Anpassung an EU-Richtlinie

Schäuble plant Abschaffung des Garantiezinses

08.10.15 16:54 Uhr

Schäuble plant Abschaffung des Garantiezinses | finanzen.net

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant eine Abschaffung des bisherigen Garantiezinses für Lebensversicherungen.

Dies ist nach Angaben einer Sprecherin des Finanzministeriums in einem Verordnungsentwurf des Ministeriums vorgesehen, mit dem die deutschen Regelungen an die zum 1. Januar 2016 in Kraft tretenden neuen europäischen Eigenkapitalvorschriften ("Solvabilität II") angeglichen werden.

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Zum 1. Januar 2016 werde das Versicherungsaufsichtsgesetz grundlegend geändert und an die Vorgaben der entsprechenden EU-Richtlinie angepasst, durch die "ein neues, risikoorientiertes und europaweit einheitliches Aufsichtssystem für den Versicherungssektor" geschaffen werde.

"Unter diesem europaweit einheitlichen Aufsichtssystem wird der bisherige Höchstrechnungszins für die Zwecke der Aufsicht nicht mehr benötigt", erklärte das Finanzministerium. "Deshalb soll der gesetzliche Höchstrechnungszins für die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen bei denjenigen Unternehmen, für die Solvabilität II gilt, aufgehoben werden."

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Die Mindestverzinsung war wegen des extrem niedrigen Zinsumfeldes bereits bis auf 1,25 Prozent gesenkt worden.

Große Versicherer tragen den niedrigen Zinsen in ihren Produkten bereits Rechnung. Branchenprimus Allianz etwa versucht schon seit geraumer Zeit, möglichst viel Neugeschäft mit neuen, garantiefreien Lebensversicherungspolicen zu machen. Diese sind ein zweischneidiges Schwert. Die Kunden können durch solche Produkte zwar eine höhere Rendite erzielen, jedoch ist die nicht gewährleistet. Auch Talanx hat bereits angekündigt, traditionelle Lebensversicherungsprodukte ab 2016 durch kapitaleffiziente Konzepte zu ersetzen.

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Das Finanzministerium betonte, die Versicherer könnten weiter Garantiezinsen anbieten. "Die Garantiezusagen der Lebensversicherer beruhen auf den Versicherungsverträgen, nicht auf der Verordnung", betonte Schäubles Haus. Deshalb seien auch weiterhin Garantiezusagen in der Lebensversicherung möglich, und Versicherer könnten "trotz des Wegfalls des Höchstrechnungszinses weiterhin Garantieversprechen abgeben".

Diese Garantie könne sich jedoch von Unternehmen zu Unternehmen unterscheiden, teilte der Branchenverband GDV mit. Bislang habe der Höchstrechnungszins eine kalkulatorische Obergrenze definiert, aus der die Unternehmen ihre Leistungszusagen abgeleitet haben. Diese einheitliche Obergrenze könnte nun entfallen.

Der GDV sieht die Pläne des Ministeriums kritisch. "Zur Gewährleistung langlaufender Lebensversicherungsprodukte mit Zinsgarantien, die nicht gegen Zinsänderungsrisiken abgesichert sind, ist auch in Zukunft eine Vorgabe für den höchstzulässigen Rechnungszins nötig", sagte Peter Schwark, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Gleichzeitig versichert er, dass bestehende Verträge von der Abschaffung des Garantiezinsens nicht betroffen seien.

Verbraucherschützer befürchten dennoch Nachteile für Altverträge: "Zwar sind die Garantien schon bestehender Verträge ziemlich sicher, die neuen Maßnahmen der Bundesregierung werden aber negativ auf die Überschüsse durchschlagen", sagte Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten (BdV). Sinkende Überschüsse könnten dann zu einer noch unrentableren Altersvorsorge führen, so die Verbraucherschützer. Lebensversicherungen, private Renten, Riester-Renten, Rürup-Renten und betriebliche Altersvorsorge seien bisher stark geprägt von den klassischen Verträgen mit Garantiezins.

"Auf Garantieversprechen vertrauen Millionen von Kunden", pflichtet der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute bei. Der Einschnitt würde die Attraktivität der Lebensversicherung, die ein wichtiges Altersvorsorgeprodukt darstelle, schmälern. Die Abschaffung des Garantiezinses schaffe daher Unsicherheit auf Seiten der Altersvorsorgesparer, und die Versicherer könnten geneigt sein, die Lebensversicherungen noch geringer zu verzinsen, als mit dem jetzt gültigen Garantiezins von 1,25 Prozent.

Nachteile für die Kunden befürchtet auch Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, der die geplante Verordnung mit markigen Worten kritisiert. "Mit der Abschaffung des Höchstrechnungszinses reißt die Bundesregierung eines der wichtigsten Bollwerke in der Regulierung der Lebensversicherungsindustrie nieder", teilte der Politiker mit.

Schick befürchtet, dass große Wettbewerber mittels einer Erhöhung des Garantiezinses kleine Wettbewerber, die weiter an den Höchstrechnungszins gebunden sind, aus dem Markt drängen könnten. Außerdem müsse verhindert werden, dass Versicherer zu unseriösen Garantieversprechen verleitet werden.

BERLIN (Dow Jones)

Bildquellen: Jakub Krechowicz / Shutterstock.com