wie stark die Umverteilungsvorhaben mit Zahlen unterlegt sind. Auf die Frage, welche Partei das ehrlichste Programm für die Bundestagswahl vorgelegt habe, antwortete Wirtschaftsforscher Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Juli auf einer Pressekonferenz: „Die Linke. Die sagen wirklich erstaunlich offen, was sie wollen.“ Was allerdings schon in Hüthers Aussage mitschwingt: Die Pläne dürften vor allem Besserverdienern Angst machen.
Sozialpolitik und Renten
1.050 Euro. So viel braucht ein Mensch mindestens, um ordentlich leben zu können, meint Die Linke. Die Zahl ist ein Fixpunkt, um den das 100-seitige Parteiprogramm kreist. Die zentrale Forderung: „Soziale Grundrechte garantieren statt Schikane und Armut durch Hartz IV.“ Dahinter verbirgt sich ein ganzes Maßnahmenbündel, das die Gesellschaft gerechter machen soll.
Mindestrente und ein bedingungsloses Grundeinkommen etwa. 1050 Euro soll es mittelfristig für beides geben, plus Miete. Als Zwischenschritt dorthin will Die Linke zunächst die Regelsätze für Hartz IV von 382 auf 500 Euro sowie die Rentensätze wieder auf 53 Prozent anheben und die Ostrenten denen im Westen angleichen. Wer 65 ist oder 40 Jahre gearbeitet hat, soll ohne Abschläge in Rente gehen dürfen. Geplant ist auch ein „öffentlich geförderter Beschäftigungssektor“, der Arbeitslosen in Stadtteilzentren oder Kulturprojekten berufliche Perspektiven bietet — und ein Gehalt von 1.500 Euro brutto oder zehn Euro die Stunde. Die Maßnahmen sollen zum einen durch Sozialabgaben gedeckt, zum anderen über höhere Steuern finanziert werden.
Steuern und Abgaben
Um ihr Sozialprogramm zu finanzieren, plant Die Linke massive Steuererhöhungen für Reiche, aber auch für die Mittelschicht und für Betriebe. Kernstück: höhere Einkommensteuern, die in einer Reichensteuer gipfeln. Für zu versteuernde Jahreseinkommen ab 65.000 Euro will Die Linke den Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent anheben. Einkommen darunter würden entlastet. Von jedem Euro eines Jahreseinkommens über einer Million gingen außerdem 75 Cent an den Fiskus.
Die Linke will auch die Erbschaftsteuer erhöhen, besonders hat sie aber Vermögen im Visier. Fünf Prozent Steuer wären auf Vermögen und Immobilien ab einem Wert von einer Million Euro fällig — nicht nur bei Privatpersonen, sondern auch bei Betrieben, die laut Plänen der Partei ohnehin mit zusätzlichen Belastungen über eine höhere Unternehmensteuer rechnen müssten. Durch die fiskalischen Foltermittel verspricht sich Die Linke insgesamt 180 Milliarden Euro Mehreinnahmen jährlich, 80 Milliarden allein aus der Millionärsteuer. Ein dicker Berg, der noch um 300 Milliarden Euro Einmaleinnahmen aufgestockt würde, mit denen Die Linke Staatsschulden abbauen will. Das Geld soll aus einer Vermögensabgabe kommen, die auch Unternehmen träfe und zwischen 20 Prozent (ab 10 Millionen Euro Vermögen) und 30 Prozent (ab 100 Millionen) liegen würde.
Wirtschaft, Finanzen, Schuldenkrise
Spekulation eindämmen, Banken zerschlagen, Energiekonzerne verstaatlichen — das Wirtschaftsprogramm der Partei bleibt das Alte. Neu sind hingegen die Ansätze, die Schuldenkrise zu lösen. Die Linke will die Sparprogramme in Südeuropa rückgängig machen und die Europäische Zentralbank über eine neu zu gründende Bank für öffentliche Anleihen direkt in die Staatsfinanzierung einspannen. Auch eine europäische Ratingagentur ist geplant. Banken sollen sich über eine Abgabe und einen Fonds für angeschlagene Institute sowie durch das Geld ihrer Aktionäre und Gläubiger selbst retten. Für Anleger und Sparer wichtig: Kapitalerträge würden künftig wie Einkommen behandelt, der Fiskus würde stärker zulangen als mit der derzeitigen Abgeltungsteuer (25 Prozent). Auch eine Finanztransaktionsteuer (0,1 Prozent je Deal) hat Die Linke im Programm. Geplant ist weiter ein Finanz-TÜV, der „Schrottpapiere“ vom Markt halten soll, sowie eine Höchstgrenze für Dispozinsen. Riester-Verträge würden künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einverleibt, die zu einer Bürgerversicherung umgebaut werden soll.
Fazit
Am Ende bleibt Papier
Die wirtschaftsfeindlichen Steuerpläne der Partei lassen jene von SPD und Grünen fast schon brav wirken. Doch was bleibt nach der Wahl? Wohl nicht mehr als viel Papier. Union und SPD lehnen Die Linke als Koalitionspartner kategorisch ab, diese will ihrerseits keine Minderheitenregierung tolerieren.